Heike Möller

Auch Vampire brauchen Liebe


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      Langsam richtete sich Adolar auf. Sein Rücken war klitschnass geschwitzt und ihm war etwas schwindlig. Er hatte das dringende Bedürfnis unter seine Dusche zu steigen. „Pumuckel und ich sind zwar nicht gerade das, was man beste Freunde nennt, aber ich denke, wir sind in Friedensverhandlungen.“

      Nicole grinste den Grafen kurz an. „Sondra erwähnte bereits, dass Sie Diplomat sind. Wenn Sie die Fähigkeit auch bei Menschen einsetzen könnten, würde es vielleicht keinen Krieg mehr in der Welt geben.“

      „Das ist ein durchaus schöner Gedanke, den man vielleicht vertiefen sollte“, bemerkte Jannik.

      Kapitel 5: Erste Eindrücke

      Eine halbe Stunde später kam Nicole Sanders mit Pumuckel in die Burg zurück. Einer der beiden Angestellten, der mit Domek zusammen die Koffer in ihre Gemächer getragen hatte, hatte sie bei der Tour begleitet und ihr einen sicheren Pfad in der Nähe der Burg gezeigt. Andres, so hieß der junge Mann, führte sie dann noch in ihre Gemächer, da sie nicht wusste, wo sie lagen.

      Als Nicole durch den Haupteingang in das Haupthaus der Burg trat, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Die Vorhalle war hoch, die Wände in Weiß getüncht, die Holzbalken dunkelbraun lasiert. An einigen Stellen war nicht weiß übergestrichen worden, sonder ein altes Fresko war freigelegt und restauriert worden. Neben der Haupttreppe und an verschiedenen anderen Positionen standen Ritterrüstungen und Körperpanzerungen der unterschiedlichsten Epochen. An der linken Wand hing von kurz unter der Decke bis einem Meter über dem Boden und fast über die ganze Breite der Wand ein riesiger Gobelin. Nicole erkannte, dass auch er vor kurzem restauriert worden sein musste.

      Sie stieg mit Andres die Treppe zum Westflügel hinauf. Überall hingen Waffen vergangener Zeiten: Streitäxte, Morgensterne, Schwerter und Dolche. Eine Armbrust und verschiedene Bögen mit Pfeilen und Köcher. Nahe der Treppe kam ein langer und breiter Korridor. Auf der einen Seite waren Fenster, die zum Innenhof lagen. Auf der anderen waren in unregelmäßigen Abständen Türen, die offensichtlich zu verschiedenen Zimmern führten. Zwischen den Türen hingen Gemälde, Zeugnisse der Herrschaft vergangener Zeiten.

      Nicole hatte das Gefühl, in ein anderes Jahrhundert eingetaucht zu sein.

      „Andres, wo kann ich eigentlich Pumuckel füttern? Ich meine, wo kann ich seinen Fressnapf hinstellen, ohne das es stört?“

      „In der Küche, Frau Sanders. Die Küche ist groß und er wird dort bestimmt nicht stören. Wir essen übrigens in zwanzig Minuten im Gemeinschaftszimmer neben der Küche. Ich hole Sie ab, wenn Sie möchten.“

      „Sehr gern.“

      Sie waren vor der vierten Tür dieses Korridors stehen geblieben und Andres öffnete die Tür. „Der Schlüssel steckt innen. Es steht Ihnen völlig frei abzuschließen, wenn Sie Ihre Gemächer verlassen, aber es wird nicht nötig sein. Wir erwarten erst zum Sommerfest weitere Gäste und sind hier im Allgemeinen unter uns.“

      Nicole betrat den Raum und vergaß, was sie dem Mann antworten wollte.

      „Das Schlafzimmer ist links und das Bad ist gleich mit angeschlossen.“

      „Hhm? Danke“, hauchte Nicole.

      Sie betrat den Wohnbereich ihres neuen Domizils. Eine cremefarbene Couch, daneben ein Sessel und ein gepolsterter Fußhocker mit gleicher Farbe. Der Couchtisch war aus dunklem Mahagoni, ebenso die kleine Schrankwand, in der der Fernseher und die Ministereoanlage integriert waren. An der rechten Seite stand eine kleine Kommode, ebenfalls aus Mahagoni.

      Der Fußboden war aus Parkett. Unter dem Couchtisch lag ein cremefarbener Flokati, passend zur Couch. Zwischen den beiden hohen Fenstern, die von luftigen weißen Gardinen mit cremefarbenen Vorhängen behangen waren, stand ein kleiner Sekretär mit einem Stuhl aus Mahagoni und cremefarbener Polsterung.

      Der Sekretär war ebenfalls aus Mahagoni. Briefbögen und Kuverts lagen in den Fächern, ebenso einige Schreibgeräte, unter anderem ein Füllfederhalter von Mont Blanc.

      Nicole ächzte. „Das ist wunderschön!“, hauchte sie und drehte sich zur Tür um. Andres war schon gegangen und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Pumuckel, dessen Leine lose über seinen Rücken lag, nahm schnüffelnd die Inspektion der Räume auf.

      Nicole ging zu der weiß lackierten Tür auf der linken Seite und öffnete sie langsam. Wieder schaffte sie es nur, ein Stöhnen von sich zu geben.

      In der Mitte des Raumes stand ein großes Himmelbett. Der Metallrahmen war weiß lackiert und mit goldfarbenen Ornamenten abgesetzt. Der Himmel bestand aus durchscheinendem dunkelblauem Stoff und die Bettwäsche war ebenfalls dunkelblau, mit Silber verziert. Der Kleiderschrank war wie das Bett weiß mit Gold abgesetzt und hatte viel Stauraum. In der linken hinteren Ecke stand ein mannshoher Spiegel, ebenfalls mit weißem Rahmen. Das große Fenster hatte eine bodenlange Gardine und eine Übergardine, die in dunkelblau gehalten war.

      Nicole wusste nicht, wie lange sie dagestanden und fassungslos gestarrt hatte. „Ich muss mich ja noch frisch machen!“, rief sie und öffnete schnell die Reisetasche, die auf dem Bett lag, holte ihren Kulturbeutel und ein frisches T-Shirt heraus. Dann sprintete sie zu der Tür, von der sie annahm, dass sie sie ins Badezimmer führen würde und öffnete sie.

      „Ich muss träumen!“

      Cremefarbene Fliesen aus hochwertigem Marmor bedeckten den Boden und die Wände. Die Wanne war mit terrakotta-farbenen Mosaikfliesen in verschiedenen Tönungen bedeckt. Die kleine Dusche war ebenerdig und das Handwaschbecken höhenverstellbar. Alle Armaturen waren in Porzellanweiß mit goldenen Beschlägen. Ein kleines, weißes Rattanregal beherbergte einige Handtücher verschiedener Größen und eine kleine Auswahl an Dusch- und Badezusätzen.

      „Ich bin im Himmel!“

      Schnell riss sie sich von dem Anblick los, zog ihr Poloshirt aus, nahm ihr Halstuch ab und öffnete ihren Kulturbeutel. Mit unglaublicher Geschwindigkeit wusch sie sich über der Badewanne, nahm eines der frischen und unheimlich weichen Handtücher und trocknete sich ab. Mit einer einzigen flüssigen Bewegung zog sie ihr weißes T-Shirt mit den blauen tropfenförmigen Applikationen an und bürstete die Haare, während sie zu einem der Koffer ging. Schnell öffnete sie ihn, nahm ein paar T-Shirts heraus und legte sie einfach auf das Bett. Darunter kamen mehrere Halstücher verschiedener Größen, Formen und Farben zum Vorschein. Nicole wählte ein einfaches weißes aus Seide und faltete es rasch zusammen, während sie zurück ins Badezimmer ging. Vor dem Spiegel über dem Waschbecken legte sie sich das Tuch um den Hals und verharrte einen Moment. Nachdenklich fiel ihr Blick auf die Narbe, die sich rings um ihren Hals zeigte. Nicole schüttelte kurz die Erinnerungen weg und knotete das Tuch zu.

      Sie bemerkte, dass sie vielleicht noch ihre Blase erleichtern sollte, bevor sie Pumuckels Fressnapf und die anderen Utensilien aus der Reisetasche hervorholen sollte.

      Gerade hatte sie alles, was sie für ihren Hund brauchte beisammen, als es klopfte.

      „Ich komme!“, rief Nicole und schnappte sich die Leine von dem Hund. Sie wollte erstmal auf Nummer Sicher gehen und ihn in der Burg angeleint lassen, bis er sich eingewöhnt hatte. Sie öffnete die Tür und bekam große Augen vor Überraschung.

      Nicht Andres stand wie erwartet vor der Tür, sondern der Herr des Hauses, Adolar Cerný. Er hatte sich ebenfalls umgezogen, trug jetzt eine ausgewaschene Jeans und ein dunkelrotes T-Shirt, das die Muskeln seiner Oberarme gut zur Geltung brachte.

      „Ich dachte mir, ich hole Sie am ersten Abend persönlich zum Essen ab und kann Ihnen vielleicht noch Fragen beantworten, wenn Sie welche haben.“ Er lächelte und ignorierte Pumuckels leichtes Knurren.

      „Hunderte!“, platzte es aus Nicole heraus.

      Er lachte leicht. „Kommen Sie, ich nehme Ihnen das Futter für Pumuckel ab.“ Ehe Nicole protestieren konnte, hatte er schon den Futtersack und die Näpfe in den Händen.

      „Gefallen Ihnen die Räume?“

      „Gefallen ist kaum der