Elle West

Die Glocke


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zeigte und er zögerte.

      „Nein, bitte!“, schrie Rachel erschrocken. Sie hielt abwehrend die Hände vor den Mann mit dem Revolver. „Bitte, nicht! Logan, bitte!“

      „Du kennst sie?“, fragte der Mann mit dem Revolver ihn forschend.

      „Macht keinen Unterschied.“, versicherte Logan gleichgültig.

      Die Panik kehrte überwältigend zurück. Rachel kroch über den Boden, bis sie die Mauer in ihrem Rücken spürte. Tränen liefen über ihre Wangen. „Bitte!“ Er streckte den Arm vor, der den Revolver hielt. „Ich weiß, wen ihr sucht!“, fiel ihr in letzter Sekunde ein.

      „Ich glaub’ ihr nicht.“, sagte der Ire mit der Waffe. „Sie will nur ihre Haut retten.“

      „Ich sage die Wahrheit!“, rief sie aus, klammerte sich mit all ihrer Kraft an die Hoffnung, dass diese Informationen ihr Leben retten könnten. „Ich kenne auch den Russen, den ihr fast tot geprügelt habt. Ich kann euch sagen, was ihr wissen wollt.“

      Logan seufzte und signalisierte dem Bewaffneten, Ruhe zu bewahren. Dann hockte er sich neben sie und sah sie an. „Dann lass mal hören, Rachel.“

      Sie nickte. Jetzt fing ihr Körper unkontrolliert zu zittern an. „Die Cosa Nostra hat euren Mann umgebracht.“, sagte sie, weil sie das von ihrer Schwester erfahren hatte. Kate hatte gesagt, dass sie alle in Gefahr wären, weil die Mafia hinter Fin her war. Sie selbst sorgte sich gerade nur darum, dass sie diese Leute nicht kannte. Vielleicht wollten sie gar nicht hören, dass die Mafia schuld war? Vielleicht waren sie selbst ein Teil der Cosa Nostra und würden sie erst recht umbringen, wenn sie ihnen die Schuld gab? Und dann war da noch Fin. Sie konnte ihn doch nicht einfach so verraten. Nachdem, was diese Leute mit dem Russen gemacht hatten, konnte sie nicht wollen, dass sie Fin in ihre Hände bekamen.

      „Unsren Mann?“, fragte Logan nach.

      Offenbar hatte er nicht vor, ihr zu helfen, oder ihr auch nur einen Hinweis zu geben, auf welcher Seite er stand. Sie war sich sicher, dass er nicht zögern würde, sie selbst umzubringen und das ließ erneut Panik in ihr aufsteigen. „Jenkins.“, sagte sie, erleichtert, dass ihr dieser Name noch einmal eingefallen war. „Er hat Verhandlungen für den Russen und seine Kumpel geführt. Er wurde von der Mafia umgebracht und vor drei Tagen haben die Bullen seine Leiche in Hell’s Kitchen gefunden. Sie wollen nicht, dass die Wahrheit über diesen Mord raus kommt, also haben sie einen Obdachlosen dafür verantwortlich gemacht.“

      Logan winkte ab und erhob sich wieder. „Sagst du auch die Wahrheit, Kleines?“, fragte er und steckte sich eine Zigarette an.

      Rachel nickte und wischte sich die Tränen von den Wangen, wenngleich immer neue nach kamen. „Bitte, ich hab’ doch keinen Grund zu lügen.“, brachte sie hervor. „Ich weiß doch nicht mal, auf welcher Seite ihr steht. Ich sage die Wahrheit.“

      „Und weißt du noch mehr?“, fragte Logan nach kurzem Zögern.

      Sie nickte und schluckte ein Schluchzen herunter. „Ihr sucht den Partner von dem Russen, richtig?“

      Der mit dem Revolver grinste. „Gar nicht so dumm, die Kleine.“, gab er zu. „Der egoistische Selbsterhaltungstrieb wird unterschätzt.“

      „Ich kann euch zu ihm bringen.“, sagte Rachel und ignorierte den verbalen Seitenhieb. Sollten sie doch denken, was sie wollten. Solange die Möglichkeit, ihr eigenes Leben zu retten, bestand, würde sie nicht zögern, sie zu ergreifen.

      „Nein, danke.“, lehnte Logan ab. „Du sagst mir, wo ich ihn finden kann, und ich lasse dich vielleicht am Leben.“

      Rachel stützte sich hinter sich an der Wand ab und richtete sich auf. Jetzt hieß es Alles oder Nichts. „Nein, wenn ich dir sage, was du wissen willst, bringst du mich auf jeden Fall sofort um.“, entgegnete sie überzeugt. „Ich will, dass ihr mich zu eurem Boss bringt und ihm werde ich alles sagen, was ich weiß.“

      Logan grinste. Dann trat er plötzlich auf sie zu, packte ihren Hals und presste sie heftig gegen die Mauer. Sein Gesicht war dicht vor ihrem, der Druck seiner Hand umschloss ihren Hals eisern und stahl ihr den Atem. „Hast du irgendwas mit der Cosa Nostra zu tun, du kleine Schlampe?“, fragte er. Sie stöhnte und keuchte und versuchte, den Griff um ihren Hals zu lockern. Er schlug ihren Kopf erneut gegen die Mauer, lockerte den Griff aber kein bisschen. „Antworte!“

      „Nein!“, keuchte Rachel panisch. „Nein, wirklich nicht!“

      Logan ließ sie los und sie stürzte zu Boden, während sie ihren Hals hielt und nach Luft rang. „Nehmt sie mit.“, sagte er und nahm dem anderen Gangster den Revolver ab. „Beide.“

      Kapitel 3

      Mason Hernandez saß an einem Tisch im Cotton Club und trank von dem Whisky vor sich. Heute Abend waren um die 500 Gäste im Club, um sich die hübschen Tänzerinnen anzusehen und die beeindruckenden Musiker anzuhören. Mason kannte den Besitzer, Owney Madden, seit Jahren. Allerdings hatte Madden einige dieser Jahre im Gefängnis verbracht. Dort, in Sing Sing, waren die beiden Männer Freunde geworden. Mason war nach dem Krieg erneut zur Mafia gekommen. Als er 1918 nach New York zurückkehrte, war er gerade 23 geworden. Der Krieg hatte ihn verändert, wie vermutlich jeden Mann, der gesehen und getan hatte, was er gesehen und getan hatte. Allerdings war er zuvor in Hell’s Kitchen aufgewachsen. Er war immer von Gewalt und dem Gesetz des Stärkeren umgeben gewesen, war immer ein Teil dieser Welt gewesen. In Hell’s Kitchen hatte er seine Familie verloren. Seine Eltern waren durch einen Anschlag der sizilianischen Mafia, durch die Greaseballs, umgekommen und seine zwei älteren Brüder waren in den Gangkämpfen gefallen. Mason hatte überlebt. Er hatte sich neuerlich den Gophers anschließen wollen, weil die irische Mafia ihm schon immer zur Seite gestanden hatte. Nicht, weil er ebenfalls Ire war, ganz im Gegenteil, denn er hatte spanische Vorfahren, sondern, weil er mit Owney Madden, der einst sein Nachbar gewesen war, gut zurecht gekommen war. Dann war Madden ins Gefängnis gekommen, Mason war in den Krieg gezogen und als er zurück gekehrt war, waren die Gophers nicht mehr, was sie mit Owney, mit ihrem Anführer gewesen waren. Die Kämpfe der verfeindeten Gangs nahmen immer weiter zu und kein Mann, auch Mason nicht, konnte sich in Hell’s Kitchen noch sicher fühlen. Die Italiener, die Cosa Nostra, wie sie genannt wurden, hatten angefangen sich auszubreiten und beherrschten nun nicht mehr nur New York und Chicago, sondern auch andere Städte in den USA, bekämpften sich jedoch gegenseitig, um die Vorherrschaft zu klären. Mason hatte sich um seine damals 18-jährige Schwester Valeria und seinen damals 21-jährigen Bruder Javier kümmern müssen. Die beiden hatten die Zeit ohne ihren letzten großen Bruder nur schwer überstanden und Javier hätte sich beinahe selbst einer Gang angeschlossen, um zu überleben. Also hatte Mason das übernommen, er war zu einem uomo d’onore, einem Ehrenmann geworden, um seine wahre Familie zu schützen, um zu schützen, was von ihr noch übrig geblieben war. Und er hatte sich für die Morello Familie entschieden, weil diese Interesse an ihm hatte, obwohl er kein Italiener war und die Ethnizität prinzipiell sehr bedeutungsvoll für die Mafia war. Jedoch hatte Peter The clutch hand sich vom ersten Moment an für Mason eingesetzt. Der damals 51jährige Mafiosi und Halbbruder des berüchtigten Nick Morellos hatte neben seinem Namen auch Macht und Einfluss besessen. Als er sich für Mason ausgesprochen hatte, war Joe Masseria nichts anderes übrig geblieben, als ihn in Betracht zu ziehen. Nachdem Guiseppe „Joe The Boss“ Masseria, wie er bereits intern genannt wurde, nachdem er innerhalb der Morello Familie zur Nummer eins aufgestiegen war, ihn mit einem Ritual eingeführt hatte, war Mason ein Mitglied der Morello Familie geworden, ein Mitglied der Cosa Nostra. Weil Mason immer schon ein breites Kreuz und eine muskulöse Statur gehabt hatte, weil er kampferfahren und aggressiv war, hatte man ihn häufig eingesetzt, um den Gegnern Angst zu machen. So hatte er die Aufsicht über die Richtigkeit bei Glücksspielen gehabt oder musste das Schutzgeld einsammeln. Joe Masseria hatte seine Arbeit ebenso zu schätzen gewusst, wie Peter Morello es prophezeit hatte.

      In dieser Zeit hatte Mason den Unterschied