Heike Möller

Auch Vampire brauchen Liebe


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in dich gefahren ist, Muckel. Was sollte das eben, häh?“

      Pumuckel winselte leise und spähte durch den Tierfänger nach vorn zu seinem Frauchen.

      „Wir sind gleich da, mein Süßer. Dann kannst du dir bestimmt noch ein wenig die Beine vertreten.“

      Jannik stieg in den Mercedes, während er Adolars Handynummer wählte. Er schnallte sich nicht an, sondern startete den Motor und schaltete das Licht an.

      „Was gibt es, Jan?“

      „Ich habe gerade unseren deutschen Gast kennen gelernt. Ich bringe sie mit, Addi.“

      „Sehr schön. Und? Was macht sie für einen Eindruck? Wirkt sie kompetent?“

      Jannik zog die Stirn kraus. „Das weiß ich doch nicht! Ich habe sie gebeten, erst einmal ihren Hund im Auto zu lassen, bis du sie begrüßt hast. Der Köter hat durch die Scheibe erkannt, was ich bin. Du musst dein ganzes Können anwenden den, um den Hund zu überzeugen, dass wir nette Vampire sind!“

      Kurzes Schweigen. „Ich mache das schon, Jan. Was ist nun mit Frau Sanders? Welchen Eindruck hast du von ihr?“

      „Ach, ich weiß nicht. Irgendwie …. Keine Ahnung.“

      „Jannik, du hältst dich doch sonst nie mit Kommentaren zurück. Was ist los?“

      Das Adolar seinen kompletten Vornamen aussprach, ließ Jannik die Stirn runzeln. Das tat der Ältere nur, wenn der Jüngere entweder wieder mal Mist gebaut hatte oder ein ernsthaftes Geschäftsgespräch anlag. Jetzt klang Adolars Stimme beunruhigt.

      „Addi, Premiere! Das erste Mal, dass ich dir eine Frau nicht beschreiben kann. Sieh sie dir an und bilde dir dein eigenes Urteil.“

      Er unterbrach das Gespräch und fuhr los. Im Rückspiegel konnte er sehen, dass Nicole Sanders ihm folgte. Kurz dachte er an den einladenden Po der Frau und fragte sich, wie sie wohl nackt aussehen würde. Energisch schüttelte er den Kopf.

      Nicole kurbelte die Fensterscheibe ihres Kombis herunter und atmete tief die würzige Frühlingsluft ein. Pumuckel winselte leise.

      „Was ist denn, Muckel. Musst du Gassi?“ Nicole rechnete kurz nach. Vor drei Stunden hatte sie eine größere Pause gemacht, damit der Hund etwas Auslauf hatte. Pumuckel war sehr geduldig, konnte lange still an einem Ort liegen.

      „Daran kann es also nicht liegen“, schloss Nicole und grübelte. Dabei tauchte immer wieder das hübsche Gesicht von Jannik Cerný vor ihrem inneren Auge auf. Die braunen Augen, die blonden Locken, die unglaublich weißen und geraden Zähne. Und das kleine Grübchen im linken Mundwinkel, wenn er lächelte.

      „Ich muss zugeben, der Kerl sieht gut aus. Aber ich glaube, das weiß er auch. Oder was meinst du, Muckel?“

      Der Hund schnaubte verächtlich und winselte dann wieder leise.

      Sie folgte dem Mercedes auf einer beidseitig dicht bewaldeten Straße, auf der gerade mal zwei Autos nebeneinander Platz hatten, wenn sie vorsichtig aneinander vorbeifuhren. Nicole wollte sich lieber nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ein Lastwagen oder Reisebus entgegenkommen würde.

      Plötzlich hörte der Wald auf und auf einer Anhöhe lag die Burg.

      Nicole Unterkiefer klappte herunter. „Wow! In Natura ist sie viel schöner als auf den Bildern!“

      Massive Mauern umschlossen mehrere Türme und Gebäude. Ein großes offenes Tor mit Zugbrücke, deren Ketten in einwandfreiem Zustand waren, lud zum Näherkommen ein. Teilweise rankten Efeu und Knöterich an der Mauer entlang.

      Als Nicole über die Zugbrücke fuhr sah sie, dass der Graben um die Burg herum mit fließendem Gewässer gefüllt war.

      „Offensichtlich muss es hier eine Quelle oder so etwas geben“, murmelte sie.

      Im Torbogen entfuhr ihr der nächste anerkennende Laut. Die Torwand war so dick, dass ihr Volvo anderthalb mal hintereinander reingepasst hätte.

      >Kein Wunder, das die Burg in eintausend Jahren von niemanden erobert wurde!<

      Der Mercedes vor ihr fuhr leicht nach links, als sie den Innenhof erreichten, also folgte Nicole ihm.

      „Noch mal Wow!“

      Der Innenhof war riesig. Modern gepflastert und mit Blumenkübel arrangiert, die ein harmonisches Gesamtbild verströmten. Der Mercedes hielt jetzt vor den ehemaligen Stallungen, die längst zu einer riesigen Garage umgebaut worden waren. Das Tor zu der Garage war offen und Nicole erkannte kurz einen Maybach.

      „Wie reich ist der Typ?“, fragte sie und merkte, wie Komplexe in ihr hochstiegen. „Ach, verdammt. Was soll’s? Beim Essen und auf Klo sind alle Men­schen gleich!“ Nicole hielt den Volvo einige Meter hinter Jannik Cernýs Wagen an und machte ihn aus.

      Pumuckel fing zu knurren an. „Sei still!“ Ihre Stimme war schärfer als sonst und der Wolfshund verstummte. Nicole kurbelte das Fenster hoch und stieg aus. In dem Dämmerlicht war nicht mehr all zu viel zu erkennen, aber das was sie sah, imponierte ihr ungemein.

      Die Mauern der Gebäude und die Fenster waren in sehr gutem und gepflegtem Zustand. Gegenüber der Garage am anderen Ende des Innenhofs stand ein alter, großer Brunnen mit einem Holzgiebeldach über dem Gewinde. Dahinter befand sich der größte und dickste Turm des ganzen Komplexes, ein wehrhaftes Bauwerk, dick mit Efeu überwuchert. Die Dächer der Gebäude waren noch nicht alt und leuchteten in der Abendsonne rötlich.

      „Und? Wie finden Sie unser bescheidenes Zuhause?“ Jannik war leise hinter sie getreten. Seine leise und warme Stimme verursachte bei Nicole eine kleine Gänsehaut am Rücken.

      „Bescheiden, häh? Wie sieht dann dekadent aus?“ Der Satz war raus, bevor sie es verhindern konnte. Rasch schlug sie ihre Hand vor den Mund und blickte den Tschechen erschrocken an.

      Jannik sah verblüfft zu Nicole, dann fing er an zu lachen. „Sie sagen wohl immer, was Sie denken, oder?“

      „Tut mir leid, Herr Cerný“, sagte sie zerknirscht. „Ich kann meine Zunge manchmal nicht im Zaum halten. Es war nicht so gemeint, wie es vielleicht geklungen hat. Entschuldigung.“

      Er lachte noch immer. „Ich finde Ihre Offenheit erfrischend. Die meisten überlegen sich erstmal minutenlang was sie sagen sollen. Was dann heraus kommt, ist bestenfalls geschmeichelt, aber selten die Wahrheit. Wahrheit wiederum kann unbequem sein. Deswegen vermeiden die meisten Menschen die Konfrontation und verstecken sich hinter Höflichkeiten.“

      Nicole hätte von dem jungen Mann nicht erwartet, dass er eine philosophische Weisheit besitzt und sie auch noch äußert.

      „Ich bin beeindruckt“, sagte sie und lächelte Jannik an.

      „Vielen Dank.“ Er lächelte charmant zurück.

      Pumuckel knurrte wieder im Auto. „Ich möchte wirklich wissen, was in ihm gefahren ist. Ich werde nachher erstmal mit ihm eine Runde um die Burg machen.“

      „Tun Sie das, Nicole. Aber warten Sie, bis Adolar sein Mojo angewendet hat, um Pumuckel willkommen zu heißen.“

      Nicole starrte Jannik an. „Sein was?“

      „Sein Mojo! Sie wissen schon. So eine Gabe, die ihn befähigt, Einfluss zu haben auf einfache Gemüter wie bei Hunden und Katzen.“

      Um Nicoles Mundwinkel zuckte es, aber sie beherrschte sich. „Mojo!“

      „Ja.“

      „Sie meinen also, Graf Cerný hat telepathische oder empathische Fähigkeiten, die Anderen in gewisser Weise seinen Willen aufzwingen?“

      Jannik wurde plötzlich nervös. Die Frau war wirklich klug. Er musste zukünftig aufpassen, was er in ihrer Gegenwart sagte. „Ja.“

      „Und Sie nennen das Mojo?“ Die Mundwinkel zuckten wieder und erste Lachfältchen bildeten sich neben ihren Augen.

      „Ja“, sagte er jetzt zögernd. „Warum?“

      Nicole