Heike Möller

Auch Vampire brauchen Liebe


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Nicole heraus. Einige der Anwesenden kicherten.

      Jannik war zu Nicole geeilt und rückte ihr den Stuhl zurecht. Adolar bemerkte es und runzelte kurz die Stirn. Der junge Mann ignorierte ihn.

      Als sie saßen – Jannik hatte sich neben Nicole gesetzt – erfassten sich alle an den Händen und senkten den Kopf zum Gebet.

      „Herr, wir danken dir für deine Gaben und nehmen sie in Demut an. Amen.“ Adolar Cernýs Stimme war ruhig und sanft, seine Augen geschlossen.

      >Irgendwie passt das alles nicht in mein Weltbild! Ich muss meine Gehirnschubladen gründlich aufräumen.< Nicole bemerkte Janniks Grinsen nicht. >Ein Graf, der mit seinen Dienern speist, lässig in Jeans und T-Shirt herumläuft und die Köchin beinahe intim herzt!< Nicole schüttelte sich die Gedanken aus dem Kopf und langte tüchtig zu. Sie hatte einen Bärenhunger und die Speisen sahen und rochen sehr lecker.

      Und sie schmeckten auch, wie sie aussahen und rochen.

      „Magda, Sie sind ein Genie! Das ist absolut … unbeschreiblich!“ Nicole wollte eigentlich `oberaffengeil´ sagen, besann sich aber noch rechtzeitig und wählte das salonfähigere Wort.

      „Danke, Herzchen!“ Magda freute sich sichtlich über das Kompliment.

      Während des Essens stellten sich die anderen anwesenden Nicole vor. Domek, Andres und Magda kannte sie nun schon. Es gab noch die beiden Gärtner, Peter und Paul – Nicole musste bei der Namensverbindung sich ein weiteres Mal das Grinsen verkneifen -, vier Zimmermädchen namens Regina, Natascha, Sonja und Regula und vier Hausdiener, Antonin, Bratislav, Viktor und Daniel.

      Tomek war für die Autos und die Garage zuständig, fungierte auch als Chauffeur. Stanislav Nummer Eins hatte seinen Zuständigkeitsbereich in der Instandhaltung aller elektrischen Geräte und Leitungen sowie für die Wasserinstallationen. Stanislav Nummer Zwei war Hilfskoch, der Mann, der vorhin die Kartoffeln in eine Schüssel gekippte hatte. Irka und Jarmila halfen ebenfalls in der Küche.

      Kornel war der Jäger. Das angrenzende Waldgebiet bis zum Dorf gehörte noch zur Burg und Kornel war dafür verantwortlich.

      „Sie sollten Ihren Hund im Wald immer an der Leine halten, Frau Sanders“, riet der Jäger ihr. Nicole nickte nur, dass sie nicht mit vollem Mund antworten wollte. „Bleiben Sie möglichst auf den Pfaden. In letzter Zeit habe ich etwas tiefer im Wald die Spur eines Braunbären gesehen.“

      „Ein Bär?“ Adolar horchte auf. Sein Jagdtrieb meldete sich und er versuchte ihn zu unterdrücken.

      Jannik bemerkte es. „Wie nah ist er?“, fragte er Kornel und beobachtete Adolar intensiv.

      „Eher am Rand unseres Gebietes. Bisher hat er keine Bewegung in Richtung Burg oder Dorf gezeigt. Aber ich halte die Augen offen.“

      „In Richtung Hexenstuhl?“, wollte Adolar wissen.

      „Nein, die andere Seite“, antwortete Kornel.

      „Hexenstuhl?“ Nicole war neugierig.

      „Eine Anlage mit Dolmen, drei Kilometer nordwestlich von hier. Die Bezeichnung Hexenstuhl stammt noch aus dem Mittelalter, als die Menschen dieser Gegend noch sehr stark abergläubisch waren.“ Adolar steckte sich grünen Spargel in den Mund und genoss den Geschmack.

      „Woher können Sie eigentlich so gut tschechisch?“, fragte Jannik.

      Nicole schluckte schnell den Bissen herunter, da sie nicht mit vollem Mund antworten wollte. „Meine Oma mütterlicherseits kam aus Brünn. Der Liebe wegen ist sie dann nach Deutschland gezogen.“

      „Das ist aber auch der einzige gute Grund, das schöne Tschechien zu verlassen“, meinte Magda gutgelaunt und grinste.

      Nicole lächelte die Frau an. Sie mochte die unverblümte Art der Köchin.

      „Und Ihre Oma hat Ihnen tschechisch beigebracht?“ Jannik versuchte, die Konversation am Laufen zu halten. Er mochte die heisere, leicht raue Stimme der Deutschen neben ihm.

      „Ja. Sie hat mir auch viel von ihrer Heimat erzählt. Omi hatte bis zu ihrem Tod Heimweh, aber sie hat Tschechien nie wieder betreten. Sie sagte einmal, wenn man sich für etwas entschieden hat, soll man dem, was man hinter sich gelassen hat, nicht nachtrauern.“

      „Die Dame war eine weise Frau.“ Adolar hatte aufmerksam zugehört. „Waren Sie schon mal hier?“

      „Nein, leider noch nie. Aber ich bin sehr froh hier zu sein. Und sehr neugierig auf das Land meiner Oma.“

      „Damit fangen wir morgen gleich an. Jedenfalls mit der näheren Umgebung.“ Jannik nuschelte etwas, da er nicht ganz runter geschluckt hatte.

      Fragend sah Nicole Jannik an.

      „Was mein Cousin meint, ist, dass wir beide Ihnen am Wochenende die Burg und die nähere Umgebung zeigen werden, damit sie sich zurechtfinden, wenn er und ich innerhalb der Woche in Prag im Büro sind.“ Adolar funkelte Jannik leicht an, was dieser mit einer fragend hochgezogenen Braue quittierte. >Nimm ´doch bitte das nächste Mal das ganze Stück Fleisch in den Mund. Frau Sanders findet es bestimmt toll, wenn sie Bröckchen von deinem Essen ins Gesicht bekommt!<, tadelte Adolar.

      Jannik verschluckte sich vor Schreck und hustete. Einem Reflex nachkommend klopfte Nicole dem Mann dreimal auf den Rücken, bis sie ihrem Faux-Pass bemerkte. „Entschuldigung, Herr Cerný. Zuhause musste ich das immer bei meinem kleinen Bruder machen. Angewohnheit.“

      „Schon gut. Hat doch geholfen! Und Sie müssen hier nicht so überaus förmlich und leisetreterisch sein. Wenn wir hier auf der Burg nicht gerade einen Empfang geben oder Gäste aus aller Welt erwarten, geht es hier eher familiär zu.“

      Jannik lächelte sie offen an und seine braunen Augen strahlten.

      >Leisetreterisch? Erfindest du jetzt auch schon neue Wörter?<

      >Das nennt man Small-Talk, du Bremser!<

      >Für mich sieht das nach einer billigen Anmache aus!<

      >Solltest du auch mal probieren, Opa!<

      Adolar hatte sein Weinglas gerade an die Lippen gesetzt, als Jannik diesen Gedanken schickte. Bei der Betitelung `Opa´ verschluckte sich Adolar und er presste sich rasch die Serviette vor dem Mund. Er hatte schon Angst, dass Nicole aufspringen und ihm auf dem Rücken klopfen würde, aber er sah, dass sie ihn lediglich mit besorgtem Blick ansah.

      >Verschlucken muss wohl auch in der Familie liegen<, dachte sie sich und schob sich erneut eine Gabel mit Zuchinistückchen in den Mund.

      Nachdem Adolar sich wieder gefangen hatte und er Janniks breites Grinsen zu ignorieren versuchte, wendete er sich wieder an Nicole.

      „Es war für Magda übrigens sehr hilfreich, dass Sie uns gemailt haben, was Sie nicht essen. Die Liste war ja erstaunlich kurz.“

      Verwirrt blickte Nicole zu Adolar. „Wieso?“

      „Die meisten Frauen würden doch heutzutage auf fettreduzierte und fleischlose Nahrung bestehen. Sie haben lediglich geschrieben >Bitte keine Innereien und keine Haselnüsse<. Das ist leicht.“

      „Nun, Innereien mag ich einfach nicht und gegen Haselnüsse bin ich allergisch. Das einzige Nahrungsmittel, gegen das ich allergisch bin. Dem Himmel sei Dank!“

      Nun war es an Adolar, verwirrt zu Nicole zu blicken. „Warum `dem Himmel sei Dank´?“

      „Stellen Sie sich bitte mal vor, ich reagiere allergisch auf irgendetwas, was Magda zaubert. Das wäre einfach nicht gerecht!“

      „Ach, Kindchen! Sie sind Gold wert!“, zwitscherte Magda und tupfte sich eine Träne mit der Serviette ab.

      Nicole freute sich, Magda eine Freude bereitet zu haben und lächelte breit. Kurz sah sie zu ihrem neuen Arbeitgeber hinüber und registrierte, dass er sie mit leicht gerunzelter Stirn beobachtete.

      >Ob ich was Falsches gesagt oder getan habe?<, fragte sie sich und konzentrierte