Franziska Hartmann

Das Tal der Feuergeister


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sah er auch wirklich wütend aus.

      Doch ich fuhr unbeirrt fort. Sollte er ruhig wütend werden. „Glaubst du, nur weil du das Blut irgendeines magischen Wesens in dir trägst, macht dich das wertvoller als einen Menschen? Meinst du, das gibt dir das Recht, einfach so über deren Leben zu bestimmen? Hättest du sie nicht einfach mit einem Feuer umzingeln können? Sie hätten nicht fortlaufen können, sie hätten uns nicht folgen können. Und sie hätten nicht sterben müssen.“

      Cuinn blickte mich immer finsterer an.

      „Nein, stattdessen führst du sie direkt zu den Trévarda und lässt sie lebendig begraben.“ Sarkasmus legte sich in meine Stimme. „Cuinn, der großartige Magier, lässt sich von einem Haufen durchgedrehter Bäume den Hintern retten. Ja, du musst ja wirklich etwas ganz Besonderes sein.“

      „Sei still!“, fauchte Cuinn. „Du weißt nicht, wozu diese Menschen fähig sind, du weißt nicht, was sie getan haben. Und wirf mir nicht vor, ich sei grausam und arrogant, denn genauso wenig weißt du, wer und wie ich bin.“

      „Dann erklär es mir!“, schnauzte ich ihn an.

      Doch Cuinn schlang wie ein bockiges Kind seinen Umhang enger um sich und legte sich auf die Seite, den Rücken zu mir gewandt.

      „Nein, so nicht! Du drückst dich diesmal nicht vor Erklärungen!“, schimpfte ich weiter und zog an seiner Schulter, um ihn wieder zu mir zu drehen.

      Er schlug meine Hand weg, setzte sich aber trotzdem wieder auf und sah mir ins Gesicht. „Ein Jammer, dass ich dich noch ganz bis zum Feuerberg hinaufschleppen muss, bevor ich dich wieder los bin“, brummte er. „Die Jäger werden immer weiter jagen. Sie lassen sich von nichts und niemandem abschrecken. Wären wir davongekommen und hätte ich sie laufen lassen, dann wäre ihnen früher oder später ein anderes magisches Wesen zum Opfer gefallen. Wie ich dir bereits sagte: Wir machen hier keine Kompromisse. Es war eigentlich schon gnädig von mir, dass ich den einen Jäger nur in den Schlaf geschickt habe. Ich mache das, um mich und den Wald zu schützen, nicht weil ich mich besser fühle als die Menschen. Schließlich bin ich selbst zur Hälfte einer. Meine Mutter ist einer. Ich bin mit ihnen verbunden, ob ich will oder nicht. Tatsächlich fühle ich mich momentan sogar sehr unsicher. Denn die Menschen scheinen Ausrüstung zu besitzen, die gegen Magie resistent ist. Wie zum Beispiel den Pfeil, der meinen magischen Schutzschild durchbrochen hat, als ich Lou schützen wollte.“

      „Deshalb lieber auf Nummer sicher gehen und die Trévarda die Arbeit machen lassen.“ Auch wenn mir die ganze Sache immer noch nicht gefiel, klang das einleuchtend.

      „Bist du jetzt zufrieden?“, murrte Cuinn.

      „Fürs Erste“, antwortete ich.

      Wir legten uns beide hin und schauten in den Himmel. Trotz der dichten Bäume konnte ich ein paar funkelnde Sterne entdecken. Ich versuchte, die Stille der Nacht in mich aufzusaugen, um nach diesem anstrengenden, ereignisreichen Tag zur Ruhe zu kommen.

      „Diese Narbe, die du da hast…“, sagte ich irgendwann in die Stille hinein und hielt dann inne, um Cuinns Reaktion abzuwarten. Ich wusste, er wollte nicht darüber reden und nachdem ich ihn gerade schon mit meiner Wuttirade eingeengt hatte, war ich nun lieber vorsichtiger.

      Doch Cuinn gab nur ein erwartungsvolles „Hm?“ von sich.

      „Das sah ein bisschen so aus wie ein Brandzeichen. Haben das alle Halbblute?“, wagte ich zu fragen.

      „Ja“, lautete Cuinns knappe Antwort.

      „Die Menschen haben euch alle gebrandmarkt?“ Ich war entsetzt.

      „Ja. Einen nach dem anderen. Und bei manchen Kindern mit einem etwas anderen Wundheilungssystem als bei Menschen hat der Prozess etwas länger gedauert.“

      Mir war sofort klar, dass er dabei auf sich selbst anspielte und mir wurde flau im Magen. „Ich denke, ich frage lieber nicht, wie oft sie dir ein glühendes Eisen auf die Haut gedrückt haben, bevor das Zeichen geblieben ist?“

      „Vierundreißigmal.“

      Ich schluckte. „Ich glaube, ich verstehe, warum du sie hasst.“

      Eine Weile blickten wir stumm zu den Sternen empor.

      „Kann ich dich noch etwas fragen?“

      „Kann ich dich daran hindern?“, gab Cuinn zurück.

      Ich überging die spöttische Bemerkung. „Wenn die Menschen solche Angst vor allen magischen Wesen haben, warum nicht vor Feargal? Warum vertrauen sie ihm?

      „Ich glaube, das tun sie nicht. Aber sie vertrauen dem König und der wiederum vertraut Feargal.“

      „Und warum vertraut der König ihm?“

      „Ich weiß es nicht. Ich vermute, dass Feargal es irgendwie geschafft hat, ihn mit einem Zauber zu belegen“, antwortete Cuinn.

      „Könntest du das nicht auch machen? Die Menschen mit einem Zauber belegen, sodass sie keine Angst mehr vor magischen Wesen haben?“

      „In ihrem Gehirn herumpfuschen? Sie manipulieren? Zum einen würde es zu viel Energie kosten, solch einen Zauber für alle Menschen dauerhaft aufrechtzuerhalten. Zum anderen bin ich kein Freund davon, die Gunst anderer durch Magie zu erwerben.“

      „Kaum zu glauben“, warf ich ein. „Das heißt, du hast mich gar nicht mit einem Zauber versehen, damit ich dir bis hierhin folge? Ich habe das alles wirklich freiwillig gemacht?“

      Ich spürte, wie Cuinn mir einen kleinen Stoß am Arm versetzte. Im Schein des Feuers konnte ich das Grinsen in seinem Gesicht erkennen. „Du bist eben doch nur ein einfacher dummer Mensch.“

      „He, hast du nicht eben noch behauptet, du seist nicht arrogant?“, merkte ich an und knuffte ihn zurück.

      „Nur manchmal, wenn es sich anbietet.“

      Ich kuschelte mich in meinen warmen Umhang. Allmählich überkam mich tatsächlich die Müdigkeit. „Gute Nacht, Cuinn“, murmelte ich schläfrig.

      „Gute Nacht.“

      Ein Krähen weckte mich auf. Im Halbschlaf hielt ich mir die Ohren zu und versuchte, den Lärm auszublenden. Doch das Krähen wurde immer lauter. Ich blinzelte der Helligkeit des angebrochenen Tages entgegen und nahm einen schwarzen Fleck über mir wahr. Viel zu spät wurde mir bewusst, dass es sich dabei um einen Raben handelte, der sich auf uns stürzte. Besser gesagt stürzte er sich auf Cuinn. Trotzdem sprang ich erschrocken auf und war heilfroh, dass unser Lagerfeuer bereits erloschen war, da ich anderenfalls direkt hineingehüpft wäre. Cuinn hingegen schreckte erst hoch, als der Rabe wild mit den Flügeln schlagend auf seiner Brust landete und ihm direkt ins Gesicht krächzte. Reflexartig schlug er den Vogel mit dem Arm von sich und kam auf die Beine, bevor sich der Rabe wieder aufgerappelt hatte. Der Rabe krähte ihm empört entgegen, erhob sich dabei wieder in die Lüfte und ließ sich auf einem Ast über uns nieder, wo er sich weiter lauthals über Cuinns Angriff beschwerte.

      „Runter, Katja!“, rief Cuinn, drückte mich zu Boden und errichtete gleichzeitig eine hoch lodernde Feuerwand vor uns. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, als ein Bolzen links an mir vorbeischoss und zwei weitere in den Flammen zu Staub zerfielen. Das Feuer erlosch wieder.

      Verdattert warf ich einen Blick über die Schulter zu dem Baum, in dem nun der Bolzen steckte. Cuinn und ich richteten uns wieder auf und ich vernahm ein amüsiertes Glucksen und Lachen, das sich unter das Gekreische des Raben mischte.

      „Ist das ein Jäger?“, raunte ich Cuinn zu. Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, sauste der nächste Bolzen über meinen Kopf hinweg.

      „Lass den Unfug, Doran!“, rief Cuinn in den Baum hinein, der vor uns stand. Als Antwort wurde das Lachen noch lauter.

      Ich folgte Cuinns Blick und kniff die Augen zusammen. Tatsächlich konnte ich zwischen Blättern und Geäst eine Gestalt erkennen. Elegant sprang diese aus ihrem Versteck hervor und ging in die Hocke, um den Aufprall abzuschwächen. Als die Person sich wieder aufrichtete, streckte sie den rechten Arm angewinkelt