Ralph Kloos

KOLONIE 7


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in der Schweiz. Doch Ihre Rückkehr war kein Zufall; mit ihrem Wissen sollte sie einer Arbeitsgruppe im Robotic-Institute in Pittsburgh angehören, die sich ausschließlich mit der Erforschung von Nano-Partikeln befasste.

      Kasha wusste genau, wie sie ihren Studenten den Einstieg in die Materie präsentieren musste. Rein optisch war die 30jährige Wissenschaftlerin schon extrem attraktiv - etwa doppelt so hübsch, wie ihr Name klang. Als Kind eines ukrainischen Schachspielers und ihrer italienischen Mutter, die in einem Zirkus die Lipizzanerpferde trainierte, hatte Kasha niemals so etwas wie eine Heimat gespürt oder vermisst und ihre Kindheit in dem Tollhaus eines durch die Länder reisenden Zirkus erschien ihr wie ein nie endender Traum vom Glück. Kaum 12 Jahre alt geworden, endete dieses Leben, denn ihre liebe Mutter wurde von einem ausschlagenden Pferd in der Manege mit einem Schlag an den Kopf getötet - und Kasha landete daraufhin umgehend bei ihrem Vater - in der Schweiz.

      Was sie an spielerischer Leichtigkeit und kunstvollem Umgang mit dem eigenen Körper im Zirkus gelernt hatte, war plötzlich nicht mehr interessant, denn Kashas Vater lehrte sie die hohe Kunst des königlichen Spiels mit allen Tricks, die er in mehr als 30 Jahren Spielpraxis erlernt hatte und Kasha war eine überaus gelehrige und eifrige Schülerin.

      Das jahrelange Schachspielen hatte sie geformt: Mit Geduld und analytischer Akribie hatte sich ihr Wissensdurst schon auf dem Gymnasium gezeigt, denn sie war einfach die beste Schülerin - und das, ohne groß zu Pauken oder stundenlang Vokabeln zu lernen. Ihr fast fotografisches Gedächtnis war durch das Schachspiel geschult und so konnte sie sich Stadtpläne, chemische Formeln und lange metaphysische Abhandlungen so einfach merken, wie andere Menschen Kochrezepte verinnerlichten.

      Es dauerte nicht lange, bis Kasha bemerkte, dass die ausgedehnten Reisen ihres Vaters nicht ausschließlich mit Schachturnieren zu erklären waren, denn oftmals traf sich ihr Vater zu spontan wirkenden Treffen mit verschiedenen Männern, die sich recht konspirativ verhielten und da Kasha „Eins und Eins“ zusammenzählen konnte, konfrontierte sie ihren Vater eines Tages ohne Umschweife mit ihren Vermutungen.

      Kashas Vater war zwar nicht unbedingt die Traumbesetzung eines fürsorglichen Erziehungsberechtigten, aber er war kein Lügner und schenkte seine Tochter reinen Wein ein: „Ich arbeite schon mein Leben lang für eine ausgeglichene Nachrichtenlage zwischen Ost und West - oder einfacher formuliert: Ja - ich arbeite für den CIA!“

      Kasha hatte kein Problem mit diesem Geständnis. Im Gegenteil, denn sie schätzte ihren Vater als einen weisen Mann ein, der diesen gefährlichen Zusatzjob nicht aus Gründen der persönlichen Bereicherung ausübte, sondern für seine Überzeugung, dass sich ein solider Frieden nur dadurch gewährleisten ließ, wenn die Nachrichtendienste möglichst viele Informationen über die jeweilige Gegenseite hatten.

      Kasha war noch keine achtzehn Jahre alt, als sie sich auch entschied etwas „für ihr Vaterland zu tun“ und so bat sie ihren Vater, dass er sie bei dieser Idee unterstützte. Von da an wurde Kasha immer wieder zu Schulungen und Seminaren eingeladen, die von der NSA und dem CIA abgehalten wurden und die vor allem darauf abzielten, hoch qualifizierte Studenten zu finden und auszubilden, welche an Universitäten, die nicht von den USA kontrolliert werden konnten, Ergebnisse „abschöpften“, die im Interesse der nationalen US-Sicherheit lagen - egal ob sie militärischer oder wirtschaftlicher Natur waren.

      Auch wenn Kasha deshalb keine „richtige Full-Time-Spionin“ war, hatte sie von diesem Moment an eine „unsichtbare Unterstützung“ durch die Dienste und wurde trotzdem nur dann kontaktiert, wenn sie glaubte, etwas Wichtiges gefunden zu haben - ansonsten sollte sie sich voll auf ihr Studium konzentrieren und das Netzwerk der freien Wissenschaft möglichst unverdächtig infiltrieren.

      Nach ihrem Studium der Quantenphysik und einer unrettbar kaputten Beziehung mit der größten Liebe ihres Lebens hatte Kasha es aufgeben sich mit ihrem eigenen Cinderella-Komplex zu beschäftigen und so galt ihr einziges Interesse von nun an der Grundlagenforschung an unbekannter Materie. Allerdings war sie alles andere, als ein Kind von Traurigkeit und wollte sich hin und wieder auch sexuell ausleben.

      Dabei aber, war ihr der Status als Uni-Professorin mehr als einmal unpassend „in die Quere gekommen“ und sie musste sich eine neue Strategie für ihren regelmäßig aufkommenden „Heisshunger“ einfallen lassen. Deshalb besorgte sie sich ein paar billige Perücken und einige Kleidungsstücke, die man am einfachsten im Internet bei gewissen einschlägigen Sexshops einfach und anonym bestellen konnte. Dann fehlte nur noch ein zweites billiges Prepaid-Handy mit einer unbekannten Rufnummer und schon war ihre Ausrüstung für ihre Streifzüge durch die Campusbars der Nachbar-Unis perfekt, denn in ihrer eigenen Uni wollte Kasha auf keinen Fall auf Männerjagd gehen - das kam überhaupt nicht in Frage, denn der Sinn ihrer Missionen lag ja nicht darin, „den einmaligen Prinzen auf dem weissen Schimmel für den Rest des Lebens“ zu finden, sondern sich einen möglichst gut aussehenden, gut riechenden Sportler oder Ähnliches aufzureissen, der es ihr anständig und ausdauernd besorgte und den sie im Nachhinein auch problemlos wieder aus dem Rest ihres Lebens löschen konnte, ohne das nervige Drama, das mit einer „normalen Beziehung“ verbunden war.

      Kasha zumindest hatte keinerlei Probleme mit ihrem selbst gewählten Beziehungsmodell, denn die unverbindliche und freie Wahl ihrer Sexpartner war bis dato zwar nicht immer „das Gelbe vom Ei“ gewesen, aber ihre interne Erfolgsstatistik konnte sich jederzeit sehen lassen, denn als perfekt gestyltes gespieltes Dummchen und mit ihrem atemberaubendem Körper hatte sie bereits erfolgreich zwei Quarterbacks aus der nationalen College-League abgeschleppt und die waren furiose Volltreffer-Liebhaber der Premium-Kategorie gewesen, an die sie noch Tage später lustvoll mit schweren Zitterknien denken musste. Bei zwei Gelegenheiten hatte sie mangels begattungsfähiger Bauerntrampel auf eine hübsche Studentin zurück gegriffen und obwohl sie diese lesbischen Erfahrungen gar nicht mal als „soo schlecht“ qualifizierte, war sie generell lieber das schwache Frauchen, das sich gerne von sportlichen Männerkörpern dominieren lies.

      Die Carlon Mellon Universität von Pittsburgh ist Amerikas führende Forschungseinrichtung im Bereich der Robotik und Nanotechnologie und der Vorlesungssaal platzt aus allen Nähten, als die Professorin Kasha Muratti nur mit ihrem iPad bewaffnet zum Rednerpult geht und das kleine Tablett an die Multimedia-Anlage des Hörsaals anschließt. Ein Assistent bedient das Mischpult und während die großen Jalousien langsam die breite Fensterfront verdunkeln, springt der Projektor an und Kasha wird von ihrem Assistenten das Head-Mikrophon angelegt.

      „Mein Name ist Dr. Kasha Muratti und ich freue mich, sie heute an Amerikas führender Universität für Future Design und Nanotechnologie begrüßen zu dürfen. Der Fachbereich für den sie sich eingeschrieben haben hat das große Ziel eines Tages nichts anderes als frei programmierbare Materie herzustellen.

      Was genau dürfen wir uns darunter vorstellen? Wie so oft gibt uns die Natur zumindest ansatzweise eine grobe Idee, was wir eines Tages vielleicht erreichen könnten.“

      Auf der großen Leinwand des Hörsaals begann der erste Film. Fast unwirklich groß sah man eine einzelne Ameise, die sich mit einem riesigen Blatt von links nach rechts über den Bildschirm bewegte. „Wir alle kennen die großartige Leistung, die Ameisen vollbringen können. Jede einzelne dieser Insekten kann für ihre Verhältnisse enorme Lasten über große Strecken transportieren, aber generell ist die Leistung einer einzelnen Ameise überschaubar bzw. sehr begrenzt. Ganz anders sieht es aus, wenn wir jetzt die Leistung von Ameisenvölkern betrachten.“

      Auf dem Bildschirm erschienen jetzt Großaufnahmen von ganzen Ameisenvölkern, die Unmengen von zerschnitten Blättern über einen Dschungel-Pfad transportierten, dann wurden eindrucksvolle Zeitrafferaufnahmen von Termitenstämmen gezeigt, die komplette Gebäude innerhalb von wenigen Tagen zum Einsturz brachten.

      „Was Sie in diesen Aufnahmen erkennen können ist sozusagen eine kleine Veranschaulichung dessen, was wir vielleicht gemeinsam in Zukunft hier erforschen werden.

      Im Jahr 2012 wurde im LHC in der Schweiz das erste Mal die Existenz der Gottes-Teilchen (Higgs-Boson) nachgewiesen.

      Die Wissenschaft ist der festen Überzeugung, dass es neben diesem noch weitere unerforschte Klein-Bestandteile innerhalb jedes Atoms geben muss, deren Funktionen wir noch nicht kennen. Aber uns treibt eine Vision: Wenn wir eines Tages in der