Ralph Kloos

KOLONIE 7


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er einen der im Blaumann steckenden Arbeiter an, doch der verstand natürlich nur Französisch und da sich KC von dieser Tatsache niemals aus der Ruhe bringen lassen würde, zückte er pfeilgeschwind sein Tablett und suchte den passenden Begriff auf einer Website.

      Um den einzigartigen Fund auch anständig zu feiern hatte die Sorbonne-Universität ein üppiges Büffet geordert und über das Netz eine ausgewählte Clique von Presseleuten, Lobbyisten und Förderern der Pariser Kulturszene eingeladen, die um Mitternacht an der Präsentation dieser archäologischen Sensation teilnehmen durften. Das „Who is who“ der französischen Archäologie-Forschung war eingeladen und in den verbleibenden Stunden bis zum feierlichen Moment gab es noch jede Menge Arbeit zu erledigen.

      Als Entdecker mussten KC und Jottape in den sauren Apfel beißen und sich in einem sündhaft teuren Herren-Ausstattungs-Shop auf der Champs Elysee standesgemäß einkleiden, aber da die Rechnung selbstverständlich an ihre Firma ging, schlugen die Beiden gleich richtig zu und genehmigten sich den feinsten Zwirn, der sich in wenigen Stunden anfertigen ließ. Da ja Geld bekanntlich Berge versetzen konnte, waren beide Maßanzüge bereits eine Stunde vor der Deadline ins Ritz geliefert worden. Man hatte sie also auch noch ins beste Haus am Platz einquartiert - wenn das Franck Goddio wüsste. Endlich konnte Jottape auch ein einmaliges Artefakt der menschlichen Geschichte standes-gemäß präsentieren - und so stieg die Spannung mit jeder Minute.

      Es war ausgemacht, dass nur er, KC und die Mitarbeiter der Sorbonne die letzten Holzbalken entfernen würden - hinter dem Vorhang - und dieser Moment lag jetzt direkt vor den beiden Entdeckern.

      Vor dem geschlossenen Theatervorhang delektierten sich mehrere hundert Gönner, Wissenschaftler und Prominente zusammen mit der Presse an den Delikatessen und dem Champagner, während sanfte Ambiente-Musik unverfängliche Banalität vorgaukeln sollte. Da niemand wusste, was hinter der geheimnisvollen Einladung steckte, war die Spannung eher verhalten, denn eine plötzliche Sensation war nirgends öffentlich geworden und so hielt eine Reihe der illustren Gäste die Veranstaltung für nichts weiter als einen besonders gut eingefädelten Werbe-Gag der Universität.

      Bevor es also ans Eingemachte ging, musste jetzt die letzte Schicht der umgebenden Bretter entfernt werden und da die Arbeiter die Nägel alle schon zur Hälfte aus dem Holz gezogen hatten, dauerte es nur wenige Minuten bis ein einzigartiger Anblick aus massivem Gold vor ihnen stand. Der Würfel war einfach nur atemberaubend und genau der richtige Kick für die Rede von Jottape, die er gleich halten musste.

      Mit Saugnäpfen an einem Kran wurde der freigelegte Goldwürfel auf sein endgültiges Podest gehoben. Das Gewicht betrug laut der im Flaschenzug eingebauten Digitalwaage exakt und auf das Gramm genau 1600 Kilogramm... - angesichts der Größe des Würfels war diese Exaktheit einfach unglaublich, denn wie konnte man denn so ein großes Werkstück dermaßen exakt und auf ein Gramm genau herstellen? Vor allem, wenn es schon Jahrhunderte alt war?

      Die endgültige Präsentationsplattform war aus 15 Zentimeter starkem Acrylglas, damit auch die Unterseite bequem mit einer Kamera betrachtet werden konnte und stand auf einer starken verstellbaren Hydraulik.

      Der von KC dirigierte Arbeiter hatte wirklich einen schwarzen Samtvorhang aufgetrieben und somit wurde der Würfel nochmals komplett verdeckt und dann begann die Show: Zuerst redete der Rektor der Universität um nach drei Minuten an Jottape abzugeben, der in seiner rechten Hand einen Funkschalter hatte, der einen Motor starten konnte um den Stoff vom Würfel hochziehen.

      Der feierliche Saal war in halbdunkles, indirektes Licht gehüllt - die Musik wurde langsam ausgeblendet und ein einzelner Scheinwerfer taucht Jottape in gleißendes Licht.

      „Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mesdames y Messieurs, Ladies and Gentleman. Zuerst muss ich meinen Partner und den Entdecker dieser Sensation nach Vorne holen: KC - kommst Du bitte? Und während sich KC freudig grunzend aus der Menge schälte, wurde der als Raumteiler dienende Vorhang nach hinten gezogen und der Samt-verhangene Würfel stand geheimnisvoll auf vier Hydraulik-Stativen“.

      „Was wir gemeinsam vor ein paar Tagen in der karibischen See entdeckt und geborgen haben wird die Welt der Wissenschaft bestimmt einige Zeit beschäftigen. Noch wissen wir nicht, um was es sich genau bei diesem Artefakt handelt, aber ich bin stolz auf meine Crew, die Bergungsgesellschaft, die Force du Frappe der „Charles de Gaulle“ und natürlich alle Wissenschaftler, die hier an der Sorbonne helfen werden, die Geheimnisse unseres Fundes auszuwerten und zu veröffentlichen. Und jetzt wird eine Vergangenheit, die mehr als 400 Jahre auf dem Meeresgrund in Verborgenheit schlummerte erstmals wieder ans Tageslicht kommen. Wir präsentieren Ihnen jetzt unser einmaliges Artefakt.

      In diesem Moment drückte er den Knopf und ein Motor zog den Stoff an die Decke - dann schalteten die Techniker das Flutlicht ein und in einem Meer von klickenden elektronischen Blitzen und Kameraverschlüssen der Fotographen ertönte ein hundertfacher Aufschrei des Entzückens aller Anwesenden.

      So etwas hatte noch niemand gesehen: Wie aus einem Stück gegossen stand vor ihnen ein einzigartiger Würfel mit 160 Zentimetern Kantenlänge, der auf jeder Seite vollkommen unterschiedlich geformt war. Jede der Quaderflächen hatte in der Mitte ein jeweils anderes rundes Symbol, doch die Oberfläche jeder Seite sah so aus, als ob der gesamte Würfel über Jahrtausende im All geschwebt sein musste, denn er war übersät von kleinen und großen „Meteoriteneinschlägen“, die jedoch bei näherer Betrachtung alle unterschiedlich zu sein schienen - auf jeder der sechs Flächen waren andere Arten von Einschlägen zu entdecken: Mal waren sie tief und fast senkrecht zur Fläche; dann wieder kamen sie eher quer und streiften die Fläche nur so leicht, dass die Einschlagskrater lediglich wenige Millimeter tief waren.

      Von der Unter- und Oberseite des Würfels übertrugen Digital-kameras das Bild dieser Flächen auf große Monitore, die neben dem Würfel aufgebaut waren. Insgesamt betrachtet glich keine der Seiten einer der anderen - aber alle zusammen schienen irgendwie im gleichen Stil erschaffen worden zu sein … doch wie?

      Abgesehen davon, dass es sich bei der Verarbeitung von weit mehr als einer Tonne Gold um eine logistische Meisterleistung gehandelt haben muss - wie konnte es sein, dass nirgendwo eine Gussnaht zu sehen war, oder zumindest andere Anzeichen, dass der Würfel nicht aus einem Stück war - und wie konnte diese technische Meisterleistung zur Zeit der Mayas und Inkas verwirklicht worden sein?

      Oder war der goldene Würfel vielleicht gar nicht irdischer Natur? Was dann? Was sollten uns die Symbole und diese einzigartigen Oberflächen sagen? Und welche Geheimnisse mochte der Kubus noch bereit halten, außer der Tatsache, dass er wahrscheinlich um die 50 Millionen Euro Wert war - sofern sich im Inneren nicht noch eine satte Überraschung verbarg. Und wie und warum war das Schiff, mit dem er ja anscheinend nach Spanien transportiert werden sollte, auf diese ungewöhnliche Art und Weise untergegangen?

      Alle Flächen des Würfels waren mittlerweile mit einer hochauflösenden Kamera fotografiert und mit einem Projektor auf die großen Wände des Institutes produziert worden. Da sich die Bilder auch besonders via Twitter in Windeseile (#thegoldencube) verbreiteten, dauerte es nicht mehr als 52 Stunden, bis alle sechs Bilder auf Platz 1 bis 6 der Twitter-Hitparade standen.

      Die Netzwelt war begeistert und wollte unbedingt mehr wissen. Was die Spekulationen über Sinn und Zweck des Würfels anging: ... Niemand hatte auch nur eine annähernd vernünftige Erklärung für dieses Phänomen - aber Tausende verbreiteten Ihren teilweise abstrusen Fantasien, denn bis dato hatte kein Mensch jemals eine derartige Arbeit gesehen.

      Mit Gummihandschuhen geschützte Finger hatten mittler-weile jedes Symbol, jede Erhöhung und jede noch so kleine Vertiefung untersucht, in der vagen Hoffnung, dass es vielleicht doch noch einen Mechanismus geben könnte, der den geheimnisvollen Würfel automatisch "Sesam-öffne-dich-mäßig" aufschließen würde.

      Jottape war angesichts der wissenschaftlichen Tatsachen wie vor den Kopf gestoßen: Da hatte er ein Leben lang gehofft einen Teil der Rätsel der menschlichen Vergangenheit zu lösen, und jetzt sah es ganz danach aus, als ob sein Fund die Menschheit vor noch viele weitere Rätsel ungeahnter Trag-weite stellen sollte.

      Während sich die Welt und die Wissenschaft den Kopf über den goldenen Würfel zerbrachen, wurden im Institut weitere chemische und physikalische Untersuchungen