Heike Möller

Auch Vampire brauchen Liebe


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Dann fühle ich mich wie achtzig.“

      Überrascht sah Domek die junge Frau aus Deutschland an, dann seinen Herrn. „Aber ….“

      „Bitte, Domek. Ich bin hier, um für Herrn Cerný zu arbeiten. Das macht uns beide doch gewissermaßen zu Kollegen. Ich würde es als unpassend empfinden, von Ihnen als gnädige Frau angesprochen zu werden.“

      >Ist sie nicht anbetungswürdig?<

      >Halt die Klappe, Jannik!<

      Domek lächelte Nicole an. „Einverstanden.“

      Adolar fiel die Kinnlade herunter. In all den Jahren hatte er es nicht geschafft, seinem Majordomus dazu zu bewegen, dass er ihn nicht mit seinem Titel ansprach.

      „Dürfen wir Ihr Gepäck nehmen und zu Ihren Gemächern bringen, Frau Sanders?“ Domek deutete auf die zwei Angestellten, die ebenfalls breit grinsend hinter ihm standen.

      „Ja, gern. Vielen Dank, Domek.“ Nicole ging zu der hinteren Tür auf der Beifahrerseite. Pumuckel hatte sich etwas beruhigt, bellte nicht mehr. Aber seine Körperhaltung sprach Bände. Er starrte die beiden Cernýs an und knurrte leise.

      „Aus!“ Pumuckel hörte mit dem Knurren sofort auf, aber seine angespannte Haltung behielt er bei.

      „Sagten Sie gerade Gemächer? Plural?“ Nicole blickte fragend in Domeks Gesicht, dann in Adolars.

      „Nun, Sie sind etwa drei Monate hier. Und ich dachte, Sie sollten es so bequem wie möglich haben.“ Adolar freute sich über die Überraschung in Nicoles Gesicht.

      „Ähm,… danke!“

      „Sie haben die Räume doch noch gar nicht gesehen!“ Er fand seinen Einwand durchaus berechtigt. Jannik stand daneben und grinste immer noch.

      „Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass mir die Räume nicht gefallen, Herr Cerný. Ich bin relativ anspruchslos. Ein Bett und ein Schrank genügen mir im Allgemeinen.“

      „Ein wenig mehr steht schon darin!“, schmunzelte Adolar.

      Domek und die zwei Angestellten holten zwei Koffer und eine Reisetasche aus dem Auto. Als Domek den Rucksack greifen wollte, sah er Nicole fragend an.

      „Mehr Gepäck haben Sie nicht?“

      Nicole wollte schon sagen: `Ich will ja nicht ewig hier wohnen!´, verkniff sich den Satz allerdings in letzter Sekunde. „Nein, das ist alles, was ich brauche. Seien Sie bitte vorsichtig mit dem Rucksack. Da ist mein Notebook drin und anderer technischer Kram.“

      „Selbstverständlich, gnäd …. Frau Sanders.“

      Nicole lächelte den Majordomus breit an. Sie beschloss, den Mann zu mögen.

      Adolar Cerný betrachtete sich Nicole jetzt näher. Sie war gut zehn Zentimeter kleiner als er und schlank, aber nicht mager. Hüfte und Po waren weiblich gerundet, eine kleine Wölbung des Bauches verriet ihm, dass sie nicht unter dem Schlankheitswahn der meisten Frauen litt. Der Busen war voll, aber nicht üppig.

      >Und er ist echt, wenn meine Beobachtung stimmt!< Jannik hatte Adolars Gedankengänge die ganze Zeit gehört und konnte sich eine Bemerkung jetzt nicht verkneifen.

      >Sie ist tabu!<

      >Für dich auch?<

      Überrascht sah Adolar Jannik an. >Selbstverständlich! Ich nähre mich nicht an den Gästen!<

      >Ich rede doch nicht vom Nähren. Sie ist auch in anderer Hinsicht ….<

      >Nein!< Damit war die Sache für Adolar erledigt und er verschloss seine Gedanken vor Jannik. „Wollen wir uns jetzt um Ihren Hund kümmern?“, fragte er stattdessen seine neue Angestellte auf Zeit.

      „Gern. Ich lege ihm nur die Leine an, vorsichtshalber. Wie ich schon sagte, er ist sonst nicht feindselig.“ Adolar und Jannik traten ein wenig zurück, bevor Nicole die Heckklappe öffnete.

      „Sitz, Pumuckel“, sagte sie knapp und der Hund gehorchte, wendete aber seinen Blick nicht von den beiden Männern. Ruhig öffnete Nicole die Heckklappe und leinte den Hund mit einer einzigen fließenden Bewegung an.

      „Fuß!“ Nicole ging einen Schritt zur Seite und forderte somit den Hund auf, den Wagen zu verlassen.

      Pumuckel stand auf und blickte weiterhin zu den Männern. Langsam ließ er sich von der Ladefläche auf den gepflasterten Innenhof gleiten. Als er sich aufrichtete, erreichte er eine Schulterhöhe von über neunzig Zentimeter, was auch für einen Hund seiner Rasse sehr groß war. Nicole wirkte dadurch neben ihm winzig klein.

      Sanft streichelte Nicole Sanders den großen Kopf des Wolfshundes und kraulte ihn hinter dem linken Ohr. Pumuckel drückte seinen Kopf liebevoll gegen die Hand seines Menschen, beobachtete aber weiter die Cernýs.

      „Bleib, wo du bist, Jan“, flüsterte Adolar kaum hörbar. Er brauchte keine Bestätigung um zu wissen, dass der Jüngere ihm gehorchen würde. Dann holte er kurz Luft und machte langsam einen Schritt auf den Hund zu. Er versuchte Augenkontakt mit dem Tier herzustellen. Pumuckel sah seinen natürlichen Feind argwöhnisch an. Es irritierte ihn, dass sein Mensch die Gefahr, die von den beiden Männern ausging, nicht bemerkte.

      Adolar hockte sich langsam hin, ließ seine Arme locker an den Seiten herunter hängen. Sanft drang er in die Gedankenwelt des Tieres ein. In Bildern zeigte er dem Wolfshund, dass sein Frauchen nichts von ihm oder Jannik zu befürchten hatte. Wie in Piktogrammen zeichnete er Bilder in Gedanken.

      Nicole Sanders mit einem dicken Kreuz und sich und Jannik daneben, als Vampire. Abgewendet.

      Die meisten Hunde waren eingeschüchtert, wenn er eine Gedanken-Bilder-Verbindung mit ihnen aufnahm. Nicht so Pumuckel. Der Wolfshund war ein geborener Jäger, der auf einen anderen Jäger traf. Pumuckel hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Menschen zu beschützen, und der andere Jäger konnte seinem Menschen gefährlich werden. Er machte dem Vampir klar, was er mit ihm anstellen würde, wenn Adolar sich seinem Menschen mit entblößten Zähnen auch nur nähern würde. Adolar sah sehr deutlich die Zähne des Hundes in seinem Hals vergraben. Wenn der Hund es richtig machen würde, konnte er ihn sogar töten.

      Der Vampir schickte dem Hund Piktogramme, das, falls sich Adolar oder Jannik an Nicole nähren sollten, Pumuckel genau das machen durfte, was er ihm gezeigt hatte.

      Es war ein gegenseitiges Versprechen.

      Nicole Sanders sah fasziniert zu, wie der Graf eine Nonverbale Kommunikation mit ihrem Hund führte. Sie spürte, wie Pumuckel sich allmählich entspannte, ohne in seiner Wachsamkeit nachzulassen.

      Sie betrachtete ihren neuen Arbeitgeber. Das Gesicht war ruhig und entspannt, der Blick jedoch hochkonzentriert. Offensichtlich strengte es ihn an, was auch immer da vor sich ging, denn Schweißflecken bildeten sich auf dem weißen Hemd unter den Achselhöhlen und Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. An dem kleinen Finger der linken Hand entdeckte Nicole einen Siegelring mit dem Wappen der Cernýs. Dieser Ring musste schon sehr alt sein, denn das Wappen war nur noch schemenhaft zu erkennen. Die Hände selbst waren schmal und die Finger lang und zartgliedrig.

      >Wie bei einem Klavierspieler.<

      „Frieden?“, fragte Adolar jetzt den Hund mit seiner sanften und warmen Stimme. Nicole konnte sich nicht vorstellen, dass der Mann jemals laut oder böse klingen konnte.

      Pumuckel machte einen Schritt auf Adolar zu, verharrte dann aber und sah zu Nicole hoch. Adolar streckte vorsichtig seine Hand nach ihm aus und Pumuckel streckte seinen klobigen Kopf in seine Richtung. Als die beiden nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren, schnupperte Pumuckel intensiv an der Hand des anderen Jägers. Dann schnaubte er und beendete seine Interessenbekundung.

      „Ich glaube, wir haben einen Patt“, ließ sich Adolar vernehmen. Seine Stimme klang etwas erschöpft und rau, aber auch zufrieden.

      Jannik atmete jetzt hörbar aus. Er hatte schon befürchtet, dass das große Tier sich von der Frau losreißen und über Adolar herfallen