Tiffany Anders

Ein halbes Jahr Amerika


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hatte dem Kommandeur erzählt, das ich Verwandte von mir gefunden hatte und die sechs wurden von zwei Soldaten aus dem Lager geführt. Als sie raus waren, wurden sie erstmal alle ordentlich von mir gedrückt. Ich freute mich sehr endlich jemanden aus meiner Familie gefunden zu haben. Leider machten sie mir keine Hoffnung auf noch mehr Verwandte. Sie hatten sich auf dem Schiff zusammen gefunden und in den 2 Wochen auf See niemanden bekanntes entdeckt. Meiner Freude über die fünf und die Freundin meines Vaters, die übrigens den schönen Namen Klara hatte, tat das aber keinen Abbruch.

      Der Tag ging zu Ende und es war tatsächlich niemand bekanntes mehr unter den Menschen. Ein paar Stunden bevor die Flüchtlinge registriert und in die Busse geladen waren, kamen Boris und Harry aus Texas. Ich war froh die Beiden zu sehen. Wir hatten Glück das sie mit zwei Autos kamen, denn es kamen noch einmal acht Kinder ohne Begleitung dazu, die wir auch mit auf die Ranch nehmen durften. Das Harry mit war, freute mich sehr. Harry war ein großer kräftiger Mann mit langen schwarz-grauen Haaren. Man sah sofort, dass er ein waschechter Indianer war. Ihm gehörte die Nachbarranch in Texas und wir waren vom ersten Tag an sehr gute Freunde. Er kannte sich super mit Heilkräutern und den Heilmitteln der alten Indianer aus und er hatte mir in den letzten Jahren sehr viel über Kräuter und ihre Heilmittel beigebracht. Harry machte im ersten Moment einen beängstigenden Eindruck, wenn man ihn nicht kannte, doch die Kinder mochten ihn immer sofort.

      Es war schon fast dunkel, als wir Georgia verließen. Vier der Kinder fuhren bei Harry mit und die anderen 4 bei mir. Die restlichen 7 Erwachsenen und Ylva verteilten sich auf die Autos von Thorben und Boris. Der Rückweg nach Texas ging wesentlich schneller als der Hinweg und so waren wir innerhalb von 5 Stunden wieder in Texas. Während der Fahrt rief ich zu Hause an und bat Franky und Claire für die 16 Neuzugänge ein Schlafplatz fertig zu machen. Rene und Ylva sollten bei uns mit im Haus wohnen und gleich jeder ein eigenes Zimmer bekommen. Mein Vater, seine Freundin und Kai bekamen einen der kleineren Bungalows. Genau wie Annika, Leia und Christian. Unser damaliger Arzt Dr. Martin Engel und seine Frau Marlene bekamen einen Bungalow mit 4 Zimmern, damit sie Platz hatten, sich um eventuelle Kranke zu kümmern. Nicole, Andreas, Gina und Vanessa einen etwas größeren. 32 Kinder wurden so auf die Bungalows verteilt, dass in jedem Bungalow mindestens ein Betreuer, in Wechselschicht zur Verfügung stand. Das jüngste Kind, das ohne Eltern gekommen war, war der 4 jährige Marlon. Claire erzählte mir am Telefon, das er gleich als die Kinder auf der Ranch aus dem Bus stiegen, bei ihr auf den Arm gekrabbelt kam und eingeschlafen ist. Das hatte ihr Herz so erweicht, das Marlon bei ihr mit einziehen durfte. Marlon war ein Grashüpfer. Schlank und braune Haare , die aussahen, als hätte ihm jemand einen Kochtopf auf den Kopf getan und einmal drum herum geschnitten. Thorben und ich hatten damals, als Franky und Claire bei uns anfingen zu arbeiten, kleine Häuschen für die Beiden bauen lassen. Somit hatte Claire gleich ein Zimmer für Marlon frei, das sie auch schon liebevoll für ihn eingerichtet hatte. Die Beiden verstanden sich auch ohne Worte super.

      Als wir auf die Ranch fuhren sagte ich den Kindern, dass wir gleich am Haupthaus ankommen würden. Leider hatte ich vergessen, dass die Größenverhältnisse in den USA ein wenig anders sind als in Deutschland. Unsere Ranch war immerhin 14000 Quadratkilometer groß. Nach 10 Minuten fingen die Kinder an zu nörgeln, wann denn nun das Haus kommen würde, aber es dauerte noch weitere 5 Minuten, bis wir vor unserem Haus standen.

      Als wir aus den Autos stiegen wimmelte es nur so von Menschen. Es rannten fast 100 Leute hin und her. 5 Betreuer waren dabei, unter anderem auch Samanta und Justin. Samanta hatte ihre Europareise abgesagt, aus Angst Strahlungen ab zu bekommen. Die Kinder wurden unter den Betreuern aufgeteilt. Emily unsere Psychologin die normalerweise für die Ferienkinder da war, hatte sich auch bei uns eingefunden. Sie konnte sehr gut deutsch, da sie fast ein Jahr in Deutschland als Aupairmädchen gearbeitet hatte. Niemand der sie nicht kannte, würde sie für eine Psychologin halten, mit ihren blau und rotgefärbten Haaren, die sie auf einer Seite des Kopfes komplett abrasiert hatte. Auf der anderen Seite gingen ihre Haare fast bis zum Kinn. Ihre Kleidung war für ihre Figur eher unvorteilhaft, sie war etwas ründlich und es sah immer aus, als hätte sie ihre quietschbunten Klamotten, bevor sie sie anzog erstmal ordentlich zerfetzt.

      In jedem Bungalow befand sich eine voll ausgestattete Küche und Claire hatte in jedem der besetzt werden würde die Kühlschränke ordentlich aufgefüllt. Die Kinder sollten sich waschen und frische Kleidung anziehen, dann noch schnell etwas essen und schlafen gehen. Unsere Freunde und Nachbarn, hatten Unmengen an Kleidung ran geschafft, die sie nicht mehr brauchten. Claire hatte alles noch einmal durchgewaschen und im leerstehenden Zimmer im Erdgeschoss unseres Hauses nach Größe und Geschlecht sortiert, eingeräumt. Manchmal glaubte ich Claire könnte irgendwie zaubern, sie hatte noch nie etwas nicht rechtzeitig fertig bekommen. Die neuen Kinder durften sich zuerst Kleidung aussuchen und dann fuhren sie auch schon mit ihren Betreuern in ihre Bungalows. Wir Erwachsenen aßen jeder auch noch etwas und dann gingen auch wir ins Bett und unsere Freunde fuhren nach Haus. Am nächsten Morgen wollten wir uns alle um halb 11 Uhr zum Brunch in der Hofeinfahrt treffen.

      Leider regnete es am nächsten Morgen und wir verlegten unser Brunchen in die große Scheune, die wir auch oft als Tanzsaal für Feste nutzten. Als Franky, Thorben, Rene, Claire, Marlon und ich gerade die Tische mit Tellern und Besteck bestückten, rief jemand in einem klarem und lautem norddeutsch, Moin in den Saal. Wir drehten uns um und Justin stand mit ein paar Kindern am Tor und grinste. Wir lachten und Justin sah etwas verwirrt aus. Er fragte einen Jungen von etwa 15 Jahren auf englisch, ob es nicht richtig war. Doch sagte dieser, auch auf englisch. Wir erklärten Justin, dass es richtig war, aber die Kinder unbedingt englisch lernen müssten und das es witzig war ihn deutsch sprechen zu hören. Der Junge hieß Phillip und er hatte Justin die Nacht über beim übersetzen geholfen. Kurz vor 11 Uhr kamen auch Harry, Boris , Lydia und Sven. Harry hatte seine Frau mitgebracht und die Kinder kamen aus dem Staunen gar nicht wieder raus. Tiana war in Indianischer Tracht gekommen und sah wunderschön aus, alle Kinder wollten sie anfassen. Man sah Tiana an, das sie sich richtig wohl fühlte. In den USA werden die Indianer für das was sie waren normalerweise nicht so gefeiert.

      Dann stürmten die Kleinen auf Harry zu und er musste sie erstmal alle drücken. Harry war begeistert, da er selber keine Kinder hatte, sich aber immer welche gewünscht hat. Er freute sich immer sehr auf die Ferien, damit er mit den Kindern etwas unternehmen konnte. Meistens zeigte er ihnen dann, wie die Indianer früher lebten. Da beide Ranchen zusammen unglaublich groß waren, war er mit den Kids auch schon mal drei Tage unterwegs. Die Kinder waren immer schwer begeistert. Sie lernten sehr viel bei Harry, wie man in der Wildnis überlebt, was man in der Natur essen darf oder wie man nur mit Dingen aus der Natur Fallen baute. Als alle da waren, fingen wir an zu essen. Wir hatten schon oft große Feste, aber meist wurde dann gegrillt. So ein großes Frühstück hatten wir noch nie. Es war furchtbar laut. Alle erzählten von ihrer Flucht und wen sie zurück lassen mussten.

      Von den 32 Kindern hatten 25 gerade einen Ausflug auf einem Segelboot in der Nordsee mit drei Betreuern gemacht und wurden dann von einem Containerschiff aufgenommen. Nach 5 Tagen wurden sie auf ein anderes Containerschiff umgeladen, das schon andere Menschen ausfuhr. Sie wussten nicht, ob ihre Eltern noch lebten, ob diese noch in Deutschland waren oder irgendwo anders auf der Welt.

      Die anderen waren entweder zufällig gerade in Hafennähe oder hatten sich vorher schon überlegt, dass wenn es brenzliger werden würde, sie mit einem Schiff fliehen wollten. Es war wohl ungefähr 2 Stunden vorher klar, dass der Reaktor explodieren würde. Einige Menschen hatten wohl auch versucht mit Flugzeugen zu fliehen. Wir hatten aber von Flugzeugen mit Flüchtlingen nichts gehört. Wieder andere versuchten mit ihren Autos in den Süden oder nach Dänemark zu flüchten. Die Dänen hatten aber ziemlich schnell die Grenzen dicht gemacht und nach Süden waren alle Straßen verstopft. Den Menschen bei uns am Tisch ging es sehr schlecht, vor allem den Kindern. Emily versuchte sich für jedes Kind sehr viel Zeit zu nehmen, um ihnen ein wenig über die erste Zeit hinweg zu helfen.

      Die drei Betreuer der Kinder vom Segelboot interessierten uns. Wir brauchten auf der Ranch noch mehr Betreuer, da wir mit fünf auf Dauer nicht auskommen würden. Und für mindestens 25 Kinder waren sie ja schon Bezugspersonen. Wir wollten versuchen raus zu finden, wie sie hießen und wo sie unter gekommen waren. Und dann mussten wir noch versuchen, sie zu uns zu kriegen.

      Nach dem Brunch gingen Lena, Bjarne, Brenda und Sven, mit den Kindern,