C. Frank Onia

Der Lombard-Raum


Скачать книгу

wohl sehr eilig und schienen wichtig. Da sie sich zügig und zielstrebig in Richtung Fahrstuhl durch die Mitarbeiter schoben. Er erkannte nur einen Referatsleiter, die übrigen waren ihm völlig unbekannt.

      Stadelmann nahm wie gewohnt den Aufzug in den dritten Stock um in sein Büro zu kommen. In den gleichen Aufzug musste auch diese Delegation, die sich gerade noch durch das Foyer geschoben hatte. Nur mit Mühe gelang es ihm ebenfalls in den Aufzug zu steigen. Dabei viel ihm auf, dass er einen von dieser Gruppe schon mal gesehen hatte. Aber ihm wollte nicht einfallen woher und wann. Auffallend war eine kleine Narbe, die sich quer über die Backe zog. Irgendwoher kannte er das Gesicht, es viel ihm per tu nicht ein. Wahrscheinlich aus der Kantine oder einem der vielen Meetings mit anderen Abteilungen. Der Ausweis, den alle Mitarbeiter offen tragen müssen, war nur schwer von seinem Standpunkt aus zu lesen. So konnte er den Namen nur bruchstückhaft lesen, "Koziolek" oder so ähnlich. Er vermied es zu auffallend den Namen lesen zu wollen. Aus dem Fahrstuhl ausgestiegen, befand er sich auf einem schier endlosen Korridor, der sich halbrund durch das gesamte Stockwerk erstreckte. Auf einer Seite war die Fensterfront, mit sehr großen Bodenlangen Fenstern, auf der anderen Seite die Zugänge zu den Büros. Die Decke war ca. drei Meter hoch und ließ den Korridor noch größer wirken. Die Türen waren aus hellem Holz, das gesamte Bauwerk wirkte sehr modern. Direkt gegenüber den Aufzügen war eine breite und großzügig gestaltet Steintreppe die ebenfalls die Etagen miteinander verband. Um ihn sein Büro zu kommen musste er einige Meter über den Korridor, an den Büro von seinem Vorgesetzten und weiter an den Amtsräumen seiner Kollegen vorbei, bis er sein Büro Nr. 357 erreichte. In seinem Büro angekommen, machte er seinen Dienstcomputer an und sortierte seine Unterlagen. Sein Büro teilte er sich mit einem weiteren Kollegen, der sich aber gerade im Ausland auf einem Einsatz befand.

      Über Verbindungstüren hinter ihm und hinter dem Schreibtisch von seinem Kollegen waren sie mit anderen Büros verbunden. Einen Teil der Arbeit, konnte er von seinem Büro hier in Berlin erledigen. Aber seine Tätigkeit erforderte es, dass er immer wieder ins Ausland musste, um sich vor Ort ein Bild zu vermitteln oder um z.B. eine Delegation zu begleiten. Bevor er sich an den Bericht für die Wirtschaftsdelegation machte, holte er sich noch, wie morgens üblich, eine Tasse Kaffee aus der Teeküche. Den Kaffee trank er immer aus seinem Becher, den er von der Fregatte Brandenburg mitgenommen hatte. Es war ein metallener Becher, der die Temperatur besonders gut halten konnte. Außerdem waren auf der Vorderseite des Bechers die Umrisse der Fregatte aufgemalt, eine Erinnerung an seine Fahrenszeit bei der Marine.

      Wie gewohnt nahm er einen großen Schluck aus dem Becher und lass dabei seinen Emaileingang. Dabei betrachtet er nochmals den Kaffeebecher. Dabei fiel ihm die Nacht, ihm März 2010 wieder ein. Der Nächtliche Einsatz, der Angriff der Jets, der explodierende Frachter und der Kampfschwimmer…

      Der Kampfschwimmer, richtig! Dieser hatte doch ebenfalls diese Narbe im Gesicht. Aber das konnte nicht sein?! Dieser war doch auf dem Frachter, der in dieser Nacht versenkt wurde. Es gab keine überlebenden, sie waren doch Vorort und hatten in den Trümmern alles abgesucht. Das konnte nicht sein!

      Stadelmann verdrängte alle Gedanken an diesen Vorfall und widmete sich wieder seiner Arbeit. Dies gelang ihm auch den ganzen Tag und konnte wie gewohnt seine Arbeit verrichten. Bevor er am späten Nachmittag nach Hause ging nahm er seine Kaffebecher und brachte ihn zurück in die Küche um ihn dort in die Spülmaschine zu stellen. Dabei betrachtete er nochmal das Bild auf dem Becher und dachte nochmal an die verehrende Nacht auf See. Dabei kam ihm die Idee doch mal in den elektronischen Akten zu suchen ob es zu diesem Zwischenfall eine Aktennotiz gäbe. Immerhin hätte es ja sein können, dass es hierzu, im Auswärtigen Amt, etwas vermerkt worden war. Da dies doch in den Zuständigkeitsbereich des Auswertigen Amtes viel.

      Stadelmann gab zunächst in die Suche das Datum des Vorfalls ein - kein Suchergebnis.

      Als nächstes gab er den Namen des Frachters ein, der versenkt wurde - Nenavyazchivost.

      Das System durchsuchte die Archive, es schien eine Ewigkeit zu dauern aber ebenfalls ohne Ergebnis.

      Als letztes versuchte er den Namen des mysteriösen Kampfschwimmers in das System ein zu geben -Koziolek- auch hier gab es keinerlei Treffer. Damit gab sich Stadelmann notgedrungen zufrieden. Insgeheim war ihm klar, dass er über die Nacht im März 2010 nicht so einfach Informationen finden würde. Zusätzlich erinnerte er sich daran, dass er zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet wurde. Als sie damals in den Hafen von Stockholm einfuhren, kam als erstes eine Abordnung des deutschen MAD (Militärischen Abschirmdienst) auf die Fregatte um die Besatzung darüber aufzuklären, dass sämtliche Besatzungsmitglieder zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet werden und welche Strafen es auf einen eventuellen Geheimnisverrat stehen. Ein entsprechendes Papier musste jedes Besatzungsmitglied unterschreiben.

       "Der Geheimnisverrat von Amtsträgern im Staatsdienst (§ 353b StGB) unterliegt einer höheren Strafandrohung als der Verrat von Privatgeheimnissen. Die Freiheitsstrafe beträgt bis zu fünf Jahren, im Fall des § 203 StGB höchstens ein Jahr. Im Militär- und Verwaltungsbereich werden bestimmte Geheimhaltungsstufen unterschieden von nur für den Dienstgebrauch bis streng geheim."

      Die Warnung zeigte seine Wirkung und die Brisanz des Vorfalls, war jedem Kameraden bewusst. Sollte dies je publik werden, dass Russische Jets, einen Frachter im internationalen Gewässer versenkt hatten, um einen Whistleblower aufzuhalten, der seine Informationen an den westlichen Geheimdienst verkaufen wollte…

      Hätte eine internationale Krise zur Folge gehabt.

      Zwei Tage Später kam Stadelmann wie gewohnt morgens zur Arbeit, durchquerte sämtliche Sicherheitsschleusen, durchquerte das riesige Foyer und gelangte zu den Aufzügen. Im dritten Stock angekommen, startete er den PC wie jeden Morgen und ging wieder sich den ersten Kaffee zu holen. Am Arbeitsplatz angekommen gab er sein Sicherheitspassort ein, um in das System des Auswärtigen Amtes zu gelangen.

      Allerdings wurde heute sein Passwort nicht akzeptiert. Er versuchte es erneut, ob er sich vertippt hatte oder ob er versehentlich ein altes Passwort eingegeben hatte. Aus Sicherheitsgründen mussten sämtliche Zugangspasswörter alle vier Wochen ersetzt werden. Aber er hatte das richtige Passwort verwendet. Sicherheitshalber überprüfte er seine Zugangsdaten, sein Berechtigungscode …

      Alles wurde von ihm richtig eingegeben, aber das System verweigerte ihm den Zugriff. Bevor er seinen Zugang endgültig sperrt, nahm Stadelmann das Telefon und wählte die Nummer des internen Supportteams. Diese waren dafür da sämtliche Probleme mit den Computern zu lösen und sorgten dafür, dass alle Mitarbeiter ohne Störungen an ihren PCs arbeiten können. Der Support konnte sich die Störung ebenfalls nicht erklären und versicherte Stadelmann, dass er in Kürze wieder weiter arbeiten kann. Er solle ein paar Minuten warten Sie werden sich gleich nochmal bei ihm melden. Derartige Störungen sind selten, aber es kommt schon hin und wieder einmal vor, dass einzelne Programme nicht funktionieren oder das durch Viren oder versuchte Hacker-Angriffe, dass System vorübergehend außer Gefecht gesetzt wird.

      Wenig beunruhigt kümmerte er sich um seine Akten, die die noch nicht in elektronischer Form bearbeitet werden mussten. Akten die als haptische Dokumente vorlagen. Dies waren vor allem Unterlagen aus dem Ausland, die sich nicht eigneten in System eingescannt zu werden. Nach einigen Minuten klingelte, wie erhofft sein Telefon auf seinem Schreibtisch. Es war allerdings nicht der Support, sondern die Sekretärin, Frau Emsländer, seines Vorgesetzten Herr Endres. Sein Vorgesetzter, Herr Endres war ein Amtsrat durch und durch, hager und grauhaarig, mit einer runden Brille. Er verbrachte viele Jahre im Ausland und war in verschieden Positionen in den deutschen Botschaften rund um die Welt beschäftigt gewesen und zuletzt für die Vereinten Nationen tätig. Ein ebenso erfahrener und sehr stringenter Vorgesetzter, Ende fünfzig. Er war die meiste Zeit seines Arbeitslebens im Ausland gewesen und wurde für die letzten Jahre seiner Amtszeit und aufgrund seiner hervorragenden Arbeit nach Berlin geholt. Von ihm und den anderen Mitarbeitern erwartete er sehr viel und achtete penibel darauf, dass keinerlei Fehler gemacht wurden. Die Sekretärin sagte nicht worum es geht, sondern fragte, ob es Herrn Stadelmann möglich sei, jetzt zu Herrn Endres zu kommen. Eine höfliche Frage, die aber nichts anderes bedeutet als:

      Kommen sie sofort herüber!

      In seiner Anfangszeit, hatte er einmal geantwortet, dass es gerade