Ralph Kloos

KOLONIE 7


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sie auch dazu zu benutzen, um jede art von Materie „frei zu programmieren“.

      Um zu verstehen was wir uns darunter langfristig vorstellen, haben wir ein paar weitere Animationen vorbereitet.“

      Auf dem Bildschirm erschien eine Art umgekehrt laufender Countdown, der vom Jahr 2013 bis zum Jahr 2050 lief und dann in ein großes Fragezeichen gewandelt wurde.

      Kashas Stimme klang wohltuend und sie war didaktisch fehlerfrei: „Stellen wir uns einfach vor unsere Erfindung gibt es schon. Auf dem Bildschirm erschien eine Art metallischer Kasten, der sich langsam öffnete. Der Inhalt schien beim Einzoomen aus lauter winzigsten Kügelchen zu bestehen. Wir nennen das, was wir erschaffen wollen „Nanobots“ - unser Synonym für winzigste Roboter, die ihre eigene Energieversorgung haben müssen und frei programmierbar sind.

      Wenn wir also zum Beispiel in ferner Zukunft einen ganz banalen Fünfzehner Schraubenschlüssel benötigen und wir sind dann bereits im Besitz der Nanobots, dann könnten wir - wahrscheinlich über eine drahtlose APP - einfach einen Befehl an unseren Vorratsbehälter mit den Nanobots funken und in wenigen Sekunden hätten sich die Atome, bzw. deren Moleküle so angeordnet, dass man das gewünschte Werkzeug - in höchster Qualität - aus dem Behälter nehmen und benutzen kann.“

      Die Leinwand zeigte eine Computer-Animation in der auf magische Art und Weise die kleinen Kügelchen zu einem fünfzehner Schlüssel morphten und dann kam eine animierte Hand ins Bild und benutzte das gerade erschaffene Werkzeug, um eine 15-ner Schraube festzuziehen. „Dies ist natürlich ein wirklich einfaches Beispiel um zu verdeutlichen, was wir erforschen wollen.“ Die Animation zeigte jetzt, wie die animierte Hand den Schraubenschlüssel wieder zurück in den Behälter legte und als ob man ein Stück Eis in eine heiße Suppe geworfen hätte, verschwand die Form des Schraubenschlüssels in wenigen Augenblicken.

      Schließlich brauchte man einen 15-er Schlüssel nur wenige Mal im Leben und falls man jetzt aber gerade eine Lupe, ein Messer, einen Wagenheber oder sonst etwas benötigte, dann müsste man das einfach wieder an den Behälter der Nanobots „mailen“ und nach wenigen Sekunden hätte man dann jegliches Werkzeug, dass man jemals brauchen wird.

      Es bleibt nun Ihrer Fantasie überlassen, was man mit diesen Möglichkeiten auf allen Sektoren des täglichen Lebens erreichen könnte: Medizin, Transport, Produktion und natürlich auch das Militär hätten vollkommen neue Möglichkeiten von Anwen-dungen und Produkten. Doch wie können wir es jemals so weit schaffen und was sind unsere realistischen Möglichkeiten?“

      Wieder erschien eine Art von mega aktiven Wanderameisen auf der riesigen Leinwand, die alle auf einem Weg im Unterholz in einer unendlich wirkenden Reihe hintereinander herliefen. „Der Leistungsumfang der Nanobots muss essentielle Komponenten beinhalten: eine eigene Energieversorgung, die Möglichkeit der Kommunikation mit anderen Nanobots, das Bewusstsein an welchem Ort sie sich befinden und eine Programmierbarkeit, die unsere jetzigen Denkmodelle bei weitem übersteigt.

      Vielleicht wird es auch Nanobots geben, die - wie in der Natur - andere Nanobots steuern und kontrollieren. Doch genau wie in der Natur birgt das gewisse Gefahren in sich“.

      Man sah auf dem Projektor, wie ein Wissenschaftler die erste Ameise der langen Dschungelprozession vorsichtig mit Gummihandschuhen einfing und isolierte. Offensichtlich führerlos fand der Rest des gesamten Volkes anscheinend nicht mehr den richtigen Weg, denn die gesamte Population läuft weiterhin hinter der zweiten Ameise hinterher, die allerdings orientierungslos weiter marschierte - so lange bis das gesamte Volk - eine Ameise nach der Anderen - vor Erschöpfung starb. „Sobald man die eingefangene Führerameise‚ wieder an die erste Position des Prozession setzt, nimmt das gesamte Volk wieder gemeinsam den richtigen Weg zum Nest.

      Wissenschaftlich realistischer ist wahrscheinlich die andere Option: Wenn wir es durch den Einsatz des LHC im CERN schaffen werden, auch die anderen noch unbekannten Bestand-teile innerhalb der Atome zu verstehen, dann kann es uns hoffentlich irgendwann gelingen, wahre frei programmierte Materie zu erschaffen und das wird dann wirklich ein neues Level der angewandten Wissenschaft ermöglichen.

      Deshalb freue ich mich auf die kommenden Semester mit Ihnen, denn unser momentaner Forschungsstand sieht ungefähr so aus“: Auf der Projektionswand sah man jetzt eines der Experimente des vergangenen Jahres. Ein ganzes Rudel kleiner auf Rädern fahrender Miniroboter fuhr in einer vorgefertigten Versuchsanordnung anscheinend planlos in einem Labyrinth herum.

      Alle Minirobots konnten miteinander kommunizieren und die Aufgabe lag darin, dass sie von einem Ausgangspunkt auf dem kürzest möglichen Weg durch ein verwinkeltes Labyrinth zu dem neuen Zielpunkt rollten. Obwohl der Versuch auf den ersten Blick wie eine Anordnung aus dem Kinderzimmer daherkam, schafften es die kleinen Robots nach mehreren Minuten wirklich alle den Zielpunkt zu erreichen. „Wenn wir den Stand unserer Forschung zum aktuellen Zeitpunkt betrachten, dann sind wir ungefähr hier“

      Es war ein Bild vom Mount Everest zu sehen und das Bild zoomte auf einen kleinen Ausschnitt am Fuß des höchsten Bergs der Welt.

      Wir wollen eines Tages den Gipfel dieser Forschung erreichen und wie man sehen kann, ist das noch ein ewig langer Weg.

      Unser Ziel ist also klar - was wir nicht wissen können ist, wie lange die Forschung letztendlich brauchen wird, um diesen Gipfel zu erklimmen - aber wir wollen in den kommenden Jahren eine große Strecke dieses Weges erforschen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“

       Der Trabant

      Niemand kann die genaue Anzahl benennen, aber nach letzten Schätzungen der NASA dürften in etwa 10.000 Satelliten und größere Trümmer Weltraumschrott auf unterschiedlichen Orbits den Planeten Erde umkreisen.

      Ihre verschiedenen Anwendungsgebiete umfassen in erster Linie Kommunikation, Fernsehübertragung, GPS-Tracking, Geo-Forschung, Klimaforschung und natürlich militärische Nutzung in allen Formen - bewaffnet und unbewaffnet. Insgesamt 15 Nationen hatten bis zum Jahr 2015 ihrerseits Objekte ins All geschossen. Nicht zu vergessen natürlich die internationale Raumstation ISS und das HUBBLE Deep Field Space Telescope, dass seit 1990 unschätzbare Informationen aus fernen Galaxien lieferte. Mit knapp 11 Tonnen war das HUBBLE eines der größten Objekte, die im Orbit verankert waren und so wertvoll war, dass man es in fünf kostspieligen Wartungsmissionen immer wieder aufgerüstet hatte.

      Aber es gab einen weiteren unscheinbaren Orbiter, der so weit entfernt von der Erde kreiste und der so klein war, dass man ihn nur dann hätte entdecken können, wenn man seine exakte Position im unendlichen Raum genau gekannt hätte.

      Die Form dieses Objektes war die einer perfekten Kugel und mit knapp einem Meter Durchmesser so winzig, dass man es selbst bei einer Entdeckung für einen unbedeutenden Trabanten unbekannter Herkunft gehalten hätte, doch im Gegensatz zu allen anderen künstlichen Satelliten war dieser Kugelorbiter bereits seit Tausenden von Jahren ein stummer Begleiter der Erde. In zyklischen Abständen korrigierte dieser Trabant seine Flugbahn so, dass er immer im Halbschatten zwischen Tag und Nacht die Erde in einer konstanten Entfernung umkreiste.

      Seit mehr als 500 Jahren hatte der unbekannte Satellit keine andere Funktion ausgeübt, als seine Position zu halten und zu lauschen, aber direkt nach der Enthüllung des goldenen Würfels in Paris hatte sich dieser Zustand schlagartig geändert, denn um mit dem Trabanten zu kommunizieren brauchte es ein Minimum an Lichtenergie: Die zahllosen Fotoblitze bei der Präsentation dieses „archäologischen Objekts“ reichten dem goldenen Würfel aus, um nach Jahrhunderten unter Wasser - eingepackt in einem lichtundurchlässigen Sarkophag aus Holz und Pech - ein einziges hochfrequentes Signal ins All auszusenden. Diese Information war nur wenige Byte groß und es dauerte deshalb nicht einmal eine Zehntelsekunde sie abzusenden, aber damit hatte der Kugel-Orbiter erstmals seit hunderten von Jahren wieder Kontakt zu seinem Passagier. Sofort startete der Trabant ein vor ewiger Zeit erdachtes und abgespeichertes Programm: Sein mattschwarzes, reflektionsarmes Material war aus einem unvergleichlichen Werkstoff, denn es bestand aus „frei programmierbarer Materie“ - Nanobots!

      Mit einem entscheidenden Unterschied zu der von Dr. Kasha Muratti beschriebenen Funktionalität theoretisierter Nano-Materie, denn die Nanobots des außerirdischen Trabanten waren