Franziska Hartmann

Das Tal der Feuergeister


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      Ich lächelte, obwohl ich mir kaum vorstellen konnte, dass ich je mit all den Gefahren, die hier lauerten, klar kommen würde. Ehrlich gesagt, hatte ich mir bisher auch noch keine Gedanken darum gemacht, mich ernsthaft mit diesen Gefahren zu arrangieren. Wenn alles gut ging, würde ich schließlich bald wieder fort von hier sein.

      Als Kayla den Bräter an den Tisch brachte, lief mir förmlich das Wasser im Munde zusammen. Der knusprig gebräunte Braten verströmte seinen Duft nun noch intensiver und das bunte Gemüse, das das Fleisch umrandete, verwandelte das Gericht in einen wahren Augenschmaus. Ich glaubte, Möhren, Pilze, Paprika und Kartoffeln zu erkennen, außerdem ein paar nicht identifizierbare Gemüsesorten, die vielleicht auch nur in Glenbláth wuchsen und mir deshalb unbekannt waren.

      Kayla schnitt den Braten mit einem scharfen Messer in dicke Scheiben und reichte mir dann einen Löffel und eine Gabel zum Auffüllen. „Schlag zu, ich hoffe, es wird euch schmecken.“

      Dankbar nahm ich das Besteck entgegen, und füllte mir eine Scheibe des Fleisches, sowie zwei Löffel Gemüse auf.

      „Nicht so bescheiden, meine Liebe“, sagte Kayla und riss mir das Besteck wieder aus der Hand, um zwei weitere Scheiben Fleisch und eine gehörige Portion Grünzeug auf meinen Teller zu häufen. Mit großen Augen starrte ich auf meinen randvoll gefüllten Teller. Unter normalen Umständen wäre ich mir sicher gewesen, diesen Teller nie leeren zu können. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass ich hungrig war, seit wir Glenbláth betreten hatten, traute ich mir durchaus zu, die ganze Portion innerhalb weniger Minuten zu verschlingen.

      Sie reichte das Auffüllbesteck Cuinn. Als dieser nicht reagierte, füllte sie auch ihm auf und schließlich sich selbst.

      „Nun iss schon!“, ermahnte Kayla Cuinn. „Ich wette, eure letzte vernünftige Mahlzeit ist eine Weile her und ihr seid sicher nur auf Durchreise hier. Iss dich satt, damit du gestärkt bist für eure weitere Reise. Wo wollt ihr überhaupt hin?“

      Cuinn hatte die Dracheneier auf dem Feuerberg noch nicht erwähnt. Er nahm endlich seine Gabel in die Hand und stocherte in seinem Essen herum. „Lou hat die Dracheneier an Créla übergeben.“ Er schob sich ein Stück Gemüse in den Mund und sah beim Kauen so aus, als wolle er es am liebsten sofort wieder ausspucken.

      Mir hingegen schmeckte das Essen ganz vorzüglich. Ich bekam schon fast ein schlechtes Gewissen allein davon, mit meinem Mordsappetit neben dem niedergeschlagenen Cuinn zu sitzen.

      Ich wusste nicht was, aber irgendetwas schien an Cuinns Aussage amüsant zu sein, denn ein leichtes Lächeln stahl sich auf Kaylas Lippen. „Ich habe dir immer gesagt, du wirst nicht ewig davonlaufen können.“

      „Wovor davonlaufen?“, fragte ich.

      Kayla blickte mich nahezu entgeistert an. „Sie weiß wirklich gar nichts über dich, oder?“, fragte sie dann an Cuinn gewandt.

      Da wurde ich hellhörig. „Sollte ich mehr über ihn wissen?“

      Cuinn funkelte sowohl Kayla als auch mich böse an. „Nein. Ich habe es bisher nicht für nötig erachtet, Katja über Dinge zu informieren, die sie erstens nichts angehen und zweitens weit in der Vergangenheit liegen. Sie ist nur auf der Durchreise und wird bald wieder zu Hause sein. Es gibt nichts, was sie dafür über mich wissen müsste.“

      Kayla schüttelte den Kopf. „Würden diese Dinge weit in der Vergangenheit liegen, würden sie dir nicht jetzt gerade so zu schaffen machen. Und Katja muss dich zum Feuertal begleiten, um eine Chance auf ihre Heimkehr zu bekommen. Spätestens dort wirst du ihr einiges erklären müssen.“

      „Mir wäre es lieber, wenn mir jetzt irgendwer alles erklären würde. Ich verstehe gar nichts“, warf ich ein, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich auch mit am Tisch saß.

      Cuinn ließ sein Besteck fallen und stand mit einem Ruck auf. „Vielen Dank für das Essen“, sagte er, eilte zur Treppe und stieg die Stufen hinab.

      Stille.

      „Es tut mir leid“, brach Kayla das Schweigen nach einer Weile. „Ich würde ihm so gerne helfen, seine Vergangenheit zu überwinden, aber wahrscheinlich mache ich ihm zu viel Druck.“

      „Welche Vergangenheit? Wenn er nicht darüber sprechen kann, erzähl du es mir“, schlug ich vor.

      „Ich weiß nicht. Wenn er nicht dazu bereit ist, ist es vielleicht keine gute Idee, wenn du es von mir erfährst.“

      „Du meintest gerade, ich würde es spätestens dann erfahren, wenn wir das Feuertal erreicht haben. Ich wäre gerne darauf vorbereitet“, versuchte ich, sie zu überreden.

      Sie seufzte. Was verbarg Cuinn vor mir? Was war so Schreckliches vorgefallen, dass er nicht darüber reden konnte?

      „Sein Verhältnis zu den Feuergeistern ist nicht besonders gut“, begann Kayla zögerlich. „Es ist eine große Herausforderung für ihn, dorthin zu gehen. Und gleichzeitig eine große Chance, sich mit ihnen zu versöhnen.“

      „Was ist geschehen, dass sie sich zerstritten haben?“

      Kayla sah mich gequält an. „Liebes, ich würde dir gerne mehr erzählen. Aber das sollte Cuinn wirklich selbst machen. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie schwer ihm dieser Weg fällt. Achte etwas auf ihn. Ich bin froh, dass er dich an seiner Seite hat.“

      Die Antwort empfand ich als höchst unbefriedigend, aber ich konnte sie auch verstehen. Schließlich wollte ich nicht, dass Cuinn sauer auf Kayla war, wenn sie mir von seiner Geschichte erzählen würde.

      Stumm leerte ich meinen Teller und bedankte mich für die Gastfreundschaft.

      „Wenn du magst, lasse ich dir ein Bad ein“, bot Kayla an. „Ich habe da etwas, das könnte dir gegen die Waldfeemale auf deiner Haut helfen, ein selbstgemachter Badezusatz.“

      Erst jetzt kamen mir wieder die roten Flecken in den Sinn, die meinen Körper übersäten. Und der Gedanke an ein warmes, entspannendes Bad war unwiderstehlich verlockend. Also willigte ich ein.

      „Ich bereite dir das Bad vor. Du kannst dich so lange gerne an meinem Bücherregal bedienen.“ Kayla nickte zur anderen Seite des Raumes, wo sich die Bücher häuften und verschwand dann wie Cuinn zuvor im Keller.

      Ich schlenderte zum Bücherregal hinüber und ließ meinen Blick über die Titel auf den Buchrücken gleiten. Teilweise waren sie in Sprachen und Schriften verfasst, die ich nicht verstand. Die, die ich verstand, beschränkten sich größtenteils auf Kräuterkunde und Medizin. Schließlich blätterte ich in Die Geschichte Glenbláths. Es war ein dicker Wälzer. Die Schrift war schnörkelig, hübsch anzusehen, aber dafür nur schwer zu entziffern. Deshalb konzentrierte ich mich mehr auf die Bilder, die jede zweite Seite einnahmen. Sie zeigten meist Gebäude – kleine Hütten, prachtvolle Burgen – und auch den See, an dem Cuinn und ich vorbeigelaufen waren, bevor wir den Wald erreicht hatten, erkannte ich auf so manchem Bild wieder. Nach einer Weile schlichen sich Drachen und elfenartige Wesen auf die Darstellungen. Es folgten grausige Rituale. Eine Abbildung eines geköpften Säuglings jagte mir Schauer über den Rücken. Schnell blätterte ich weiter und blickte auf eine Frau, die in hoch lodernden Flammen stand, mit furchtsam weit aufgerissenen Augen und Mund. Ich konnte ihre Schreie förmlich hören.

      „Das Bad ist fertig.“

      Kaylas Stimme erschreckte mich so sehr, dass mir das Buch aus der Hand fiel.

      „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Scheint mir, als hättest du ein Buch gefunden, dass dich in seinen Bann ziehen kann.“

      Oh ja, das hatte ich. Für meinen Geschmack hatte es mich ein wenig zu sehr in seinen Bann gezogen. Ich sammelte das Buch vom Boden auf, klappte es zu und schob es wieder zurück in die einzige Lücke im Regal. Diese Bilder würden mich durch die Nacht begleiten und mir düstere Albträume bescheren.

      „Ich habe dir ein Nachtkleid und frische Kleidung für morgen neben die Wanne gelegt“, teilte Kayla mir mit, während sie sich daran machte, den Esstisch aufzuräumen. „Wenn du runter gehst, die zweite Tür rechts.“

      „Vielen