Ralph Kloos

KOLONIE 7


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und da man im Lichtkegel des Scheinwerfers nichts weiter sehen konnte, gab Jottape den Befehl, rechts von diesem Loch den Durchbruch zu sägen.

      KC und der Rest der Crew überwachten die gesamte Aktion mithilfe der verschiedenen Bordkameras und übertrugen deren Bilder in den großen Konferenzraum, der mittlerweile gut gefüllt war. An zwei Computern durchsuchten mehrere Archäologen eine spezielle Datenbank für bekannte antike Schiffsmodelle, deren Existenz bekannt war und die man teilweise schon seit Jahrzehnten suchte.

      Anhand der Größe und der Beschaffenheit des Schiffswracks konnte man dadurch vielleicht klären, um welche Galeone es sich hier handeln könnte. Ein eindeutiges Indiz zur Identifizierung fand man meist an den Schriftzügen auf den Ankern, den Kanonen, der Galionsfigur oder am Schriftzug am Heck und den Papieren in der Kapitänskajüte, doch da dieses Wrack kein Heck mehr hatte und die Anker nicht zu finden waren, blieb eigentlich fast nur noch die Möglichkeit, das Wrack über die an Bord mitgeführten Kanonen zu identifizieren.

      Die an Bord der Deep Search One versammelten Archäologen waren ziemlich sicher, dass es sich bei dieser Galeone um ein Schiff aus dem 15. oder 16. Jahrhundert handeln müsse, denn der erkennbare Bau des Kiels und die Beschaffenheit der Planken waren typisch für spanische Schatzgaleonen aus dieser Zeit.

      Seltsamerweise zogen sich die Sägearbeiten an dem frei gelegten Schiff länger hin, als ursprünglich vermutet. Denn selbst nach über 400 Jahren schien das verwendete Eichenholz noch in einem sehr guten Zustand zu sein und da Jottape den Tauchern bei ihrer schwierigen Arbeit sowieso nicht helfen konnte, manövrierten sie das kleine U-Boot nochmals an die Bruchstelle des Hecks.

      Was war hier passiert? Wie konnte ein großer Teil dieser Galeone abgetrennt worden sein? Konnte ein Blitzschlag oder eine Explosion dafür verantwortlich gewesen sein? Selbst in der Umgebung von weiteren 200 bis 300 Metern konnten sie keine weiteren Teile des Schiffs mehr entdecken und so gaben sie die Suche nach dem Heck des Schiffes auf. Eigentlich wollte Jottape noch ein paar Holzproben von den Bruchstellen der Holzplanken zur Untersuchung einsammeln, aber mittlerweile war es schon später Vormittag und von KC kamen schlechte Nachrichten, denn der vorher gesagte Tropensturm namens "Barbara" hatte sich merklich verstärkt und war direkt auf ihrem Kurs, was bedeutete, dass die U-Boote der Deep Search One in weniger als 18 Stunden nur noch bedingt tauchfähig sein würden - wenn überhaupt.

      Mittlerweile hatten die drei Taucher es endlich geschafft die Schiffsplanken zu zersägen und somit kam der kleinste der an Bord befindlichen Unterwasserroboter zum Einsatz um noch mehr Licht in das Innere des Wracks zu schicken.

      Das Fernsehbild der Unterwasserkameras wurde gleichzeitig an alle Systeme übertragen und so war es ein einmalig spannender Film, als der etwa 40 cm breite Kameraroboter langsam durch einen schmalen Gang unterhalb der Bilge in den großen Laderaum vordrang.

      Der Anblick war gespenstisch, denn nicht nur die Schiffsplanken waren noch in sehr gutem Zustand, sondern auch das gesamte Innere des Laderaums. Als die Kamera sich nach oben richtete, der ja im Normalfall der Boden war, wurden zwei lang gestreckte Reihen einfacher Sitzbänke und Tische sichtbar und nachdem die Kamera dann auf den Boden fokussierte, bot sich den stummen Beobachtern ein Bild des Grauens: Wie in einem angelegten Massengrab lagen Hunderte von Knochen, Schädeln, Helmen, Stiefeln, Schwertern und Brustpanzern auf dem Boden des großen Laderaums und ließen sich zahlenmäßig nicht zuverlässig abschätzen.

      Wie konnte es sein, dass all diese Soldaten keine Zeit mehr hatten, um den Untergang des Schiffes an Deck zu überleben, denn anscheinend hatte ja keiner von ihnen den Laderaum verlassen können?

      Doch die größte Überraschung sollte erst noch kommen. Am vordersten spitz zulaufenden Ende des Laderaums zeichnete sich eine große dunkle Kiste ab, und nach der groben Inspektion des gesamten Wracks handelte es sich bei diesem Objekt anscheinend um die einzige nennenswerte Ladung auf diesem Schiff. Alle Mitglieder der Expedition saßen gebannt vor den Bildschirmen und fragten sich, was wohl zum Untergang dieser großen Galeone geführt haben könnte, und um was es sich bei dieser geheimnisvollen Ladung wohl handeln konnte.

      Der Versuch des Kameraroboters auch in ein tiefer gelegenes Deck einzudringen scheiterte, denn offensichtlich hatte sich der hölzerne Schiffskörper soweit eingegraben, dass lediglich die Ladeebene und die sich jetzt darüber befindliche Bilge zugänglich waren. Auf der einen Seite war diese Tatsache natürlich enttäuschend, aber auf der andern Seite stieg die Spannung, um was es sich wohl bei diesem etwa 2 mal 2 Meter hohen würfelförmigen Objekt handeln konnte.

      Die einzige Möglichkeit um das sicher festzustellen, lag darin das man ein Loch in diese große hölzerne Kiste bohren könnte und man dann wiederum mit der Endoskop-Kamera sehen könnte, um was es sich dabei handelte. Auf der anderen Seite war es angesichts des heran nahenden Sturmes ratsamer, die Kiste, so wie sie war, an Bord des Forschungsschiffs zu holen. Nach der Berechnung von Jottape und KC war das die einzige Lösung, die innerhalb der nächsten Stunden auch realistischer weise funktionieren konnte.

      Der Massenspektrometer hatte eindeutig eine große Menge Gold bestätigt - ein Irrtum war aufgrund der gemessenen physika-lischen Dichte von Gold ausgeschlossen.

      Nach dem Markieren des geplanten Einstiegs blieben Jottape einige Stunden, um an Bord der Deep Search One endlich einmal zu schlafen. Bis der große Durchbruch fertig gesägt sein würde, konnte er sowieso kaum etwas Sinnvolles machen.

      Drei frische Taucher sanken mit frisch geschärften Elektro-Sägen zu dem Wrack und machten sich an die mühsame Arbeit, so schnell wie möglich, das große Loch in den antiken Schiffsboden zu schneiden. Mittlerweile hatte KC anhand des Videomaterials und mit einer selbst geschriebenen Software eine erste Berechnung über die Anzahl der Knochen im Laderaum gemacht.

      "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" denn so pflegte sich das Computergenie gerne auszudrücken, "befanden sich in dem Laderaum zwischen mindestens 60 und maximal 80 Mann Bewachung". Diese Information trieb die Fantasie aller Expeditionsteilnehmer noch weiter an: Um was für eine Art von Schatz musste sie sich wohl handeln, wenn dieser von einer derart großen Anzahl von Soldaten bewacht wurde? Da KC die Abstände zwischen den Wandten exakt berechnet hatte, mussten die Presslufthämmer nur noch eine 20 cm breite Schnittkante vom Muschelbelag befreien, was diesen mühsamen Teil der Arbeit extrem beschleunigte.

      Kurz vor Einbruch der Dunkelheit war es soweit: Das Zwei-Mann-Unterseeboot wurde erneut klar gemacht, denn die Taucher hatten es geschafft, die schwarzen erodierten Eichenplanken komplett zu zersägen. Mit Hilfe des stärkeren Tauchroboters wurden die zerschnittenen Planken vom Wrack weggezogen und schon eine Stunde später hatte das Team vier extra starke Bergungsgurte aus Kevlar an dem mächtigen schwarzen Holzkubus verzurrt. Zwei große Aluminiumschäkel verbanden diese Gurte an einem ungefüllten Bergungsballon, der daraufhin mit Pressluftschläuchen von den Tauchern langsam gefüllt wurde.

      Nach unendlich scheinenden 20 Minuten bewegte sich der geheimnisvolle Sarkophag erstmals nach Hunderten von Jahren und schon bald hatten es die Taucher mit dieser Technik geschafft, die Tonnen schwere Kiste vollständig aus dem Wrack zu befreien.

      Wegen des drohenden Felsüberhangs zog Jottape den Ballon höchstpersönlich mit dem U-Boot in Richtung sicherer Aufstieg. Sobald die schwere Last den Graben nach oben verlassen hatte, befestigten zwei weitere Taucher die Bergungsseile der Deep Search One und nach einer weiteren Viertelstunde tauchte die geheimnisvolle Kiste erstmals, nach Hunderten von Jahren in tiefster Dunkelheit, wieder an der Oberfläche auf. An Bord des Forschungsschiffs war bereits eines der großen Bassins mit Meerwasser gefüllt worden und so dauerte es keine weiteren zehn Minuten, bis der geborgene Schatz in einem drei Meter tiefen Wasserbecken im hinteren Drittel des Forschungsschiffes verstaut war.

      Tropensturm "Barbara" hatte sich bereits durch hohen Wellengang und böige Winde angekündigt und so war die gesamte Crew mit höchster Konzentration und großer Eile dabei, alle unter Wasser benutzten Roboter und auch die Taucher wieder einzusammeln, die dann aber erst einmal für zwei Tage in der De-Kompressions-kammer verbleiben mussten und nur über die Fernsehmonitore miterleben durften, was der Rest der Mannschaft der Deep Search One in den kommenden Minuten zu Gesicht bekam.

      Regel Nummer Eins in der angewandten Unterwasserarchäologie war, dass man die gefundenen Artefakte