Nicole Siecke

Ungewisse Vergangenheit


Скачать книгу

auf keinen Fall zu erkennen zu geben und alles beim Alten zu lassen. Natürlich hatte Adam Loris Aufklärung unterbrochen, die unweigerlich in Schweigen verfiel, um unsere Position in diesem Spiel nicht zu verraten.

      Ich war mir sicher, dass sie uns noch wichtige Informationen zuteilwerden lassen wollte, aber was brachte es uns jetzt, wo Adam mit anwesend war?

      Ich näherte mich ihm vorsichtig, zu jeder Zeit bereit, einem Abwehrschlag aus dem Wege gehen zu können.

      „Wie fühlt Ihr Euch, Adam?“

      Er sah mich an und brauchte Sekunden der Orientierung.

      „Ihr habt den Mut, mich das zu fragen?“

      Er schien also nichts vergessen zu haben; schade, dabei wäre ihm eine Amnesie gerade Recht gekommen, dachte ich erschüttert. Jetzt war er uns ausgeliefert. Ich erinnerte mich daran, dass es vor wenigen Stunden noch umgekehrt gewesen war.

      „Oh ja, das habe ich!“

      Ich wollte mir auf keinen Fall irgendeine Unsicherheit anmerken lassen. Männer wie er hatten für schwache Frauen nichts übrig, das wusste ich mittlerweile, und ich musste ihn nun mal bei Laune halten, weil ich früher oder später mit seinen suchenden Verwandten rechnete. Ein gutes Wort von ihm für uns würde uns sicherlich das Leben retten.

      Zielsicher landete meine Hand an seiner lädierten linken Schläfe. Er zuckte unwillkürlich zurück, tolerierte jedoch erstaunlicherweise meine kurze Berührung.

      „Wie konnte ich wissen, was Ihr mit mir vorhattet dort am Zaun in einer mondhellen Nacht!“

      Er hatte es inzwischen geschafft, sich aufzusetzen.

      „Bestimmt hätte ich Euch nicht so behandelt, wie Ihr mich! Außerdem sagtet Ihr, Ihr wäret in Schwierigkeiten.“

      Ich war überrascht, über welchen Scharfsinn er noch nach einem solchen Schlag verfügte. Er rieb sich hinter dem Ohr und stöhnte plötzlich wieder.

      „Wie komme ich hier her? Wer hat mich niedergestreckt, könnt Ihr Euch erinnern?“

      Kiefer erhob sich und diese Bewegung ließ Adam den Kopf langsam drehen.

      „Das war ich. Es tut mir leid, aber ich glaube, Sie, Ihr hättet nicht anders reagiert, wenn man Eure Begleitung derart rüpelhaft angesprochen hätte?“

      Ich bewunderte Kiefers Mut und hielt die Luft an.

      „Ihr könnt froh sein, dass ich wohl kaum momentan in der Lage bin, mich zu wehren.“

      Dann wandte er seinen Blick angewidert von Kiefer ab, um den meinen zu suchen.

      „Also habt Ihr Eure Begleitung wiedergefunden, wie ich annehmen darf?“

      Ich war überrumpelt.

      „Ich … äh, ja, ich habe ihn …“

      Er unterbrach mein wirres Gestotter.

      „Ich sollte mich bei Eurem Begleiter für seinen überaus netten Willkommensgruß bedanken!“

      Verachtung spiegelte sich in seinem Gesicht.

      „Zum Duellieren ist immer noch Zeit genug. Jetzt esst erst einmal was von dem Schinken hier. Der wird sicher alle auf andere Gedanken bringen“

      Lori war hinzugekommen. Sie trug die Decke geschickt um sich gewickelt, um ihre Kleidung zu verbergen.

      Alle Anwesenden waren sprachlos. Eine solch brisante Situation auf diese Weise zu entschärfen, war brillant.

      Adam jedoch schob ihre hin gehaltene Hand zur Seite.

      „Noch eine im Bunde?“ Er dachte angestrengt nach.

      „Ihr habt das Haus meines Gevatters bestohlen, Ihr wart Gast dort. Ist das der Dank?“

      Zornig erhob er sich, man sah ihm an, dass er Schmerzen haben musste. Die Decke, die ihn umschlungen hatte, warf er beim Aufstehen achtlos hinter sich.

      „Nein, der Dank ist, dass Rose Euch die ganze Nacht behütet hat, wie ein kleines Kind und um Euer Leben gebangt hat. Ich hätte Euch da draußen liegen lassen. Sie ist es, derer Ihr zu Dank verpflichtet seid!“

      Kiefers Stimme hallte in meinen Ohren.

      Adam war sichtlich verwirrt. Sein Daumen und der Zeigefinger drückten sich behutsam in die Augenhöhlen, um die gewünschte Konzentration wieder zu erlangen. Er torkelte leicht. Ich hatte die Befürchtung, dass er gleich zu Boden gehen würde, wie eine alte Eiche.

      „Wer seid Ihr?“

      Seine Frage war kaum hörbar, aber wir alle waren so angespannt, dass es jeder wie ein Paukenschlag vernahm.

      „Sagen wir, wir sind Reisende. Reisende, die in Schwierigkeiten geraten sind, ganz wie Rose es behauptet hat. Das muss Euch reichen, Adam!“

      Ich bewunderte Kiefers Redekünste, die keinen Widerspruch duldeten, und er schien auch seinen Ansprechpartner davon zu überzeugen.

      Adam lachte ironisch auf.

      „Das ist wenig an Information, findet Ihr nicht?

      Und dann war es soweit. Er sackte wie ein drahtiger Bulle nach einer Narkoseinjektion zusammen. Ich erschrak so heftig, konnte mich jedoch im letzten Moment unter ihn werfen, um seinen lädierten Kopf nicht wieder brachialer Gewalt aussetzen zu müssen.

      Kiefer und Lori halfen mir bei der erneuten Lagerung und dieses Mal schien er noch schwerer geworden. Anschließend saßen wir stumm um Adam herum. Wir sprachen eine ganze Weile kein Wort, vermutlich weil sich jeder von uns mit der eben vorgefallenen Szene auseinandersetzen musste, bis sich Kiefer als erster erhob.

      „Verdammt, ich brauche frische Luft. Ich muss mir ein Konzept überlegen, sonst sind wir verloren!“

      Er marschierte geradewegs hinaus, die Türe ließ er achtlos offenstehen. Loris und mein Blick kreuzten sich.

      „Ich gehe ihm nach. Ich habe Angst, dass er Dummheiten macht. Wir sollten uns nicht mehr trennen! Warte hier! “

      Ich nickte ihr stumm zu. Sie hatte Recht. Was die letzte Trennung bewirkt hatte, hatten wir noch jetzt auszubrüten. Ich sah ihr nach und blieb mit Adam allein zurück. Während ich meinen Gedanken nachhing, starrte ich ihn an. Seine linke Gesichtshälfte machte wirklich einen erbärmlichen Eindruck. Das verklebt getrocknete Blut hatte sich seine Bahnen bis in den Nacken gefressen. Er war blass unter seiner Bräune. Seine Lippen waren schmal, eher im Schlaf schmerzverzerrt. Ich hatte wenig Ahnung von Medizin, aber er war bestimmt bettpflichtig. Nach einer leichten Gehirnerschütterung wurde man nicht so einfach wieder ohnmächtig!

      Ich wurde unruhig und wandte den Blick von ihm ab aus dem einzigen Fenster hinaus, was die Hütte enthielt. Eben noch hatte ich Kiefer und Lori in sicherer Entfernung stehen sehen, jetzt waren sie verschwunden. Ich reckte den Hals, um besser sehen zu können. Nein! Ich wollte mir nicht auch noch Sorgen um ihr Verschwinden machen müssen. Sicher waren sie ein Stück weit gegangen, um reden zu können, ohne dass mein Patient zuhörte.

      „Ich habe starke Schmerzen, Rose!“

      Adams plötzliche Stimme erschrak mich. Er sah mich an, sein Blick war vorwurfsvoll, seine Kiefer pressten sich hart aufeinander.

      „Ich weiß, ich kann es mir denken. Es tut mir wirklich leid. Kiefer, fühlte sich verpflichtet, mir zu helfen.“

      Er schloss die Augen wieder und wandte den Kopf behutsam stärker in meine Richtung.

      „Wer seid Ihr wirklich?“

      Ich holte tief Luft.

      „Ich ... Ich kann nicht darüber sprechen!“, plötzlich wurden wir unterbrochen:

      „Adam? - Adam!“

      Ich war wie gelähmt, als ich Murrays Stimme plötzlich wiedererkannte.

      „Bist du da drin, Adam Connor?“

      Sofort wollte ich mich erheben und auf die Türe zugehen, als er mich