Ralph Kloos

KOLONIE 7


Скачать книгу

und somit hörte die gesamte Mannschaft gleichzeitig, was sich unter der zweiten Boje befand. Mit maximaler Lautstärke hörten sie dreißig Sekunden nach dem ersten Ton nun ein einwandfreies eingestrichenes "C" - doch war auch dieser Impuls so kurz, dass sich jeder auf dem Schiff fragte, ob sie wieder nur ein wertloses Stück Schrott oder vielleicht gerade noch eines der lange vermissten Marine-flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden haben mochten.

      Auch Captain Creech hatte das Signal vernommen und leitete die entsprechenden Manöver ein, um den unerwarteten Fund erneut zu überfahren. Der GPS-Tracker zeigte auf den Meter genau an, wo die Boje das Signal aufgenommen hatte. Nach wenigen Minuten überquerte die Deep Search One die angegebene Stelle zuerst von Westen, um dann nach circa zwei Meilen wieder auf Gegenkurs zu gehen und langsam die Bojen an Bord einzuholen.

      Alle Maschinen wurden soweit heruntergefahren, dass die automatische GPS-Steuerung das Forschungsschiff immer exakt an derselben Stelle, also direkt über dem georteten Metall halten konnte, ohne Anker werfen zu müssen. Noch war ja gar nicht klar, um was es sich bei diesem Fund handelte und so beschloss die Truppe um Jottape zumindest den unbemannten Unterwasser-roboter vorzubereiten, um ihn mit Hilfe des Kranes in die dunkle See zu senken. In der Zwischenzeit hatte KC das aufgezeichnete Unterwasserprofil des Meeresbodens in ein von allen Seiten einsehbares, 3D-Modell am Computer umgebaut.

      Im Allgemeinen hatte der Meeresboden in der Region eine durchschnittliche Tiefe zwischen 30 und 50 Metern, doch anscheinend lag ihr Fund in einem schmalen zerklüfteten Graben, dessen tiefster Punkt ungefähr 60 Meter unter dem Meeresspiegel lag.

      An seiner schmalsten Stelle schien der Graben nur knappe 20 Meter breit zu sein und zog sich der Länge nach über mehrere Kilometer hin. An dem Ort, an dem die größte Signalstärke gemessen wurde, schien sich ein gekrümmtes längliches Objekt zu befinden, das auf der 3D-Animation wie der umgekippte Rumpf eines alten Segelschiffes aussah.

      Die Auswertung des Magnetresonanzspektrums ergab eine hohe Wahrscheinlichkeit von mehreren Hundert Kilogramm Metall. Das lies darauf schließen, dass es sich bei dieser Ortung um eine der lange gesuchten Galeonen der spanischen Conquista handeln könnte.

      Trotzdem war diese ungewohnte Auffindesituation schon ziemlich ungewöhnlich, denn normalerweise verteilten sich die gefundenen Artefakte von anderen Galeonen generell auf mehrere hundert Quadratmeter Grundfläche, doch hier war der Fundort ein enger Graben, in den das Schiff wohl nach dem Untergang abgesunken war, ohne auseinander zu brechen.

      Am Achterdeck der Deep Search One war das Mitternachts-Buffet vollkommen verwaist, denn die Spannung an Bord hatte sich seit dem Fund in ca. 60 Meter Tiefe merklich gesteigert. Niemand dachte in diesem Moment an das Essen. Es dauerte es nur knappe 20 Minuten bis der unbemannte Unterwasserroboter mit seinen Kameras, Greifarmen und Analysegeräten startbereit war und an einem der Kräne im Meer versenkt wurde.

      Aufgrund der guten Positionierung hatten KC und Dennis, die für die Steuerung unter Wasser verantwortlich waren, keine Probleme den Einstieg in den Unterwassergraben zu finden. Schon nach wenigen Minuten erblickten sie auf ihren Monitoren das gesuchte Objekt, dass im Durchschnitt ungefähr 4 bis 5 Meter aus dem Sand heraus ragte und näherten sich langsam vom Bug her an.

      Von der Form konnte es sich nur um den Körper eines Segelschiffes handeln, doch im Lauf der Jahrhunderte hatte sich eine lebendige Schicht von Muschelsedimenten und Korallen auf dem Holz des Schiffes angesiedelt, und es war deswegen offensichtlich besonders gut konserviert. Meter für Meter steuerten sie den kleinen Unterwasserroboter langsam und vorsichtig und im Licht der Scheinwerfer glitten sie den gesamten Kiel entlang bis zum Heck des Schiffes, welches aber - zur großen Überraschung der Expeditionsleiter - gar nicht mehr vorhanden war.

      Es machte den Anschein, als ob die letzten 5 bis 10 Meter des Bootskörpers entweder verschwunden oder „abgefressen“ waren und obwohl der Unterwasserroboter versuchte ein besseres Bild vom Inneren des gefundenen Schiffes zu machen, war es unmöglich mehr über das verschwundene Heck der Galeone herauszubekommen. Vielleicht ließen sich ja in der näheren Umgebung des Schiffes weitere Einzelteile finden, doch anscheinend waren die Meeresablagerungen und der feine Sand dafür verantwortlich, dass zunächst keine weiteren Teile des Schiffskörpers gefunden wurden.

      Im großen Konferenzraum der Deep Search One versammelten sich alle Wissenschaftler und Taucher, um sich zu besprechen und da der drohende herannahende Hurrikan noch mindestens 24 Stunden von ihrer jetzigen Position entfernt war, machte sich die Crew daran, in aller Eile das schwere Bergungsgerät startklar zu machen. Die Verhältnis der angezeigten Metalle lies zwar keine genaueren Schlüsse auf den vermuteten Schatz zu, aber dafür blühte die Fantasie der Expeditionsteilnehmer schon jetzt in alle Richtungen.

      Jottape würde zusammen mit Dennis im U-Boot in den Graben einfahren und so wurde der Plan gefasst, zu versuchen ein Loch in den Schiffsboden zu sägen, um dann einen der kleinen Kameraroboter ins Innere der Galeone vordringen zu lassen. Eine erste Analyse von KC hatte ergeben, dass die größte Menge an Metall anscheinend in der Mitte des Laderaums zu finden sei, während sie im Bereich des ehemaligen Oberdecks 17 Ortungen fanden, die eigentlich nur von Kanonen aus Bronze stammen konnten.

      Im Normalfall hätte Jottape das gesamte Wrack mit allen Einzelteilen heben lassen, doch der sich nähernde Hurrikan sagte ihm, dass er sich vordringlich um den vermeintlichen Schatz kümmern musste. Ein paar alte Kanonen und die Knochen der ersoffenen Mannschaft konnte man auch zu einem späteren Zeitpunkt bergen. Bei der Vermessung des Grabens deutete sich eine nicht einzuschätzende Gefahr an, denn der Graben sah so aus, als ob ein großer Überhang jederzeit abstürzen könnte, weshalb man das U-Boot etwas weiter entfernt vom Fund hinabließ, um dann innerhalb dieses Grabens seitlich bis zum Wrack zu tauchen.

      Um die gesamte Tauchausrüstung einsatzfähig zu machen, brauchte die Crew sowieso ein bis zwei Stunden, und so war auf der Deep Search One erstmals seit Monaten wieder das lange vermisste Jagd-Fieber zu spüren. Kurz vor Morgen-grauen war dann das Mini-Unterseeboot mit allen Werkzeugen durchgecheckt und Jottape und Dennis zwängten sich nacheinander in die enge gläserne Kabine - zur ersten bemannten Fahrt zum Wrack der Galeone.

      Schon nach circa fünf Minuten hatte das kleine U-Boot den Rand des Unterwassergrabens erreicht, es wurden die starken Zusatzscheinwerfer eingeschaltet und das Tauchboot senkte sich Meter für Meter vorsichtig bis zum Grund des Grabens ab. Jottape war fasziniert von dieser unerwarteten Chance, während Dennis auch die beiden Unterwasserroboter mit ihren starken Scheinwerfern in Stellung gebracht hatte.

      Ohne den Einsatz des Magnetresonanzdetektors wäre es vollkommen unmöglich gewesen dieses Wrack überhaupt zu finden, denn eigentlich sah der Fundort aus, wie ein natürlicher Buckel, der sich innerhalb des Grabens erhob und er hatte optisch gar nichts mehr mit einer stolzen spanischen Galeone gemeinsam.

      Nachdem das Unterseeboot zweimal direkt über dem Schiffs-körper kreuzte und das Wrack dabei komplett gefilmt und gescannt hatte, beschloss Jottape einen Einstieg kurz über dem Meeresbodens zu wagen, denn offensichtlich waren alle Luken im Boden versunken und auch am nicht mehr existenten Achterdeck der Galeone versperrte ein großer Haufen Sand und Korallen den direkten Einstieg in die unteren Laderäume.

      Doch zuerst musste der harte Panzer aus Muschelschalen und Korallen mit einer Art Presslufthammer von den Schiffs-Planken entfernt werden. Dazu wurden drei Taucher, die ein spezielles Gasgemisch in ihren Tiefsee-Tauchanzügen atmeten, zu dem Wrack heruntergelassen und mit den speziellen Unterwasser-presslufthämmern brauchten sie etwa zwei Stunden um eine zwei mal zwei Meter große Fläche von dem harten Panzer zu befreien.

      Durch den Einsatz der Presslufthämmer und die nicht vorhandene Strömung innerhalb des Unterwassergrabens war die Sicht vom U-Boot mittlerweile fast bei Null, denn die Sedimente schwebten derart zahlreich im Wasser umher, dass man kaum noch etwas sehen konnte.

      Wider den ersten Vermutungen befand sich das Holz, welches unter dem Muschelpanzer zum Vorschein kam, in einem extrem guten Zustand. Anscheinend war das gesunkene Schiff noch nicht sehr lange zur See gefahren, denn das Holz war nur sehr oberflächlich von Spulwürmern angegriffen, was sich bei älteren Schiffen vollkommen anders darstellte.

      Um nicht eine der dicken Schiffsplanken anzusägen, kamen zuerst ein kleiner Bohrer und eine Endoskopkamera