Tiffany Anders

Ein halbes Jahr Amerika


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wir nicht. Wir hatten ein großes Lagerfeuer und wir waren an drei Seiten von Felsen umgeben. Die Indianer konnten bereits auf mehreren Hundert Metern hören und riechen, wenn sich ein wildes Tier näherte. Bjarne sagte immer, die Umgebung spricht mit ihnen und irgendwie glaubte ich das auch. Es war eine ruhige Nacht, man hörte nur das schnaufen der Pferde, mindestens 2 Leute schnarchten und das knistern des Feuers. Man konnte die Sterne sehen. In Deutschland hatte man auch Sterne gesehen, doch in Texas unter freiem Himmel, waren sie viel klarer und irgendwie auch dichter dran. In Deutschland hätte ich nicht einmal mit einem Zelt bei uns im Garten geschlafen, da ich Angst gehabt hätte, dass mich jemand klaut. Eigentlich hatte ich von den USA viel schlimmere Sachen gehört, aber hier war die totale Einsamkeit und mit den Indianern war ich mir ziemlich sicher, dass nichts passieren könnte.

      Vor ein paar Jahren hatten die Ferienkinder mal Fallen auf der Ranch gefunden, die nicht von uns stammten. Wir hatten wochenlang die Fallen gesucht und mitgenommen. Wir haben aber nie jemanden gefunden, der die Fallen aufstellte. Irgendwann war Thorben so sauer, dass er die Indianer auf den Wilderer ansetzte. Es dauerte 4 Tage und dann hatten sie ihn. Ein dicker ungepflegter Typ Mitte 50 , der mit Sicherheit nur aus Spaß tötete. Das passte den Indianern natürlich gar nicht. Es wurde nur so viel gejagt, wie benötigt wurde oder wenn ein Tier krank war. Wenn die Indianer auf die Jagd gingen, wurde das auf die alte Art gemacht. Mit Pfeil, Bogen, Messer und Axt. Und natürlich in der Kleidung eines Indianers nicht die eines Bauunternehmers, Bänkers oder sonst irgendwas. Ich bin mir sicher sie haben dem Typen so richtig Angst gemacht, bevor er von uns der Polizei übergeben wurde. Der wird mit Sicherheit nicht mehr illegal jagen. Ich mochte die Indianer sehr. Es sind ehrliche fleißige und vor allem sehr hilfsbereite Menschen. Aber als Feind wollte ich sie in gar keinem Fall haben. Die Indianer hatten sich im Laufe der Zeit sicher sehr verändert, aber die Geschichten, Kultur oder Medizin, wurden von Generation zu Generation weiter gegeben. Wenn sie die Erlaubnis hätten einen Menschen zu töten und er etwas gemacht hätte, was ihnen nicht passte, konnten sie mit Sicherheit noch genauso bestialisch töten wir vor 150 Jahren.

      7

      Am nächsten Morgen wurden wir schon früh durch das zwitschern der Vögel geweckt. Die Sonne ging gerade auf und auf den Grasspitzen glitzerte der Tau in den Sonnenstrahlen. Es war ein herrlicher Morgen. Hier in der Wildnis fühlte man sich so unendlich frei. Wir hatten ein paar Mückenstiche. Aber die Indianer gaben uns eine Salbe und damit waren die Mückenstiche auch schon vergessen.

      Rene und Andreas standen auf und gingen ein wenig vom Lager weg, um sich die Gräser aus den Unterhosen zu pullen. Sie hatten überhaupt keine Schmerzen mehr, genau wie wir es ihnen prophezeit hatten. Nachdem sie wieder da waren, fragten sie Harry, ob sie am Abend wieder solche Schmerzen vom reiten haben würden. Harry erklärte ihnen, dass wir nur bis gegen Mittag reiten würden, dass sie ohne Sattel reiten und das die Wirkung der Medizin noch ein wenig anhalten würde.

      Nach einem anständigen amerikanischen Frühstück mit Eiern, Bacon und Brot, machten die Männer die Pferde bereit und Lydia und ich räumten die Sachen zusammen und das Lager auf. Rene hatte jetzt ohne Sattel noch mehr Schwierigkeiten auf sein Pferd zu kommen. Thorben half ihm beim aufsteigen und einer der Indianer gab Andreas und Rene noch Ratschläge, wie sie sich ohne Sattel gut auf ihren Pferden halten konnten. Er erklärte ihnen, dass sie jetzt sehr vorsichtig mit ihren Schenkel arbeiten mussten. Wenn sie sich versuchten mit den Unterschenkeln an das Pferd zu drücken, um sich festzuhalten, würde ihr Pferd abzischen wie eine Rakete. Es war nicht einfach für sie, aber sie mussten jetzt gerade ohne Sattel, ganz locker auf ihren Pferden sitzen. Da wir aber nur im Schritttempo der Pferde vorwärts kamen, würde das sicher kein Problem sein.

      Um auf die andere Ranch zu kommen, mussten wir über den Zaun. Er war nur ca. 1,50 Meter hoch, doch für Rene und Andreas wäre es unmöglich gewesen mit ihren Pferden darüber zu springen. Die Indianer und Bjarne sprangen vor. Dann kam Bjarne über den Zaun zurück geklettert und sprang nacheinander, mit Rene und Andreas Pferden rüber. Wir nahmen dem Transportpferd die Liege ab und hoben sie über den Zaun. Bjarne sprang dann mit dem Pferd auch noch rüber und machte die Liege wieder fest. Rene und Andreas kletterten über den Zaun und versuchten dann wieder auf ihre Pferde zu kommen. Bei Andreas war es kein Problem. Rene stellte sich auf einen umgestürzten Baum und kam diesmal auch ohne Probleme auf sein Pferd.

       Umso höher die Sonne stieg, umso heftiger wurde sie. Es war für Ende September wirklich brütend heiß. Es war wirklich ungewöhnlich, da wir am nächsten Tag schon den ersten Oktober hatten. Einer der Indianer sagte, dass wir Regen bekommen werden. Rene und Andreas schauten zum Himmel. Sie konnten keine einzige Wolke entdecken und fragten ihn, ob er sich sicher ist. Der Indianer schnaubte etwas verächtlich durch die Nase und sagte, es wird innerhalb der nächsten Stunde regnen. Wir schauten gar nicht erst hoch. Wir wussten, wenn ein Indianer sagt, es wird Regen geben, dann wird es Regen geben. Und tatsächlich zog sich eine halbe Stunde später der Himmel zu und es gab einen ordentlichen Schauer. Der Regen tat wirklich gut und wir merkten, wie unsere Haut innerhalb kürzester Zeit runtergekühlt wurde. Der Schauer dauerte ungefähr 10 Minuten. Danach kam die Sonne wieder raus, aber es hatte sich ordentlich abgekühlt. Die Temperatur war aber noch sehr angenehm und unsere Sachen trockneten schnell. Wir kamen gut voran und Harry vermutete, dass wir wohl etwas früher am Treffpunkt sein würden.

      Die Gegend wurde umso weiter wir kamen immer übersichtlicher und wir fragten uns, warum es fast keine großen Bäume oder Felsen gab. Thorben sagte, man könne anscheinend überall auf dem Areal eine Stadt bauen. Irgendwie war die Gegend sehr trostlos. Wir alle sprachen darüber wo, wie und wann die Stadt wohl stehen würde und was für Menschen da kommen würden, als plötzlich das Pferd von Andreas vorne hoch ging und laut wieherte. Andreas hielt sich erst krampfhaft fest, konnte dann aber ganz elegant abrutschen. Rene hatte sich so erschrocken, dass er seinem Pferd ausversehen die sprichwörtlichen Sporen gab und es losgaloppierte. Bjarne und Thorben versuchten Rene hinter her zu kommen. Die Indianer rutschten von ihren Pferden und versuchten das Pferd von Andreas zu beruhigen. Das Pferd beruhigte sich sehr schnell und die Indianer bearbeiteten das Pferd so, dass es sich hinlegte. Es wurde von einer Klapperschlange ins Bein gebissen. Die Indianer banden das Bein ab und einer von ihnen versuchte das Gift aus der Wunde zu saugen, dann schmierte einer eine fürchterlich stinkende Tinktur auf die Wunde. Das alles geschah innerhalb von wenigen Sekunden. Harry erklärte, dass wir nun ein paar Minuten warten müssten, ob die Behandlung gewirkt hat. Ansonsten würden sie das Pferd erlösen müssen.

      Thorben, Rene und Bjarne kamen zurück getrabt. Bei Rene war anscheinend ein Knoten geplatzt, denn er saß ganz locker auf seinem Pferd und trabte, mit einem dicken Grinsen auf uns zu. Die Indianer freuten sich, denn ein Pferd merkt die Anspannung seines Reiters und fängt an seine Fehler auszubalancieren.

      Nach einer kurzen Weile stand das Pferd von Andreas wieder auf und Harry sagte, dass es das Gift nicht geschafft hat das Pferd zu schwächen. Aber es wäre besser den Rest des Weges zu Fuß zu gehen. Es war nicht mehr weit und so gingen wir die restlichen paar Kilometer zu Fuß. Rene war nicht so begeistert. Jetzt hatte er endlich seine Angst verloren und musste zu Fuß gehen.

      Wir mussten noch durch einen kleinen Wald gehen und dann erstreckte sich vor uns ein großes grünes Tal. So eine große, saftig grüne, freie Fläche hatten wir in Texas noch nie gesehen. Ein riesiges Feld, das fast komplett von Wald umgeben war. Ziemlich am Ende stand das Haupthaus. Wir gingen auf das Haus zu und sahen, dass überall Zäune standen, die aber von Sträuchern überwuchert waren. Wir glaubten, dass es sich um die Dressur-, Reit- und Springplätze handelte. Durch die Mitte der Plätze führte ein etwa 4 Meter breiter Gang bis zu den Stallungen die ungefähr 50 Meter rechts neben dem Haus lagen. Vor dem Haus war wohl mal ein riesiger gepflasterter Vorplatz, der jetzt aber völlig mit Unkraut überdeckt war. Ungefähr in der Mitte stand ein großer mit Feldsteinen gemauerter Brunnen. Das Haus war schon sehr alt und auch aus Steinen hoch gezogen. Überall am Haus wuchs Efeu. Einige Fenster und ein Teil der Türen waren mit dem Efeu überdeckt. Wir gingen zum Brunnen und versorgten erstmal unsere Pferde mit Wasser. Bei dem ersten Reitplatz schien der Zaun noch in Ordnung zu sein. Wir sattelten unsere Pferde ab und ließen sie auf den Platz. Die Pferde sprangen und rannten auf dem Platz hin und her. Man sah richtig, dass es ihnen Spaß machte und sie tobten sich richtig aus, bevor sie zu fressen