Tiffany Anders

Ein halbes Jahr Amerika


Скачать книгу

das die Strahlung zwar erhöht, aber noch völlig unbedenklich sei. Wir waren erleichtert.

      Der Kommandeur meinte, dass sie alle bis auf das neue Schiff bis zum Einbruch der Nacht abgearbeitet haben wollten. Die Menschen von dem neuen Schiff würden sie nur notversorgen und am nächsten Tag bei Sonnenaufgang weiter machen. Wir hatten großen Hunger, aber wollten die restlichen Menschen die noch in den Bus steigen würden abwarten. Und uns hinsetzen und vor den Menschen etwas Essen wollten wir nicht. Der Kommandeur meinte, er würde locker 5 Tage ohne etwas zu essen auskommen, nur Wasser ist extrem wichtig. Lydia kam zurück und wir machten ab, dass sie schon zurück fährt. Nicole und Vanessa fuhren bei ihr mit und der Bus mit den Kindern fuhr ihnen hinterher.

      So langsam lichteten sich die Menschenmassen und wir hielten Ausschau, ob wir wenigstens Andreas entdecken konnten. Leider fanden wir ihn und Gina nicht. Ich meinte, dass es ja vielleicht sein kann, dass er bei dem Sturm über Bord gegangen ist. Thorben wollte das nicht hören, denn schließlich war Andreas bei der Marine, der geht nicht über Bord.

      Und dann entdeckte Thorben einen entfernten Bekannten, unseren ehemaligen Hausarzt und wir entschlossen uns ihn und seine Frau auch mit zu nehmen. Sie waren beide Ärzte und Ärzte kann man immer gebrauchen.

      Ein Soldat kam zum Kommandeur und fragte, was jetzt mit denen passiert, die Ärger gemacht haben. Thorben und ich wurden hellhörig. Wenn Rene auf einem dieser Schiffe war, denn war er bei der Gruppe die Ärger gemacht hat, aus welchem Grund auch immer. Ich fragte den Kommandeur wie viele Ärger gemacht hätten und er sagte, es wären 15 Männer, eine Jugendliche und ein Kind von 10 Jahren. Nachdem alle Flüchtlinge der ersten 4 Schiffe mit den Bussen abgefahren waren, gingen wir zu einem Container, der provisorisch als Gefängniszelle diente. Dort standen 2 Soldaten mit Gewehren vor der Tür und salutierten vor dem Kommandeur. Sie berichteten dem Kommandeur, wie es zu den Festnahmen gekommen war. Ein Mann war als die Küstenwache die Menschen von dem 2 Schiff geleiten wollte, mit seiner jugendlichen Tochter an Deck. Er weigerte sich aber, das Schiff zu verlassen und wurde, genau wie seine Tochter handgreiflich. Schnell mischten sich auch andere in das Geschehen mit ein und es brach in eine kleine Schlägerei aus, die aber ziemlich schnell unter Kontrolle war. Thorben und ich wussten sofort, das es Andreas gewesen sein musste, der den Aufstand angezettelt hat. Der Kommandeur ließ den Container öffnen und den Mann der die Schlägerei in Gange gebracht hatte zu sich bringen. Als der Mann in der Tür stand schrie ich auf und sprang ihm an den Hals, es war tatsächlich Andreas. Die Soldaten hatten sich etwas erschrocken und ich sah aus meinem rechten Augenwinkel in einen Gewehrlauf. Der Kommandeur gab sofort den Befehl, die Waffen zu senken. Andreas hatte sich auch ein wenig erschrocken und schaute ziemlich verdutzt drein, als er mich erkannte. Er fragte mich schon nach ein paar Sekunden nach Nicole und ich sagte ihm, dass sie auf dem Weg zur Ranch war. Der Kommandeur befahl den Soldaten ihm die Handschellen abzunehmen und seine Tochter zu holen. Thorben fragte, ob er mit kommen dürfte um zu sehen, ob er noch jemanden kannte. Natürlich, meinte der Kommandeur, und die Beiden Soldaten gingen mit Thorben in den Container. Ich fragte, den Kommandeur gerade, was mit dem 10 jährigen Kind passieren würde, ob wir es und die Familie mitnehmen dürften. Der Kommandeur sagte, er würde sich über jeden Einzelnen freuen, den wir mitnehmen würden, allerdings müsste erst einmal geklärt werden, ob jemand Anzeige wegen Körperverletzung stellt. Auch Andreas müsste sich verantworten. Gina kam aus dem Container und fragte ihren Vater sofort nach ihrer Mutter und der kleinen Schwester. Andreas erklärte ihr alles und Gina schaute mich an und sagte, dass sie mich nicht wieder erkannt hätte. Geht mir genauso, erwiderte ich, das letzte Mal als ich dich gesehen habe, warst Du 4. Sie war groß geworden , schlank, mit dunkelblondem etwas mehr als schulterlangen Haar. Ihr ründlich, kindliches Gesicht, hatte sie aber immer noch.

       Mich packte jemand an der rechten Schulter, ich drehe mich um und vor mir stand Rene und grinste mich an. Mir schossen die Tränen in die Augen und ich musste zum ersten Mal an diesem Tag weinen. Ich hätte schon den ganzen Tag wirklich heulen können, dieses Elend war einfach unerträglich. Rene nahm mich in den Arm und meinte, dass er sich nicht erinnern kann, das ich so nah am Wasser gebaut bin. Ich nannte ihn einen Blödmann, obwohl er mir ein kleines Lächeln entlockt hatte. Rene war etwas größer als Thorben und hatte volles braunes Haar. Er hatte etwas mehr als einen Dreitagebart im Gesicht, den er sich sicher, sobald er ein Rasierer und einen Spiegel hatte abnehmen würde. Ich hatte ihn höchstens mal mit einem kleinen Schnauzbart, doch nie mit einem Vollbart gesehen. Renes Tochter Ylva war bei Thorben auf dem Arm und schlief, sie war völlig erschöpft und bekam nichts mehr mit. Ylva war so alt wie Bjarne. Sie war ein normal gebautes 10 jähriges Mädchen, nicht dick oder dünn. Ihre weißblonden Haare waren ganz akkurat bis auf die Höhe ihres Kinns geschnitten. Thorben hatte auch Tränen in den Augen, aber wir waren total glücklich. Als die Sonne gerade unterging fuhren Boris, Andreas und Gina und die Beiden Ärzte Richtung Texas. Thorben und ich wollten noch das nächste Schiff abwarten und Rene wollte bei Thorben bleiben. So fuhren wir in den Ort und Rene und Ylva bezogen Lydia und Boris Zimmer im Hotel.

      4

      Am nächsten Morgen standen Thorben und ich schon früh auf. Der Kommandeur wollte um 8 Uhr mit der Aufteilung der Menschen von dem Schiff anfangen, das am Tag vorher noch kam. Rene und Ylva wollten nachgekommen, wenn sie ausgeschlafen und sich neue Kleidung gekauft hatten. Rene hatte sich tatsächlich den Fusselbart aus dem Gesicht genommen. Er sah wieder genau so aus, wie ich ihn kannte. Bevor wir los fuhren rief ich noch auf der Ranch an, ob alles in Ordnung wäre und alle gut angekommen sind. Ich hatte Bjarne am Telefon und er erzählte mir, das alle gut angekommen wären und das Claire in Etappen mit den Leuten Einkaufen fahren würde, damit sie erstmal das Nötigste hätten. Claire war begeistert, sie konnte nun für sehr viele Leute kochen und sie betütteln. Sie war laut Bjarne voll in ihrem Element. Claire war für uns alle die Großmutter die einfach alles regelte, der Hausengel eben.

      Um kurz vor acht, machten wir uns auf den Weg zum Strand. Als wir dort ankamen sahen wir gleich, das noch ein neues Schiff gekommen war. Die anderen 4 Schiffe von gestern, waren nicht mehr da. Wir stellten unser Auto ab und gingen zum Kommandeur runter. Der sah nicht glücklich aus und sagte, dass er so langsam keine Lust mehr hätte. Am frühen Morgen wurde wieder ein Schiff mit 800 Menschen abgefangen und nach Georgia gelotst. Er ging aber davon aus, dass es das letzte Schiff sein würde. Er hielt es sowieso für ein Wunder, dass so viele Menschen unbeschadet aus Norddeutschland raus gekommen wären. Bis zum Abend wollten sie die Menschen abgearbeitet haben und das Lager abräumen. Der Strand würde aber noch abgesperrt bleiben. Einige Soldaten würden noch Patrouille gehen, bis die Sperrung komplett aufgehoben wird.

      Kurz nachdem es losging mit dem registrieren rief jemand meinen Namen von der anderen Seite des Zauns. Wir schauten uns um und entdeckten eine junge Frau winkend am Zaun stehen. Sie versuchte zu uns zu kommen und ich ging ihr auf der anderen Seite des Zauns entgegen. Ungefähr 50 Meter bevor wir uns erreichten, erkannte ich meine jüngere Cousine Annika. Als ich sie das letzte Mal sah, hatte sie ordentlich was auf den Rippen. Jetzt sah sie total abgemagert und fertig aus. Eigentlich hatte sie lange blonde Naturlocken, die man aber nicht sehen konnte, da ihre Haare total fettig und zerzaust waren. Sie machte einen erbärmlichen Eindruck. Genau wie ihre Tochter Leia und ihr Freund Christian, die sich nun auch bis zu uns durchgewühlt hatten. Leia war in Lenas Alter. Sie war ein schlankes Mädchen mit Schulterlangen hellbraunen Haaren und einer süßen kleinen Stupsnase. Christian war schon seid über 15 Jahren mit Annika zusammen und sah noch genauso aus, wie früher. Groß und kräftig, mit einem kleinen Bierbauch, der aber bestimmt nicht von Bier kam.

      Bei den dreien waren noch mein Vater Norbert, mein jüngerer Bruder Kai und eine ältere Frau, die ich nicht kannte. Mein Vater war klein geworden und statt einer Halbglatze trug er nun Glatze. Nur seinen Vollbart hatte er noch, allerdings war der mittlerweile weiß. Ich hatte meinen Vater schon ewig nicht gesehen, da wir uns in Deutschland nicht so gut verstanden haben. Trotzdem freute ich mich ihn zu sehen. Kai war groß geworden. Er war mittlerweile 17 Jahre alt und bestimmt 3 Köpfe größer als ich. Früher war er eher ein kleines Moppelchen und nun war er gertenschlank. Irgendwo auf der Straße hätte ich ihn bestimmt nicht wieder erkannt. Die kleine ältere Frau, mit dem kurzen weißen Haaren, stütze sich auf ihren Gehstock. Ich schätzte sie auf ca 70 Jahre, wie meinen Vater. Mein Vater stellte sie als seine Freundin vor. Ich freute mich