Ralph Kloos

KOLONIE 7


Скачать книгу

zwei vollautomatischen Unterwasserrobotern befand sich an Bord auch ein Miniunterseeboot, eine Kompression-Druckkammer und verschiedene sensorische Bojen-Systeme, die wie Torpedos geformt waren - vollgestopft mit den sensibelsten Detektoren und Scannern, die in verschieden großen Abständen hinter der Deep Search One durch die See gezogen wurden. Auf der Steuerbordseite befand sich das hochauflösende Echolotsystem, dass circa 200 Meter hinter dem Schiff schwamm und auf der Backbordseite befand sich das modernste Magnetresonanz System der Welt, mit dem sich vor allem Edel- und Halbedelmetalle wie Bronze, Gold und Silber aufspüren ließen, aber auch Manganknollen, die man in Meerestiefen ab 4000 Metern finden konnte.

      Um die Kommunikation mit dem Rest der Welt zu ermöglichen, hatte das Schiff eine eigene Breitband-Satellitenanbindung, die lediglich bei sehr hohem Wellengang gelegentlich unterbrochen wurde - ansonsten war das gesamte Schiff eine komplette High-Speed-WLAN-Zone. Da die Eigner auch eine Website über die Reise des Expeditionsschiffes ins Netz gestellt hatten, konnte man täglich Online mit verfolgen wo das Schiff sich gerade befand - inklusive der wöchentlichen Lifestreams aus der Offiziersmesse. Das brachte jede Menge Medienpräsenz und gelegentlich sogar Spenden von reichen Gönnern.

      Herr über die gesamten elektronischen Systeme war ein deutscher Computer-Nerd namens KC, der bereits seit mehr als elf Jahren mit Expeditionsleiter Jottape arbeitete. Nach eigenen Angaben sollte die Abkürzung „KC“ von „King of Chaos“ abgeleitet sein, wahlweise bot der Meister auch „Kistenweise Champagner“ als Lösung an, aber wenn man dann einen Blick in seinen Reisepass warf, wurde schnell klar, dass KCs Eltern die geniale Idee hatten, ihren Sprössling „Karl Christian“ zu nennen, weshalb generell Niemand diesen Pass zu sehen bekommen durfte.

      An KC war eigentlich alles groß. Mit 196 cm war er an sich schon eine imposante Erscheinung, aber seine riesige Wampe, seine großen Hände und sein großen Zähne vervollständigen den Eindruck eines behäbigen Oktopusses, der ständig hinter seinen sechs Computerbildschirmen saß und den irgendwie nichts aus der Fassung bringen konnte, außer wenn es ihm an Nahrung mangelte, die er ebenfalls in enormen Mengen in sich hinein schaufelte. Für akute Notfälle hatte er in einem geheimen Fach in seinem Schreibtisch eine größere Menge an Süßkram versteckt. „Wenn mein Hirn nicht sofort ausreichend Glucose-Nachschub bekommt, dann habt Ihr ein gleich echtes Problem!“ Seine gelegentliche unmäßige Fresserei hatten dazu geführt, dass er mittlerweile eine leichte Diabetes hatte und sich täglich einmal eine Insulinspritze verabreichen musste, was ihn trotzdem nicht davon abhielt, den einen oder anderen Schokoriegel als Zwischenmahlzeit einzulegen.

      Es gab mehr als eine Version, wie und seit wann sich KC und Jottape zusammen getan hatten: Am spannendsten war logischerweise die Alternative, in der KC, der als echter Pionier schon zu Jugendzeiten im ARPANET (dem Vorläufer des heutigen Internets) unterwegs war, seine neugierige Nase zu tief in zu viele Regierungsserver gesteckt hatte und deshalb dringend Europa verlassen musste, wenn er nicht riskieren wollte für längere Zeit weggesperrt zu werden.

      Ein OFF-Shore-Job auf einem Schiff war demnach die erste Wahl bei seinen Auslandsbewerbungen und da er alle Anforderungen erfüllte, bekam er den Job als Computercontroller wirklich und arbeitete jetzt schon mehr als 10 Jahre harmonisch mit Jottape.

      In wenigen Tagen sollte die Deep Search One den Hafen von Miami anlaufen, und obwohl der vorgeschriebene Kurs eigentlich schon "längst abgegrast war", bestand KC darauf, dennoch die beiden Sonarbojen ins Wasser zu lassen und die Unterwasserdaten aufzuzeichnen. "Man kann ja nie wissen", war seine Devise und da er auf dem ganzen Schiff allgemein als der immer gut gelaunte Glücksbringer galt, konnte sich auch Jottape nicht dagegen wehren, obwohl das auch gleichzeitig bedeutete, dass das Schiff somit maximal 16 Knoten laufen durfte, denn sonst wurden die Daten der Unterwassersonden unvollständig aufgezeichnet.

      KC, Jottape und der Chefpilot des Unterseebootes Dennis Manzini bildeten das Rückgrat des Expeditionsteams. Trotz aller technischen Errungenschaften, befand sich auch noch ein Team der besten Bergungstaucher an Bord, eine kleine, aber hoch-karätige Mischung aus Unterwasserarchäologen und Meeres-biologen und natürlich die ganz normale Mannschaft des Forschungsschiffes.

      Auf dem Achterdeck hatte die französisch-kreolische Köchin ein leckeres Buffet und den Grill aufgebaut, um dort einen kleinen Barbecue-Snack zu kredenzen. Während sich so langsam einer nach dem anderen der Crew auf dem Achterdeck einfand, blieb KC, wie immer, hinter seiner Computerwand sitzen und rief nach Jottape. "Hier schau mal was ich Witziges gebastelt habe". "Das hier erspart mir doch gleich eine Menge Arbeit."

      KC hatte den Outputkanal der Meeressonden mit verschiedenen Soundgeneratoren seines neuen Synthesizers gekoppelt. Die Echolot Boje war so justiert, dass sie bei einer mittleren Meerestiefe von etwa 50 Metern einen angenehmen Grundton von sich gab und je tiefer der Meeresboden unter dem Schiff wurde, desto tiefer wurde auch dieser Ton.

      Einen zweiten Soundgenerator hatte KC mit dem Nuklear-Magnet-Resonanzsystem der zweiten Boje gekoppelt und da man auf dem Meeresgrund im Boden öfters über metallische Objekte fuhr, wurden solche mit einem leichten Zwitschern angezeigt und je nach Menge der detektierten Masse würde ein größeres Objekt dann auch einen tieferen und vor allem lauteren Ton abgeben. Jottape lächelte über diese weitere Spielerei von KC, aber natürlich stimmte es, denn somit konnte er sich stundenlang vollkommen anderen Problemen widmen, während die Detektoren ihre Arbeit verrichteten und ihr Soundmodul bekannt gab, was sie gerade entdeckt hatten. Darüber hinaus wurden ja alle Daten dieser feinfühligen Instrumente sowieso mit den entsprechenden GPS-Koordinaten verknüpft, so dass man zu jeder Zeit auch jedes der "Events" wieder auf dem Meter genau ansteuern konnte. Jottape wusste, dass die vergangene, sechswöchige Operation vor Jamaika ein kompletter Reinfall war, denn sie hatten keine Spur von einer spanischen Galeone gefunden und deshalb machte er sich ein wenig Sorgen, was wohl die Auftraggeber der Schiffsgesellschaft von dieser Fahrt halten würden.

      Die Kosten für Schiff, Ausrüstung, Mannschaft und Verpflegung beliefen sich pro Tag auf circa 20.000 $ und somit hatten die beiden vergangenen Expedition bis jetzt knappe 4.000.000 $ verschlungen, ohne auch nur einen einzigen Cent einzubringen.

      Mit Wehmut erinnerte er sich an vergangene Fahrten mit seinen ehemaligen Chef Frank Goddio, mit dem er mehrere einmalige archäologische Sensationen in der Tiefe entdeckt hatte: Es war noch keine zwanzig Jahre her, als sie 1996 die versunkenen Königsviertel von Alexandria gefunden hatten, dann die Städte Heraklion und Kanopus im Jahr 2000 und natürlich war auch die Entdeckung des lange verschollenen Flaggschiffs von Napoleon Bonaparte - die „L´Orient“ - eines der absoluten Highlights seines Forscherlebens.

      Es war jedes Mal ein einzigartiges Gefühl ein unbekanntes Artefakt der Vergessenheit zu entreißen und dem unendlichen Puzzle der Weltgeschichte eine neue Nuance hinzuzufügen.

      Jottape betrieb seinen Job nicht wegen Geld oder Ruhm, sondern er hatte schon als kleiner Junge immer davon geträumt, eines Tages eine große archäologische Entdeckung zu machen, weshalb er auch schon als Jugendlicher fast ausschließlich Bücher über Archäologie gelesen hatte und nach seinem Abitur an der Sorbonne-Universität von Paris Archäologie studierte.

      Er selbst konnte nicht mehr Tauchen, denn eine seltene Knochenkrankheit hatte die Bewegungsfreiheit seines Halses so verändert, dass er den Kopf nur noch eingeschränkt nach links und rechts bewegen konnte - er musste also immer seinen ganzen Körper zusammen mit dem Kopf drehen und war schon heilfroh, dass er ohne krampfhafte Verrenkungen das kleine U-Boot schmerzfrei steuern konnte.

      Eigentlich war Jottape schon ziemlich müde und er wollte nur noch mal kurz in KCs Reich nach dem Rechten sehen, als plötzlich und, nach den Seekarten zufolge, völlig unerwartet, der Ton der Echolotboje nach unten ging und immer lauter wurde. Aber bereits nach zwei Sekunden nahm der Ton wieder seine gewohnte Höhe ein. Bei der gelaufenen Geschwindigkeit von 16 Knoten und der Entfernung von circa 400 m zwischen der ersten oder zweiten Boje würde es also ungefähr 30 Sekunden dauern, bis auch der Nuklear-Resonanzdetektor über diese Stelle schwimmen würde. KC und Jottape blickten sich kurz in die Augen, denn genau diese Situation hatten sie schon viel zu oft erlebt.

      Bei der Einführung seines Soundsystems hatte KC als Referenz ein gestrichenes "C" für einen Fund von relevant großer Masse eingegeben.

      Spaßeshalber