Franziska Hartmann

Das Tal der Feuergeister


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und hinter seinem Rücken lugte eine Armbrust hervor. Irgendetwas an seinem Erscheinungsbild verstörte mich.

      Offensichtlich zufrieden streichelte er dem schwarzen Raben über den Kopf. Als er dann mich direkt ansah, wusste ich, was mich so irritierte: Seine Augen hatten unterschiedliche Farben. Das linke war dunkel, braun nahm ich an. Das rechte schimmerte dagegen in einem warmen Gold.

      „Freut mich, dich wiederzusehen“, sagte Doran an Cuinn gerichtet.

      „Mich nicht.“ Cuinn nahm meine Hand und wollte mich nach rechts an Doran vorbeiziehen. Doch wir schafften nur zwei Schritte, ehe der Rabe schon vor Cuinns Nase herumflatterte und ihn erbost ankrähte. Cuinn schlug erneut genervt nach dem Vogel. „Hau ab, du dummes Federvieh, oder ich setze all deine Federn in Flammen“, schnaubte er.

      „Na, na, nicht doch“, sagte Doran. „Komm wieder her, Fae.“ Der Rabe gehorchte aufs Wort und thronte einen Augenblick später zahm wie ein Lämmchen auf Dorans Schulter. „Ich hatte gehofft, du würdest mir einen längeren Besuch abstatten.“ Doran verzog enttäuscht den Mund.

      Wer zur Hölle war dieser Typ?

      „Eigentlich wollte ich dich gar nicht besuchen“, entgegnete Cuinn.

      Doran zog die Luft zwischen den Zähnen ein und legte sich eine Hand auf die Brust. „Autsch, das tut weh.“ Sein Blick wanderte wieder zu mir. „Willst du mir nicht wenigstens erzählen, wo du dieser hübschen Dame begegnet bist? War es also doch nicht das Richtige mit diesem Drachen Lou?“

      Oh, oh, böses Thema. Cuinn ließ mich los und ballte stattdessen die Hände zu Fäusten.

      Doran schien die Reaktion nicht zu entgehen. Er fing an zu lachen. „Sie ist ein Mensch. Ich dachte, das entspräche nicht deinem Geschmack, Bruderherz.“

      Mir klappte die Kinnlade herunter. Ich sah zu Cuinn. Wieder zu Doran. Und wieder zu Cuinn. Dann streckte ich einen Zeigefinger Richtung Doran. „Wie bitte? Dieser wahnsinnige Rabenfreak ist dein Bruder?“ Ich war nun schon mehrere Tage mit Cuinn unterwegs, ich hatte mir so viele Gedanken darüber gemacht, wer Cuinn war, wo er herkam und was er erlebt hatte. Aber in keinem einzigen Moment hatte ich daran gedacht, dass er Geschwister haben könnte.

      „Leider“, antwortete Cuinn.

      „Er hat mit Bolzen nach uns geschossen!“, empörte ich mich. „Machen das Brüder hier so?“

      „Stellt sie immer so nervige Fragen?“, erkundigte sich Doran.

      Cuinn seufzte. „Manchmal. Sie begleitet mich nur, damit ich sie wieder in ihre Heimat bringen kann. Sie kommt nicht von hier, ist etwas komplizierter. Was willst du von mir? Wir haben es eilig.“

      Ich starrte immer noch fassungslos von einem zum anderen. Was war an meiner Frage bitteschön nervig? War mein Entsetzen etwa so wenig nachvollziehbar?

      „Sie kommt nicht von hier?“, wiederholte Doran und musterte mich noch mal von oben bis unten. „Deshalb sieht sie so komisch aus.“

      „Du siehst selbst komisch aus, Glitzerauge“, giftete ich ihn an. Dennoch konnte ich nicht anders, als mir mit der Hand durch die Haare zu kämmen und an mir herunterzublicken, um zu schauen, ob mein Kleid noch richtig saß.

      Doran grinste. „Dann passen wir ja perfekt zusammen.“

      Mir wurde schlecht.

      Cuinn räusperte sich, um Dorans Aufmerksamkeit wiederzubekommen. „Ich habe dich etwas gefragt. Also?“

      Dorans Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. „Stimmt es, was man sich erzählt? Über Lou? Es heißt, wenn der letzte Drache stirbt, wird auch die Magie nach und nach verschwinden. Das wäre eine Katastrophe.“

      „Lou ist tot“, antwortete Cuinn knapp. „Aber sie war nicht der letzte Drache.“

      Dorans Augen weiteten sich. „Nun, ich würde dir ja mein Beileid aussprechen, aber du weißt, dass das nicht meine Art ist. Also, was meinst du damit, sie war nicht der letzte Drache?“

      So ein gefühlsloser Vollidiot. Doch Cuinn schien daran gewöhnt zu sein. „Es gibt drei Dracheneier.“

      „Wo?“ Dorans Augen erfüllte nun ein aufgeregtes Leuchten.

      „Auf dem Feuerberg. Wir sind auf dem Weg zu den Feuergeistern“, erklärte Cuinn.

      Das Leuchten in Dorans Augen erlosch. Dann begann er wieder, schallend zu lachen, dass Fae aufgeschreckt von seiner Schulter flog und krächzend um ihn herumschwirrte, bis er sich wieder beruhigt hatte. „Das ist nicht dein Ernst.“ Er sah Cuinn an, suchte anscheinend nach einem Zeichen, dass Cuinn Scherze machte. Natürlich fand er keines. „Was lässt dich glauben, dass die Feuergeister dich passieren lassen?“

      Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich keine Ahnung hatte, welche Barriere zwischen Cuinn und den Feuergeistern lag.

      „Sie müssen“, sagte Cuinn. „Und ich muss es zumindest versuchen. Ich habe kaum eine andere Wahl.“

      Doran hob eine Augenbraue und machte eine wegwerfende Handbewegung mit seiner Rechten. „Na gut, aber ich bin dann raus. Ich werde bestimmt nicht ins Tal der Feuergeister ziehen.“

      „Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dich darum gebeten zu haben“, murmelte Cuinn.

      Ich zupfte an Cuinns Ärmel. „Können wir jetzt gehen?“ Ich wollte wirklich schleunigst weg von seinem Bruder.

      „Ich denke schon“, antwortete Cuinn. „Notfalls mache ich aus dem Raben einen Bratvogel.“

      Cuinn wandte sich ohne ein Wort des Abschieds ab, da beobachtete ich, wie Doran plötzlich nur noch mit leerem Blick an mir vorbeistarrte. Dann begann er, am ganzen Körper zu zittern.

      „Cuinn?“, rief ich mit schriller Stimme. „Macht dein Bruder das öfter?“

      Doran wühlte inzwischen hektisch in einem Beutel an seinem Gürtel herum.

      Cuinn drehte sich wieder zu uns um. „Doran!“ Er stürzte zu seinem Bruder.

      Dorans Gesicht war von einer Sekunde auf die nächste kreidebleich geworden. „Es muss hier irgendwo sein.“ Mit zitternden Händen zog er eine kleine Metallschatulle aus dem Beutel.

      „Was ist da drin?“, fragte Cuinn.

      Die Schatulle fiel Doran aus der Hand, im nächsten Moment sackte er bewusstlos zusammen. Cuinn konnte ihn gerade noch rechtzeitig auffangen. Fae flatterte aufgeregt um Cuinn und Doran herum und schlug immer wieder mit den Flügeln nach Cuinn.

      „Katja, was ist in der Schatulle?“ Ich sammelte die Schatulle auf und öffnete sie. Darin befanden sich ein paar herzförmige, blaue Blütenblätter mit weißen Sprenkeln. „Nimm die mit!“, bat Cuinn mich und legte den Rucksack ab. „Und den am besten auch. Und sorg dafür, dass ich diesen Vogel nicht wirklich braten muss!“ Er nahm Doran auf den Rücken. „Wir müssen zu den Feuergeistern. Schnell!“ Dann stapfte er los.

      Ich schulterte den Rucksack und eilte Cuinn hinterher, wobei ich Fae immer wieder von ihm fort jagte. „Was ist mit Doran?“

      „Er hat sich vergiftet.“

      „Vergiftet? Mit diesen Blüten? Kannst du ihn nicht heilen?“

      „Das sind Blüten der Teufelsranke. Deren Gift lässt sich nicht mit Magie behandeln. Und das Gegengift wächst nur im Tal der Feuergeister.“

      „Warum vergiftet er sich?“, wollte ich wissen.

      „Vermutlich nicht mit Absicht.“

      Bald schon erkannte ich, dass wir nur noch ein paar Baumreihen vor uns hatten, ehe sich der Wald lichtete. Zwischen den Baumstämmen hindurch hatte ich Blick auf den gewaltigen Feuerberg. Das hellbraune Gestein war von üppigen Pflanzen überwuchert und sah aus, wie in die Landschaft gemalt. Ich war schon von der Ferne aus begeistert, doch der Ausblick, der sich mir bot, als wir den Wald hinter uns ließen, überwältigte mich. Vor uns senkte sich der Boden herab und führte in ein grünes Tal, ehe sich dahinter