Tiffany Anders

Ein halbes Jahr Amerika


Скачать книгу

von unseren Leuten unter den Flüchtlingen war. Das Städtchen in dem wir lebten, bevor wir in die USA kamen hatte mehr Einwohner, als Flüchtlinge angekommen waren. Das Städtchen lag auch mehr an der Ostküste von Schleswig-Holstein und die Schiffe waren von der Westküste aus los gefahren.

      3

      Am nächsten Morgen, wurde ich durch klopfen und rufen von Boris geweckt. Ich schaute auf mein Handy und erschrak ein wenig, da wir schon 8. 41 Uhr hatten. Eigentlich wollten wir schon um halb 8 Uhr aufstehen, aber wir hatten beide unsere Wecker nicht gehört. Ich sagte Boris er soll reinkommen und fragte ihn warum er uns nicht schon früher geweckt hat. Aber Boris und Lydia hatten auch verschlafen. Somit saßen wir erst um kurz nach 9 Uhr beim Frühstück zusammen.

      Nach einem kurzen Frühstück machten wir uns auf dem Weg zum Strand. Als wir dort ankamen standen schon unzählige Busse bereit, die die Flüchtlinge abtransportieren sollten. Der Kommandeur mit dem Thorben am Tag zuvor gesprochen hat, stand am ersten Bus und wollte gerade anfangen die ersten einsteigen zu lassen. Er freute sich Thorben zu sehen, er dachte schon wir hätten es uns anders überlegt. Er machte mit Thorben ab, das wir uns die Leute rausfischen. Die würden denn noch einmal extra registriert werden, dass sie mit zu uns gehen.

      Der Kommandeur war ein großer, breiter, sehr durchtrainierter Marine Soldat mit einem Haarschnitt, der absolut perfekt geschnitten war. Er war schon älter, war aber durch und durch Soldat. Der erste Eindruck machte mir Angst. Er schien sehr korrekt zu sein und keine Fehler zu zulassen. Doch er war zu uns wirklich sehr freundlich. Bei seinen Untergebenen sah es anders aus. Die bekamen kurze und deutliche Anweisungen, die sie gefälligst ordnungsgemäß auszuführen hatten.

      Es war ein Tisch aufgestellt auf dem ein Computer stand, mit einem Kasten auf dem Fingerabdrücke gescannt werden. Jeder Flüchtling musste noch einmal seinen Namen sagen und seine Abdrücke abgeben. Nach ungefähr 15 Minuten war ein etwa 10 jähriger Junge an der Reihe. Er schien irgendwie ganz allein zu sein und Thorben fragte den Kommandeur, wo seine Eltern waren. Der Kommandeur sagte, das der Junge eins von 23 Kindern unter 15 Jahren sei, das ganz alleine hier angekommen war. Mein Magen zog sich zusammen und ich schaute Thorben hilfesuchend an. Thorben nickte mir zu und sagte dem Kommandeur, das wir, wenn es möglich wäre auch die Kinder mitnehmen möchten. In das Gespräch mischte sich ein Mann ein. Er stellte sich als ein Mitarbeiter des Jugendamtes vor. Er erklärte uns, dass es leider nicht möglich wäre, da die Kinder in die Obhut des Jugendamtes genommen werden. Ich fing an mit dem Mann zu diskutieren, dass diese Kinder ja zu meinem Volk gehören und was wir für die Kinder in den USA taten. Er schaute mich an und fragte ungläubig, ob ich Frau Berg sei. Ich war total verdutzt, das er meinen Namen kannte und er erzählte mir, dass unsere Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen weit über Texas hinaus bekannt wäre. Das wir auch mit extrem schwierigen Kindern zurechtkommen würden und das sich die Jugendheime und Ämter um einen Platz bei uns in den Ferien reißen würden. Er entschuldigte sich und ging telefonieren. Nach 10 Minuten kam er wieder und wollte meinen Ausweis sehen. Ich gab ihn ihm und er sagte seinem Gesprächspartner am Telefon, das ich wirklich Die Frau Berg bin. Er telefonierte noch einen Augenblick und sagte dann seinen 4 Kollegen, dass ich die Kinder mitnehmen dürfe. Die Unterlagen der Kinder würden an das Jugendamt in unserer Gemeinde übergeben werden. Er war bereit sich noch vor Ort um die Kinder zu kümmern bis alle Kinder durch waren und wir eine Möglichkeit gefunden hatten, die Kinder von dort weg zu bringen.

      Boris fing an zu telefonieren, um einen Bus organisieren. Leider dauerte es fast 2 Stunden bis er ein Busunternehmen gefunden hatte, das noch einen Bus zu Verfügung hatte und auch nach Texas fahren würde. In der Zwischenzeit rief ich Franky und Claire an. Ich erzählte ihnen, das wir 23 Kinder im Alter von 4-15 Jahren mitbringen würden und bat sie schon einmal

      Bungalows für die Kinder fertig zu machen. Franky erzählte, das sich schon einige unserer Freunde auf der Ranch eingefunden hätten, nachdem sie von der Flucht erfahren hatten. Sie wollten alle helfen. Justin, einer unser Ferienbetreuer war auch dabei. Wir hatten, als wir mit den Ferienkindern anfingen, mehrere Betreuer eingestellt und Justin, ein junger Mann der damals gerade sein Studium abgeschlossen hatte, war von Anfang an mit dabei. Er hatte sich schon gedacht, dass wir wenn es möglich ist, verwaiste Kinder mitbringen würden. Ich bat ihn zu versuchen, noch weitere Betreuer zu organisieren. Er sollte versuchen, Samanta zu erreichen. Samanta war auch seid Anfang an dabei und die Kinder liebten sie. Sie spielte Abends immer am Lagerfeuer Gitarre und sang dazu. Sie war zwar durch und durch ein Hippie und dazu noch Veganerin, aber wir kamen super mit ihr klar. Sie wollte eigentlich nach Europa in den Urlaub, aber ich hoffte, dass wir Glück hatten und sie sich doch noch in den USA befand und sie arbeiten konnte. Justin und die anderen versprachen ihr Möglichstes zu tun.

      Ich war sehr stolz auf unsere Freunde. Mich überkam ein Glücksgefühl, das ich schon ewig nicht mehr verspürt hatte, es war einfach toll solche Freunde zu haben. Franky, Claire und Justin waren zwar unsere Angestellten, aber sie sind auch welche von unseren besten Freunden.

      Ich ging wieder zurück zu Thorben und dem Kommandeur. Mittlerweile waren schon 2 Stunden vergangen, aber Thorben hatte noch niemanden von unseren Bekannten entdeckt. Mehrere Busse waren schon voll besetzt abgefahren und einige schon wieder leer zurück. Wir hatten aber immer noch Hoffnung. Es waren noch so viele Menschen am Strand. Nicht nur viele Flüchtlinge, da waren Polizisten, Soldaten, Ärzte oder Bürger die versuchten, die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Nur bei dem Kommandeur war es etwas ruhiger. Die Flüchtlinge wurden durch einen Schlauch aus Gitterzäunen zum Tisch des Kommandeurs geleitet. Da wurden sie noch einmal registriert und dann sofort in den bereitgestellten Bus gebracht. Mit jedem Bus wurden 2 Soldaten mitgeschickt, um Fluchtversuche zu vermeiden. Die Kinder wurden gleich raus genommen und an den Herren und seine Kollegen vom Jugendamt übergeben.

      Ich unterhielt mich mit Boris, Thorben und Lydia, als neben uns am Tisch, ein Mädchen das ungefähr so alt wie Bjarne war, ihren Namen sagte. Ich drehte mich zu ihr um und fragte sie, ob sie Andreas Groth kennt. Andreas Groth hatte ich vor über 20 Jahren auf der Beerdigung eines Freundes kennengelernt und wir hatten uns angefreundet. Der Kontakt hatte sich aber nachdem ich ein paar Orte weitergezogen war, hauptsächlich auf Facebook beschränkt. Neben der Lütten tauchte eine Frau auf, sie kam mir bekannt vor, aber sie war total dreckig, ihre Kleidung zerrissen, ihre schulterlangen offenbar braunen Haare waren total verfilzt und fettig und sie sah völlig fertig und verheult aus. Das ist mein Mann, sagte sie. Jetzt erkannte ich sie wieder, es war Andreas damalige Freundin Nicole, die er vor ein paar Jahren geheiratet hat. Ich fragte sie, ob er nicht mit sei. Sie erklärte mir unter Tränen, das sie ihn und die große Tochter, nach dem Sturm in der letzten Nacht auf See nicht wieder gefunden haben. Andreas sei mit Gina auf Deck gegangen, da sie sich übergeben musste. Als der Sturm sich gelegt hatte, wurden sie gleich von der Küstenwache an den Strand gebracht. Seid sie am Strand waren hatten sie Andreas und Gina gesucht, aber bei den vielen Menschen nicht gefunden. Thorben fragte den Kommandeur, ob Andreas oder Gina Groth schon durchgekommen wären. Der schaute kurz nach und konnte zu unserer Erleichterung feststellen, dass sie noch nicht mit durch waren. Wir sagten ihm, dass Nicole und ihre Tochter schon einmal auf unsere Liste kommen. Wir erklärten Nicole kurz was nun passieren würde. Sie fing an zu weinen und fiel mir vor Erleichterung um den Hals. Lydia fuhr mit den Beiden in den Ort, um ihnen frische Kleidung und etwas zu essen zu kaufen und das die Beiden sich duschen konnten.

      Ein paar Minuten später nahm der Kommandeur einen dringenden Funkspruch entgegen. 200 Kilometer nördlich war noch ein Schiff auf den Weg an die Küste. Es wurde abgefangen und in unsere Richtung gelotst. Auf dem Schiff sollten sich noch einmal um die 2500 Menschen befinden. Der Kommandeur gab Befehle und ein großer Strandabschnitt wurde neu abgezäunt. Dann wurde ein Toilettencontainer auf den Abschnitt des Strandes gefahren. Da noch niemand sagen konnte, ob das Schiff das nun auf dem Weg war, Strahlungen ausgesetzt war. Ein paar Minuten bevor das Schiff an dem Küstenabschnitt eintraf, zogen sich einige der Soldaten und Ärzte Vollschutzanzüge an. Eine Waschanlage wurde zu dem Abschnitt gebracht und aufgebaut. Es war eine Waschanlage für Strahlungsopfer. Die Boote die von der Küstenwache an das Schiff ranfuhren, waren mit Leuten besetzt die auch solche Anzüge trugen. Der Kommandeur hatte ein Fernglas und schaute zu dem Schiff das jetzt in Sichtweite war. Die Boote der Küstenwache legten am Schiff