Franziska Hartmann

Das Tal der Feuergeister


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wohl eher“, ertönte ihre glockenklare helle Stimme.

      „Bitte was?“

      „Ich bin nicht aus Schnee. Nebelweiß trifft es besser“, korrigierte sie mich.

      Hatte ich etwa laut gesprochen?

      „Nein, ich lese deine Gedanken.“ Damit wandte sie sich von mir ab und schenkte Cuinn ihre Aufmerksamkeit. „Der große Magier braucht also meine Hilfe? Dass ich das noch mal erleben darf.“

      Mein Gehirn war noch dabei, die Tatsache zu verarbeiten, dass diese Nebelfrau meine Gedanken lesen konnte, als mich schon der nächste Schlag traf. „Magier? Moment mal, du kannst wirklich zaubern?“, fuhr ich Cuinn an, als hätte er damit ein schweres Verbrechen begangen.

      Cuinn schien mit der Situation überfordert. Zunächst sah es so aus, als wolle er Chloe etwas sagen, dann wandte er sich stattdessen an mich und begann zu erklären: „Hör zu, das klingt vermutlich alles unglaublich für dich, aber ja, ich kann zaubern. Aber bitte, bitte stell nun keine weiteren Fragen! Je weniger du darüber weißt, desto besser und es dauert nicht mehr lange, dann bin ich fort.“

      Ich starrte ihn mit offenem Mund an. Ich wollte Fragen stellen. Und obwohl er mich gebeten hatte, keine zu stellen, hätte ich es gemacht, wenn ich in diesem Moment nicht zu perplex gewesen wäre, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Magier. Ein richtiger Magier!

      „Chloe“, sagte Cuinn zur Nebelfrau, „bring mich bitte nach Hause. Du bist die Einzige, die das kann.“

      „Was bekomme ich dafür?“, fragte Chloe und legte sich nachdenklich einen Finger auf die Lippen.

      „Chloe, bitte. Ich habe keine Zeit für sowas. Ich muss zu Lou, unbedingt.“

      Enttäuscht verzog Chloe das Gesicht. „Lou. Immer nur Lou. Lou hier, Lou da. Dabei bin ich immer diejenige, die dir aus der Patsche hilft.“

      „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich jetzt gerade zum ersten Mal darum bitte“, unterbrach Cuinn sie.

      „Aber ich würde dir jederzeit aus der Patsche helfen, wenn du mich nur mal darum bitten würdest. Aber nein, alles dreht sich immer nur um Lou.“

      Oha, da war aber jemand eifersüchtig. Ich bereute diesen Gedanken sofort, als Chloe mich wütend anfunkelte. Blöde Gedankenleserei.

      „Ich bitte dich jetzt“, warf Cuinn ein. „Es ist wirklich wichtig. Bitte hilf mir, auch wenn es für Lou ist. Sie wurde schwer verletzt, bevor Feargal mich hierhergebracht hat. Ich muss wissen, wie es ihr geht.“

      Lou war anscheinend eine Freundin von Cuinn, wenn nicht sogar seine feste Freundin. Aber wer war Feargal?

      „Feargal ist der Magier des Königshauses“, antwortete Chloe. „Wie zum Henker hat er es geschafft, dich in eine andere Welt zu zaubern?“

      Cuinn schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Wir haben gekämpft, es gab eine Explosion und dann war ich hier.“

      „Verstehe. Zwei starke Magier, eine gewaltige Menge an Magie, die aufeinander trifft und – ruuums – wird einer von ihnen in eine andere Welt katapultiert. Interessant. Ihr wisst schon, dass sonst nur Drachen so starke Magie besitzen, oder? Würdet ihr euch zusammen tun…“

      „Wir werden uns nie zusammen tun.“ Cuinns Stimme klang dunkel und kühl. „Bring mich nach Hause, Chloe! Jetzt.“

      Chloe seufzte. „Ich mag es nicht, wenn du sauer wirst.“ Dann nickte sie zu mir herüber. „Was ist mit ihr?“

      „Eine Freundin“, antwortete Cuinn. „Sie hat mich hergebracht.“ Daraufhin richtete er seine Worte an mich. „Vielen Dank.“

      Ich brauchte eine Weile, bis ich meine Stimme wiederfand. „D… da nicht für“, stammelte ich.

      „Na gut, wenn ich dich nach Hause bringe, bekomme ich einen romantischen Abend mit dir allein, abgemacht?“, trällerte Chloe.

      „Chloe!“, knirschte Cuinn.

      Chloe lachte.

      Dann breitete sie die Arme aus und wie auf Knopfdruck wurde der Nebel dichter. Ich wich ein paar Schritte zurück, wollte mich vorsichtig zurück zum Bahnhof begeben, doch ehe ich es auch nur bis zum Hang geschafft hatte, hatte sich der Nebel um mich herum zu einer undurchsichtigen weißen Wand verwandeln. Wie ein Blinder taperte ich noch ein paar Meter Richtung Stadt, bis ich stolperte – über was, wusste ich nicht – und mit dem Po im Sand landete. Okay, jetzt reichte es mir.

      „Cuinn?“, rief ich in den Nebel hinein. Keine Antwort. „Cuinn!“ Mühsam rappelte ich mich wieder hoch und klopfte mir den Sand von der Hose. Die nasse Kälte kroch mir in den Nacken und von dort den Rücken hinunter. Ich schüttelte mich. „Chloe…“ Meine Zähne begannen zu klappern. „D-d-das ist n-n-nicht lustig“, stotterte ich und schlang die Arme um meinen Leib. Ich beschloss, einfach so lange wie angewurzelt auf diesem Fleck stehen zu bleiben, bis der Nebel sich wieder auflöste – wenn er das denn tun würde – und bis dahin nicht zu erfrieren. Letzteres würde in Anbetracht meines von oben bis unten zitternden Körpers eine Herausforderung werden. Undurchschaubarer Nebel war ja eine Sache, aber musste Chloe es dazu auch noch unbedingt eiskalt werden lassen?

      Meine Finger und Zehen wurden taub. „Verdammt, Cuinn!“, schrie ich noch einmal. War er überhaupt noch da? Oder hatte die Nebelfrau ihn schon in ihrem Zaubernebel wegteleportiert? Funktionierte das überhaupt so?

      „Katja? Du bist noch da?“, vernahm ich Cuinns Stimme. Na endlich!

      „O-o-ob ich noch da bin? Offensichtlich schon! D-d-d-dasselbe k-könnte ich dich fragen!“ Ich beobachtete, wie der Nebel endlich wieder etwas schwächer wurde. Erleichtert stellte ich fest, dass ich meine Hände wieder sehen konnte, wenn ich sie mir vor die Augen hielt. Und wurde es tatsächlich wärmer? Meine Muskeln entkrampften sich allmählich. Ich nahm das Glitzern des Wassers vor mir wahr. Funkelte das Meer im Sonnenlicht? Wie lange war ich in diesem Nebel gefangen gewesen? Es war mir nur wie Minuten vorgekommen. Zugegeben, es waren viel zu lange Minuten gewesen, aber war es wirklich schon Morgen?

      Die letzten Schleier verzogen sich und plötzlich wurde mir ganz flau im Magen. Das vor mir war nicht das Meer. Es war ein gigantischer See, umrandet von grünen Wiesen und nichts als grünen Wiesen.

      VIER

      Ich blickte zu meinen Schuhen herab. Kein Strandsand, nur saftig grünes Gras.

      „Was…?“ Ich drehte mich zu Cuinn, der links von mir stand und mich erschrocken mit weit aufgerissenen Augen ansah. „Wo sind wir?“ Meine Stimme bebte unkontrolliert.

      Cuinn schluckte. „Wir sind in Glenbláth.“

      Ich versuchte, ein paarmal tief durchzuatmen, stattdessen schnappte ich panisch nach Luft. „Warum sind wir in Glenbláth? Das war nicht die Abmachung. Bring mich auf der Stelle zurück!“ So sehr ich mich auch bemühte, ich konnte meinen Atem nicht zur Ruhe bringen. Ich wusste nicht, was mich mehr aufwühlte: Dass ich weit weg von zu Hause war und keine Ahnung hatte, wie ich wieder zurückkam, oder dass dieses Glenbláth tatsächlich existierte.

      „Ich kann nicht.“

      „Wie, du kannst nicht?“ Meine Stimme sprang ein paar Töne höher. „Dann Chloe!“ Ich wandte mich zum Gewässer und schrie Chloes Namen aus Leibeskräften. Auf der Stelle presste Cuinn mir eine Hand auf den Mund, um mich zum Schweigen zu bringen.

      „Lass mich los!“, befahl ich, wovon allerdings nur ein „Mmh-hm-hmm!“ zu hören war. Trotzdem ließ Cuinn von mir ab.

      „Schrei nicht so laut, wenn wir in der Nähe der Stadt sind!“, raunte Cuinn mir zu und deutete mit der linken Hand hinter sich.

      Ich folgte seinem Wink mit meinem Blick, wobei ich mich einmal um hundertachtzig Grad drehte. Zu meiner Rechten entdeckte ich in etwas Ferne eine Gruppierung kleiner Häuser. Wie diese dort friedlich zwischen grünen Hügeln lag, von goldenem Sonnenlicht berührt, sah sie nahezu märchenhaft