Elle West

Die Glocke


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sich aus Prinzip, die Ehe einzugehen, denn sie wollte schließlich nicht ihren erfolgreichen Namen für irgendeinen Mann ablegen. Sie wollte nicht heiraten, weil sie gerne unabhängig und ungebunden war. Jeder wusste es und sie genoss es, so von allen gesehen zu werden. Ebenso genießend, flirtete sie mit dem Redakteur Blake Simmons, der für Rory arbeitete und der mit einer reizenden Deutschbritin namens Ruby verheiratet war. Da selbige jedoch gerade ihr zweites Kind zur Welt gebracht hatte, konnte sie am heutigen Abend nicht dabei sein und Mia Rubinstein schien dagegen absolut nichts einzuwenden haben.

      Des weiteren saß noch ein Kolumnist der New York Times, Alexander Woollcott, mit ihnen am Tisch. Harold Ross würde sich nach seiner Ansprache ebenfalls zu ihnen setzen.

      Jane Grant und Alexander Woollcott, die miteinander befreundet waren, unterhielten sich leise, während Mia Rubinstein ihrem Redakteur schöne Augen machte und dem 40-Jährigen damit schmeichelte.

      „Wie ordinär diese Jüdin ist.“, flüsterte Maisie Rory grinsend zu. Sie strich ihm, scheinbar ordnend, über das Revers seines Smokings. „Wären unsere Mädchen nicht ebenfalls hier, hätte es mich sicherlich belustigt.“, gab sie jedoch zwinkernd zu.

      Rory, für den sowohl die aufreizende Jüdin, als auch der verheiratete Dandy arbeiteten, schämte sich eher, dass die beiden sich dermaßen offenherzig in der Gesellschaft präsentierten. Und wenn er sich zusätzlich an die Weihnachts- oder Betriebsfeiern erinnerte, wo er Ruby Simmons und deren jetzt vierjährigen Sohn Michael kennen gelernt hatte, war er wirklich wütend über seinen Redakteur. Immerhin hatte der eine tadellose Familie. Seine Frau war höflich, charmant und zurückhaltend. Ruby war acht Jahre jünger als ihr Ehemann und hatte erst spät, mit 28 ihr erstes Kind bekommen. Vor ihrer Ehe war sie eine gefragte Künstlerin gewesen. Rory hatte ein paar ihrer Bilder gesehen, als er das Paar über Weihnachten besucht hatte. Sie hatte ohne Zweifel Talent und Rory hatte sich immer gefragt, wieso eine so begabte Malerin sich in ihrer Arbeit zurücknahm, um Hausfrau zu sein. Nun, da sie mit Sarah ihr zweites Kind bekommen hatte, wunderte es ihn nicht mehr so sehr. Kinder waren eine anstrengende, aber überaus erfreuliche Lebensaufgabe, die viel Zeit und Hingabe erforderte. Seiner Meinung nach, konnte Blake sich glücklich schätzen, dass Ruby ihm seine Arbeit ermöglichte und selbst dabei zurück steckte. Denn gerade diese Rücksicht war heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Eine Frau wie Mia Rubinstein beispielsweise hätte sich selbst niemals zurückgehalten, hätte niemals ihre Arbeit aufgegeben um Kinder zu haben oder wäre bereit gewesen, auf etwas zu verzichten, um ihrem Partner etwas zu ermöglichen. Rory konnte auch diese Einstellung bis zu einem gewissen Punkt verstehen. Immerhin hatten Frauen immer zurückstecken müssen, hatten nie auch nur eine Wahl gehabt, weil es einfach immer so gewesen war. Dennoch konnte er nicht leugnen, dass er Frauen wie Ruby und Maisie mehr schätzte. Sie waren nicht nur im Umgang sehr viel unkomplizierter, sondern auch liebevoller in ihrer Rücksicht und Zurückhaltung. Und dabei waren sowohl Ruby, als auch seine Maisie keinesfalls nutzlose Frauen, die für Herd und Kinder geschaffen worden wären. Sie waren einfach Frauen, die sich selbst genug schätzten, um neidlos zu ihren Ehemännern zu stehen.

      Maisie strich Rory leicht über die stoppelige Wange. „Du bist mit deinen Gedanken ganz woanders.“, sagte sie und musterte ihn liebevoll. Ein leichtes Lächeln zeichnete sich auf ihrem hübschen Gesicht ab.

      Rory griff ihre zierliche Hand und drückte ihr einen Kuss auf, ehe er seinerseits lächelte. „Entschuldige, meine Liebe. Jetzt bin ich ganz der deine.“

      Sie lachte leise. „Nein, ganz besonders heute Abend bist du das nicht, Rory.“, erwiderte sie neidlos. „Ich wünschte nur, du würdest zu deinen Geschäftspartnern an den Tisch zurückkehren und das Grübeln auf einen späteren Zeitpunkt verschieben.“ Sie sah ihn auffordernd, abwartend an, hatte fragend eine Augenbraue angehoben.

      Ihre Miene brachte ihn zum Lächeln. „Ich werde mich bemühen.“, versicherte er ihr.

      Hollie wandte lächelnd den Blick von ihren Eltern ab. Wenn sie die beiden so intim miteinander sprechen sah, dann hatte sie stets das Gefühl, als wäre ihre Welt in Ordnung. Überhaupt hatte sie großes Glück mit ihrer Familie gehabt. Und sie liebte jeden Einzelnen von ihnen. Allerdings, so wie heute Abend, langweilte sie dieses Leben auch gelegentlich. Sie war so behütet, in jeder Hinsicht, dass sie fürchtete, sie würde das wahre Leben verpassen. Und, ganz wie ihr Vater, liebte sie die Literatur, sowohl das Lesen, als auch das Schreiben. Nur wusste sie nicht, wie sie über Abenteuer oder Romantik oder Realität schreiben sollte, wenn sie selbst nichts derartiges erlebte.

      Mia neigte sich schräg über den Tisch und schob Blake ihre Kaffeetasse hin, während Hollie sich ein wenig zurücklehnte, um nicht so sehr zwischen den beiden eingepfercht zu sein. „Kommen Sie, Blake.“, flüsterte Mia und zwinkerte ihm lächelnd zu. „Ich weiß, Sie sind besser vorbereitet als die meisten anderen.“

      Hollie hatte keine Ahnung, wovon sie sprach, aber Blake Simmons nickte mit einem galanten Lächeln. „Wenn es jedoch meine Vorbereitungen sind, die mich begehrt machen, dann sollte ich sie nicht aufgeben.“, sagte er und rührte sich, was auch immer Mia Rubinstein von ihm erwartete, nicht von der Stelle. Dann blickte er Hollie mit seinen braunen Augen an. „Was meinen Sie dazu, Miss Coleman?“

      „Was auch immer es ist, was Sie für sich behalten wollen, Mr. Simmons, wenn es alles ist, was Sie zu bieten haben, dann sollte sich der Vorwurf an Sie, nicht an Miss Rubinstein richten.“, sagte sie gleichgültig. Und verkniff sich gerade noch, dass es höchstwahrscheinlich ohnehin nicht relevant wäre. Ihr jedoch war es nicht nur egal, worüber die beiden hier sprachen, es war ihr auch egal, ob Mia kriegen würde, was sie haben wollte. In eine solche Unterhaltung verwickelt zu werden, war gegen ihre Natur und sie wollte weder Teil dieser Gesellschaft, noch Teil dieser Konversation werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen hier hatte sie kein Interesse daran, sich irgendwie darzustellen oder zu profilieren. Ein Privileg, das sie ihrem guten Elternhaus und dem Reichtum ihres Vaters verdankte. Zwar lebte sie so wenig wie möglich auf Kosten ihrer Eltern, aber sie wusste auch um die Sicherheit, die familiäres Geld bot. Es war neben der Liebe ein Rückhalt, der das Leben leichter machte.

      Blake Simmons sah sie nun mit gänzlich anderen Augen an. Zuerst hatte er sie, wie ihre Schwestern, für ein reiches, naives Kind gehalten und für eine junge Frau, deren Hauptanliegen es wäre, sich bei dem anderen Geschlecht beliebt zu machen. Die meisten Frauen wollten Männern gefallen, ganz gleich wie sehr sie sich auch bemühten, das Gegenteil auszustrahlen. Hollie Coleman allerdings sah ihn offenbar weder als attraktiven Mann, noch als interessante Unterhaltung. Aus eben diesen Gründen machte sie sich für ihn interessant. Also griff er sich die Tasse, die Mia ihm noch immer auffordernd hin hielt, und goss heimlich einen Schluck Rum hinein. Das gleiche tat er mit Hollies und seiner Tasse.

      Hollie blickte ihn verwundert an und fragte sich, warum die beiden so ein Spiel daraus machten, schließlich ging es nur um ein wenig illegalen Alkohol. Als er ihr dann ebenfalls etwas einschenkte, konnte sie sich nicht beherrschen, mit den Augen zu rollen.

      Blake Simmons lachte leise und lehnte sich leicht zu ihr herüber. „Verraten Sie mir, womit ich Sie verärgerte?“, fragte er und musterte ihren jungen, verführerischen Körper nahezu ungeniert. „Haben Sie eine Abneigung gegen Alkohol oder gefällt Ihnen mein Verhalten nicht, weil es illegal ist, Hollie?“

      „Sie haben mich nicht verärgert, Mr. Simmons.“, sagte sie und blieb absichtlich distanziert in ihrer Anrede. Nun beugte sie sich zu ihm vor, wusste, dass ihr Dekolleté eine ebenso große Versuchung darstellen würde, wie ihre vollen, roten Lippen, die seinen ein wenig zu nahe waren. „Es interessiert mich nicht im Mindesten.“, sagte sie und grinste zufrieden, als seine Miene deutlich machte, dass er weder mit einer solchen Erwiderung gerechnet hatte, noch dass sie ihm gefiel. „Ihr Alkohol interessiert mich nicht und Sie interessieren mich nicht. Da ich aber nun einmal zwischen Ihnen beiden sitzen muss, schlage ich vor, Sie ignorieren mich und täuschen die Gleichgültigkeit, die ich empfinde, einfach vor.“

      Mias blauen Augen funkelten amüsiert über ihre Frechheit. „Vielleicht müssen wir einander ja nicht ignorieren, sondern unterhalten uns stattdessen?“, schlug sie mit plötzlicher Neugier vor. „Ich hörte, die Tochter von Rory wäre eine Feministin. Sind Sie damit gemeint, Hollie?“

      Hollie