Janine Zachariae

Lydia - die komplette Reihe


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es um deine Zukunft!«, sagte ihr Vater streng.

      »Nein! Das ... Nein!« Lydia verstand die Welt nicht mehr.

      »Du gehst aufs Gymnasium und wirst dann an einer Universität studieren«, sagte ihr Vater, in einem Ton, der keine Widerrede gestattete.

      Lydia wusste nicht, was sie erwidern sollte. Hatte sie nicht erzählt, was sie darüber dachte?

      »Was ist los mit euch? Wollt ihr mir das wirklich kaputt machen? Ich dachte, ich kann mich auf euch verlassen!« Sie richtete sich hauptsächlich an Steve, er hatte es ihr versprochen. Hatte ihr versichert, er würde hinter ihr stehen.

      Irgendwas musste vorgefallen sein. Wie konnten sie ihre Meinung innerhalb von drei Stunden ändern?

      So drastisch auch noch! Da erst entdeckte sie einen Brief in der Hand ihres Vaters.

      »Kind, du bist klug. Die zwei Jahre kannst du auch noch zur Schule gehen, danach suchst du dir auf einem Campus eine Wohnung.«

      »Ach, darum geht es? Ich ... Ich versteh euch nicht!« Lydia gestikulierte wild, ihre Stimme zitterte. Steve konnte sie nicht ansehen, es brach ihm das Herz. Er wollte sie doch immer nur beschützen.

      Sie lief auf ihr Zimmer, suchte nach einer passenden CD und atmete erst einmal tief durch, als sie die ersten Klänge wahrnahm. Sie schloss die Augen, lauschte der Musik und wischte sich ihre Tränen weg.

      *

      

      »Wir müssen es ihr erklären!«, flüsterte Stephen verzweifelt, nachdem sie die Tür zugeschmissen hatte.

      »Sie wird es nicht verkraften und verstehen. Nicht mal ich kapiere es«, sprach Sam.

      »Sie wird es nicht erfahren! Aber sie darf nicht hierbleiben!«, entschied ihr Vater.

      *

      Tom war in seinem Zimmer und hatte die Szene mit angesehen. Da sein Fenster geöffnet war, hörte er den Knall, als die Tür zu ging.

      »Hey!«, schrie er.

      Lydia saß weinend auf ihrem Bett, runzelte ihre Stirn, als sie etwas hörte und blickte aus ihrem Fenster. Seufzend öffnete sie es gänzlich, da es nur angekippt war.

      »Was ist denn los? War die Arbeit so schlimm? War die Chefin gemein?«

      »Was? Nein. Ich hab die Lehrstelle.«

      »Hey, Glückwunsch. Aber warum siehst du dann so betrübt aus?«, erkundigte sich Tom.

      »Meine Familie will nicht, dass ich die Stelle annehme.

      Ich bin ja noch keine 18 und somit darf ich das nicht alleine bestimmen.«

      Tom wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, und blickte ihr nur in die Augen. Sie lächelte etwas verhalten, aber ihr Kopf war einfach zu voll und fühlte sich so schwer an. Es klopfte an ihrer Tür, doch sie ignorierte es und drehte stattdessen ihre ›Green Day‹ CD lauter.

      »Lydia!«, sagte jemand mit einer leisen, sachten Stimme.

      »Steve«, schluchzte sie und wischte sich die Tränen weg.

      Schnell versteckte sich Tom, blieb aber am Fenster und versuchte zu verstehen, worüber sie sprachen. Es musste doch eine Lösung für dieses Problem geben. Vielleicht war es nur ein Missverständnis gewesen.

      Die Musik wurde leiser und er spähte etwas aus seinem Versteck hervor und konnte sehen, wie Steve am Radio stehen sehen.

      »‹Green Day‹, ja, die mag ich auch sehr gerne.« Steve setzte sich zu Lydia.

      »Du hast mich angelogen!« Sie stieß ihn weg. »Du hast mich belogen und gesagt, du würdest hinter mir stehen. Du hast gesagt, du stehst mir bei, wenn ich wirklich die Ausbildung haben will. Du hast dich noch heute früh bei mir entschuldigt, weil du am Donnerstag auf mich eingeredet hast.«

      Er begriff schnell, dass sie verletzt war, und nahm ihre Hand in seine.

      »Kleines, du verstehst das nicht«, flüsterte er und streichelte mit seinem Daumen behutsam über ihren Handrücken.

      »Was soll ich nicht verstehen!« Sie zog ihre Hand weg und stand auf. »Dann erkläre es mir! Erkläre mir, warum ihr euch meinetwegen schämt? Warum es unter eurem Niveau ist, wenn nicht alle in der Familie den gleichen Wissensstand erreicht haben? Bin ich euch im Weg?«

      »Nein, du bist nicht im Weg«, seufzte er.

      Lydia blickte auf und sah einen schmerzhaften Ausdruck in seinen Augen. Irgendwas stimmte nicht.

      Es lief aus den Rudern. Dabei wollte Steve es niemals so weit kommen lassen. Er wollte es erklären, ihr die Wahrheit sagen, konnte aber nicht. ›Das würde sie nicht verkraften‹, ging es ihm durch den Kopf. ›Sie würde daran zerbrechen.‹

      »Schwesterchen, ich würde mich nie deinetwegen schämen!«

      »Du nicht, aber die andren sicherlich«, sagte sie traurig.

      »Nein, das glaube ich nicht. Sie wollen nur dein Bestes. Wir wollen alle nur dein Bestes«, sprach er und flüsterte. »Ich will dich doch nur beschützen.«

      Doch bevor sie etwas erwidern konnte, kam ihr Vater rein.

      »Lydia, hier sind die Formulare fürs Gymnasium.«

      Sie sah es sich an.

      »Was?« Sie musste noch mal drauf sehen. »Nein, oh nein. Nein, nein, nein«, schrie sie.

      Tom blickte hoch, als er sie schreien hörte, beobachtete aber weiterhin unauffällig die Lage.

      Sam kam hinzu.

      »Lydia, du schreist wie ein Kind.«

      »Na und, Sam. Dann bin ich halt noch eins, so wie ihr mich behandelt. Was ist nur los mit euch?« Alle schauten zu Boden, keiner sagte was.

      »Wenn das so ist, geht einfach.« Sie öffnete die Tür. Sam und Sascha gingen. Tränen rannen ihr die Wange runter.

       »Lydia, bitte, du musst verstehen, dass es wirklich das Beste ist.«

      »Steve ... geh … bitte«, ihre Stimme versagte. Sie fühlte ein Brennen in ihrer Brust, ihrem Herzen. Als würde ein Funken langsam ein Loch in sie hineinbrennen.

      Die Tür schloss sich hinter Steve und er lehnte sich dagegen, atmete tief durch und hasste dieses Gefühl. Er hat es schon immer gehasst, nicht ehrlich sein zu können. In diesem Augenblick aber verfluchte er es, wie noch nie zu vor. Er musste stark bleiben, obwohl er sie am liebsten getröstet hätte.

      Als sie alleine war, tauchte auch Tom wieder auf.

      »Was ist denn los? Du hast so geschrien!«

      Sie versuchte zu lächeln, aber es ging nicht.

      »Ich muss weg!«

      »Wann kommst du wieder?«, hakte er nach.

      »Nein, ich muss weg!«, sagte sie traurig und senkte ihren Blick. »Ich soll ins Internat und dort mein Abi machen!«

      »Ich kapier nicht«, sagte Thomas zögernd.

      »Ich auch nicht. Ich hab es hier schwarz auf weiß!« Sie hielt einen Zettel in der Hand, schaute erneut drauf und schmiss es achtlos zu Boden. Sie raufte sich ihre blonden Haare und wusste einfach nicht, wieso plötzlich alles aus dem Ruder lief. Es war doch alles gut.

      »Ja, aber warum?«

      »Hast du nicht hingehört?«

      »Ja, aber ich hab nichts raus hören können«, gab er zu und fuhr sich mit seiner Hand durch seine blonden Haare. Sie waren kurz und nun etwas verwuschelt.

      »Siehst du! Ich auch nicht«, bestätigte Lydia.

      »Und du musst wirklich schon im neuen Schuljahr weg?«

      Das Mädchen runzelte die Stirn und war sich sicher,