Anna Staub

Die neue Schulmeisterin


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ham den beiden dasch kleine Häuschen nebn Friedhof zur Verfüschung geschtellt“, nickte Bürgermeister Malbeth freudig in Richtung von Miss Hennys Busen.

      Diese Antwort gefiel der Dame allerdings gar nicht und zur Strafe richtete sie sich mit einem unzufriedenen Blick wieder auf.

      „Aber Kinder hatter anscheind nisch“, versuchte der Bürgermeister seinen Fauxpas wieder gut zu machen, doch Miss Hennys gute Laune war ihr nachhaltig verdorben. Wenn Mr. Van Halen sein Ehegelübde genauso ernst nahm wie beispielsweise Harry Plockton oder Luke Sullivan, dann sah sie dunkle Zeiten auf das Gemstone zukommen.

      Können Sie nicht lesen?

      Charlotte Van Halen war das, was man im Allgemeinen eine Schönheit nannte. Sie war groß und schlank, aber mit den entsprechenden Rundungen an den richtigen Stellen. Aus ihrem Gesicht leuchteten strahlend blaue Augen über einer kleinen, geraden Nase und auch am Rest ihrer Züge, wie den perfekt geschwungenen Lippen und den hohen Wangenknochen, war nichts zu mäkeln. Eingerahmt wurde das ebenmäßige Oval ihres Gesichts von goldblonden Locken.

      Die junge Dame zog normalerweise die Mehrzahl der Blicke auf sich, egal wohin sie ging. Trotz der Tatsache, dass ihr zur wahren Vollkommenheit ein vornehm-blasser Teint fehlte. Doch daran würde sich in Green Hollow sicherlich niemand stören. Schon eher an der Tatsache, dass die junge Dame nicht wie erwartet die Ehefrau des neuen Schulmeisters war.

      Dass Miss Charlotte eben noch nicht verheiratet war, konnte laut ihrer Mutter nur an dem bereits erwähnten Makel des goldenen Hauttons liegen.

      Charlotte hatte eine ganz andere Theorie, warum bis jetzt noch kein Mann um ihre Hand angehalten hatte. An Verehrern mangelte es ihr nicht, aber sobald diese die junge Frau näher kennengelernt hatten, ergriffen sie samt und sonders die Flucht. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.

      Aber bisher hatte Miss Van Halen diesen Umstand immer mit einem Schulterzucken abgetan, denn sie war glücklicherweise nicht auf einen Mann angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Ihr verstorbener Vater hatte genug beiseitegelegt, um Charlotte einen Collegeabschluss zu ermöglichen. Sie war also weder dumm noch hässlich und betrachtete sich schon deswegen als gesegnet. Ein Mann, und noch dazu einen, den sie lieben würde, das wäre mehr als man verlangen konnte!

      Und nun, da man ihr auch eine feste Stelle als Lehrerin angeboten und sie ein sicheres Auskommen hatte, blieb nichts mehr zu wünschen übrig. Als sie die Anzeige in der Zeitung entdeckt hatte, wusste sie zwar nicht, wo Green Hollow, Colorado lag, aber eine alte Landkarte ihres Vaters hatte dieser Bildungslücke Abhilfe geschaffen.

      Ihre Mutter war ziemlich entsetzt gewesen, als Charlotte ihr eröffnete, dass sie gedachte, fast 1.500 Meilen entfernt von ihrer Heimat eine Arbeit anzunehmen. Die frischgebackene Lehrerin sah darin allerdings kein Problem, nachdem sie einige Erkundigungen eingeholt und diverse Landkarten studiert hatte. Den Verwandten und Freunden konnte man Briefe schreiben und die Reise würde auch nicht allzu schwierig werden. Man könnte ganz bequem mit dem Zug in Richtung Westen reisen. Bis zu einem Ort namens Denver käme man mit der neuen Eisenbahn und von dort aus wäre es lediglich eine Tagesreise mit der Postkutsche bis nach Green Hollow.

      Mrs. Alberta Van Halen hatte ihr Bestes gegeben, um ihrer Tochter diese Schnapsidee auszureden. Eine junge Frau in den wilden West-Territorien als Lehrerin erschien ihr nicht als besonders vernünftig und es wunderte sie, dass der Bürgermeister sich auf so etwas einließ. Aber Charlotte war in ihrer gutmütigen, zuversichtlichen Art überzeugt, dass das alles nicht so schlimm werden konnte. Und da Mrs. Van Halen ihr einziges Kind unmöglich allein auf diese gefahrvolle Reise gehen lassen konnte, hatte sie deren Wunsch schließlich nachgegeben.

      Charlotte war so begeistert von dem Gedanken, ein eigenes Auskommen zu haben, dass ihr die Schwierigkeiten im Vergleich zu diesem Vorzug verschwindend gering erschienen. Erst recht, nachdem mehrere Schulen in Virginia sie abgelehnt hatten. Ihre Zeugnisse hatten die Prüfungskommission sehr beeindruckt. Ihr Auftreten dann leider nicht mehr so sehr.

      Einer ihrer Onkel hatte sogar nicht ganz unberechtigte Zweifel daran geäußert, dass sie in der Lage dazu wäre, ihre Mutter und sich selbst zu versorgen, aber Miss Van Halen war wild entschlossen allein zurechtzukommen.

      Und sie war sich sicher, dass sie auf die Hilfe ihrer neuen Nachbarn in Green Hollow zählen konnte. Bürgermeister Malbeths Briefe waren recht nett gewesen und er hatte mehrmals beteuert, wie sehr sich die Gemeinde auf ihr Kommen freuen würde.

      Mit einem fröhlichen Lächeln lehnte sich Charlotte in den Sitz der Postkutsche zurück. Sie hatte ihre Mutter heute in Denver zurückgelassen, die dort überprüfen wollte, dass ihre Habseligkeiten auch wirklich alle ihren Weg nach Green Hollow fanden. Mrs. Alberta wachte mit Adleraugen darüber, dass auch alles ordnungsgemäß auf die angemieteten Kutschen verladen wurde. Zwar musste ein Großteil des Erbes dafür aufgewendet werden, aber nachdem Mrs. Alberta sich einmal entschlossen hatte, ihre Tochter in den Westen zu begleiten, scheute sie keine Kosten oder Mühen. Einen offenen Lastenkarren und eine geschlossene Kutsche hatte man für den Transport von Mrs. Van Halen und dem Hausrat angemietet und ihre Mutter würde mit den etwas langsameren Wagen folgen.

      Es würde nicht mehr lange dauern, bis Miss Van Halen Green Hollow erreichte. Mr. Malbeth hatte der jungen Lehrerin geschrieben, dass er sie vor dem Green Hotel erwarten würde, um ihr ihr neues Haus zu zeigen. Ein eigenes Haus, das man ihr zu Verfügung stellte! Charlotte war sich sicher, ihr Vater wäre stolz auf sie gewesen.

      Nicht nur Bürgermeister Malbeth hatte sich berufen gefühlt, den neuen Schulmeister von Green Hollow persönlich zu begrüßen. Auch Trudi McAbberty, die als Frau des hiesigen Arztes als eine Autorität galt, genauso wie Reverend Brinkley und Harriet Plockton als Vertreterin der zukünftigen Schülerschaft von Mr. Van Halen, standen vor dem Green Hotel und erwarteten gespannt die Ankunft der neuen Lehrkraft.

      Das Erste, was dieses eigentümliche Begrüßungskomitee zu sehen bekam, als die Mittwochs-Postkutsche um Punkt 16 Uhr vor dem Hotel zum Halten kam, war allerdings nicht der erwartete energische, junge Mann. Eine blonde Frau, die mehr aus der Kutsche fiel als stieg, lenkte vorerst alle Aufmerksamkeit auf sich. Anscheinend hatte sich ihr Kleid verhakt und entwickelte sich zu einer ernsten Gefahr für die Unversehrtheit der jungen Dame. Denn die konnte es einfach nicht aus dem Türscharnier lösen, in dem es festhing, und verhedderte sich immer mehr darin.

      Es war Bürgermeister Malbeth, der sich schließlich erbarmte und diesem seltsamen Schauspiel ein Ende bereitete. Mit einem „Darf isch ma, Miss?“ machte er den teuren Stoff aus dem Scharnier los und erntete dafür ein erfreutes Lachen von der jungen Person und einen herzlichen Dank.

      Mr. Malbeth war ja kein Kostverächter und die junge Dame war ein appetitlicher Happen, aber jetzt interessierte ihn in erster Linie der neue Lehrer, den er angestellt hatte. Er versuchte vergeblich um den voluminösen Rock des Frauenzimmers herum in die dunkle, enge Kutsche zu spähen, bis sich plötzlich eine schmale Hand in sein Sichtfeld schob.

      „Sie müssen sicher Mr. Malbeth, der Bürgermeister, sein, nicht wahr?“, fragte die blonde Frau mit glockenheller Stimme. „Ich bin Charlotte Van Halen.“

      Der Bürgermeister schien im ersten Moment nicht ganz sicher zu sein, was er aus dieser Ankündigung machen sollte, aber er schüttelte der jungen Frau trotzdem die Hand, bis ihm schließlich ein Licht aufging.

      „Willkomm, herzlisch willkomm. Sie sin bestimmt das jungsche Frauschen von unsern Mr. Van Halen. Wo is denn Ihr Mann, Madam?“

      Jetzt war es an Charlotte verwirrt dreinzuschauen, während Malbeth ihr unablässig die Hand schüttelte und anscheinend gar nicht mehr aufhören wollte.

      „Mein Mann?“, fragte sie schließlich vorsichtig. „Aber ich bin nicht verheiratet…“

      Diese Nachricht löste nicht nur beim Bürgermeister Erstaunen aus, sondern auch beim Rest des Begrüßungskomitees, dem die Erklärung von Malbeth durchaus logisch erschienen war. Es war Harriet, die sich als Erste wieder im Griff hatte und vortrat. „Doch Miss, sind