Janine Zachariae

Lydia - die komplette Reihe


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und sie wunderte sich.

      »Guten Morgen, Schwesterchen!«

      »Steve!« Sie fiel ihm um den Hals. »Ich dachte, du kommst erst heute Nachmittag.«

      »Ich wollte dich noch sehen, bevor du an die Arbeit musst und dir viel Glück wünschen!«

      Er sah sie an und musste über ihren kurzen Pyjama lachen.

      »Danke.« Sie setzte sich.

      »Lydia, es tut mir leid!«

      »Was denn?«, hakte sie überrascht nach.

      Er stand auf, um ihr eine Tasse Kaffee einzugießen, und druckste etwas herum, ehe er sich räusperte.

      »Das ich dich drängen wollte, weiter zur Schule zu gehen und irgendwas zu studieren.«

       »Ach, schon vergessen.« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Das war die Sorge eines Bruders.«

      In der Zwischenzeit hatte er ihr ein Brötchen mit Marmelade gemacht. Er brauchte diese Beschäftigung, denn so konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht wahrnehmen.

      »Ich habe nachgedacht«, meinte der Brünette und setzte sich wieder. »Wenn du wirklich Buchhändlerin werden willst, unterstütze ich dich voll und ganz. Du kennst dich mit Büchern aus und ich denke mal, du passt ganz gut in den Laden von Madlen. Du strahlst immer so, wenn du über Bücher redest und das sollst du beibehalten.«

      »Danke.«

      »So, das wäre also gesagt. Sam hat gemeint, du hast einen Freund?!«, fragte ihr Bruder sie neugierig, legte seinen Kopf etwas schief und zog eine Augenbraue hoch.

      »Tom? Ja, aber wir sind wirklich nur Freunde. Du hast ihn ja am Donnerstag gesehen.«

      »Ja, und ich hab gesehen, wie du ihn angesehen hast und wie er dich. Da lag schon was in der Luft.«

      Sie verschränkte ihre Arme und tat so, als sei sie leicht eingeschnappt. Lydia atmete tief durch und erzählte ihm, was am Tag zuvor alles geschehen war. Das Tom sie kurz vor der Schule eingeholt hatte und sie schließlich auch abholte.

      »Du solltest dich doch auf die Aufgaben konzentrieren und nicht nach Jungs Ausschau halten!«, belehrte er sie und lachte dabei selber.

      »Hab ich ja. Nur in meinen Denkpausen«, sie hob ihre Arme hoch, so dass Steve ihren Bauch sehen konnte, »hab ich eben aus dem Fenster geschaut.« Schließlich erzählte sie ihm ganz genau was passierte, wie sich Svenja verhalten hatte und strahlte, als sie über Toms Reaktion berichtete. Lydia vertraute Steve alles an. Sie verstanden sich blind und konnten auch mit dem Humor des anderen sehr gut umgehen.

      »Scheint ein netter Junge zu sein.«

      »Ja, das ist er. Ich hab ihm noch die Gegend hier gezeigt und dann sind wir zu ihm.

      Papa hat ihn aber vorher noch gesehen, da ich ihm Bescheid sagte, dass ich zu den Nachbarn gehe.

      Tom hat mir dann das Haus gezeigt - wirklich krass, total schick und elegant mit Kamin und so was. Dann sind wir in sein Zimmer.«

      »Und, was habt ihr da gemacht?« Steve zog die linke Augenbraue hoch, als würde er sonst was erwarten.

      »Wir haben seine CDs sortiert«, erwiderte sie.

      »Ja, ja, das hätte ich jetzt auch behauptet!«

      »Hey«, sie hob ihre Hände, »du kennst mich doch. Was du immer gleich denkst. Seine Mutter hat uns dann zum Kaffee gerufen.«

      »Hast du gesagt, dass du keine Milch verträgst?«

      »Natürlich. Und weißt du was? Tom verträgt auch keine Milchprodukte! Das ist komisch.«

      »Was für ein Zufall!«, bestätigte Stephen.

      Sie biss von ihrem Brötchen ab und nahm einen Schluck vom Kaffee.

      »Ja, und seine Mutter hatte Kuchen gekauft, der eben aus laktosefreien Zutaten war.« Dann musste sie an das denken, worüber sie sich gestern ebenfalls unterhalten hatten. In der Nacht träumte sie von ihrer Mutter, einer Frau, der sie nie begegnet war. All die Fragen, brachten es wieder zum Vorschein. Schon früher hatte sie solche Träume gehabt. Manchmal schwebten Bücher in der Luft und eine Frau fing sie auf, um dann zu sagen: ›Lydia, was für ein schöner Name.‹ Es verwirrte sie stets, doch sie hatte noch nie mit jemanden darüber gesprochen.

      »Was ist denn?«

      »Ach, nichts.«

      Er guckte sie skeptisch an, denn er spürte sofort, wenn sie was bedrückte.

      »Steve! Dachte ich mir doch, dass ich dein Auto vorhin gehört habe!«

      »Morgen, Papa!«, riefen beide.

      »Ich werde mich mal anziehen gehen«, sagte Lydia, nahm sich die zweite Brötchenhälfte und verschwand.

      Auf dem Weg zu ihrem Zimmer aß sie es. Sie hatte Hunger und wollte fit sein.

      Steve ging ihr hinterher, sein Vater trank die erste Tasse Kaffee immer gerne in Ruhe.

      »Was ist denn?« Er hielt sie sanft am Arm fest.

      »Nichts, wirklich.« Langsam ging sie in ihr Zimmer und hoffte, er würde nicht weiter nachfragen, denn sie wollte nicht weinen. Auf keinen Fall! Nicht jetzt! Nicht heute!

      »Hey, Schwesterchen, du kannst es mir erzählen!«, bohrte er weiter nach.

      »Es ist nur ...« Sie stockte und sah in seine braunen Augen. »Als ich fast die ganze Zeit mit Tom gestern zusammen war, haben wir uns viel unterhalten. Und da kam es natürlich vor, dass gefragt wurde, wie meine Eltern so sind.

      »Oh.«

      Sie setzten sich beide auf ihr Bett und er nahm vorsichtig ihre Hand in seine. Es war eine gewohnte Geste und Berührung und sie schloss für einen Moment die Augen. Lydia hatte noch Zeit, es war erst zehn vor acht.

      »Aber«, sie lächelte tapfer, »da ich ja eh nichts weiß, hab ich nichts gesagt. Nur halt, dass Papa sich arrangieren musste mit der Arbeit, als ich noch ein Baby war. Und ihr euch immer um mich gekümmert habt, als ich dann etwas größer wurde.

      Ich meinte auch, dass es sicherlich schwierig war, nach drei Jungs, ein Mädchen großzuziehen.«

      »Na ja, du warst ja wie ein Junge«, sagte er leicht neckisch.

      »Bis du mir dann erzählt hast, ich sollte nicht mehr so oft Fußball mitspielen«, erinnerte sie ihn.

      »Ich hab dir immerhin die ›Bravo‹ immer hingelegt.«

      »Ich weiß. Das fand Tom übrigens total amüsant. Er wollte wissen, ob ich denn alles gelernt habe, was es darüber zu lernen gibt.«

      Steve legte seinen Kopf schief und pikste seine kleine Schwester. »Und haste?«

      Sie zuckte mit den Schultern.

      »Aber ich war ja auch mit dir zusammen in der Drogerie, als du Binden und so was gebraucht hast«, flüsterte er tröstend.

      »Was dir aber schon peinlich war!«

      »Klaro, ich bin ja auch ein Mann!«

      Da schubste sie ihn wieder und er kitzelte sie durch.

      »Aufhören! Aufhören!«, japste sie.

      Steve haute sich demonstrativ mit seiner linken Faust auf die Brust - als sei er Tarzan.

      »Na gut, ich geh wieder runter. Du musst dich ja noch schick machen. Aber ich glaube, das ist hoffnungslos.«

      »Hey!«, sie gab ihm einen sanften Tritt.

      »Autsch!«

      Er stand auf, sah aus dem Fenster und musste stutzen.

      »Ist er das?«

      »Mmh?« Sie richtete sich auf und er winkte. »Jupp«, bestätigte sie, öffnete das Fenster und rief: »Guten Morgen! Das ist Steve!«