Bernd Schremmer

Adam und Eva


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wer den sonst, dachte er. Hatte sie jemand anderen erwartet?

      „Adam.... Ach, mein Adam!“

      Er breitete die Arme aus. „Eva!“

      „Ich hab es gewusst, ich hab es gewusst...“

      „Das will ich doch hoffen“, sagte er.

      „Gott, der Herr, hat mir dabei geholfen.“

      „Wie schön.“

      Er schloss Eva in seine Arme. Über ihre Schulter hinweg sah er, wie Lebuda sich ein paar Tränen aus den Augen wischte. Oder war es Zippora? Nein, Zippora war – wenn er sich recht entsann – die Schwarzhaarige.

      Er küsste Eva und drückte sie fest an sich. Er fand, sie war ein wenig rundlicher geworden.

      Nun kamen auch die anderen näher, die Kinder und – Adam wurde sich der Tatsache bewusst, dass er inzwischen zweimal Großvater geworden war – die Enkel.

      Er drückte sie alle, einen nach dem anderen, an seine Brust, küsste sie, tätschelte ihre Wangen und sah ihnen in die Augen.

      Zippora schob einen der beiden jungen Männer nach vorn. „Das ist Henoch“, erklärte sie, „Kains Sohn.“

      Adam nickte und blickte anerkennend hinüber zu Kain.

      „Und das ist Abe“, sagte Lebuda und schob ihren jungen Mann vor, „Abels Sohn.“

      Adam erschrak ein wenig. Über den Namen. Zudem war der junge Mann seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.

      Er wandte sich rasch um und sagte er: „Und das ist Puschpusch, mein liebes, treues Kamel.“

      Alle lachten, mehr oder wenig. Wohl über den lustigen Namen. Das Kamel äugte sie an. Aber keiner streichelte es.

      Schließlich führten sie Adam wie einen verloren geglaubten König zu Tisch.

      Ihm war ein wenig bange zumute. Wann würden sie anfangen zu fragen: Warum warst du so lange weg? Warum bist du ohne Abel zurückgekehrt?

      Eva sagte: „Ich denke, du wirst hungrig und durstig sein nach der langen Reise.“

      „Ja, ja, in der Wüste ist es verdammt heiß...“

      Er sah, der Tisch war noch immer das alte Korbgestell, und auch die Speisen waren noch immer dieselben, Obst und Fisch.

      „Hungrig bin ich nicht“, sagte er, „aber durstig.“

      Eva reichte ihm einen Krug mit gepresstem Obstsaft.

      „Wein können wir dir leider nicht anbieten“, sagte sie.

      Adam stutzte.

      „Wir wissen ja gar nicht, was Wein ist“, erklärte Bitja.

      Und Abe: „Wein ist für uns nur ein Wort. Aber es muss etwas Köstliches, erwas Erquickendes sein, das fröhlich macht nach des Tages Mühen.“

      Nach des Tages Mühen? Hübsche Formulierung, dachte Adam.

      „Wir haben ja leider kein Schenke in Eden“, erklärte Henoch.

      „So wie am Nilstrom“, sagte Abe.

      „Im Ägypterland“, sagt Bitja.

      Mein Gott, wie munter sie drauflos plapperten, so als müsste er verstehen, was sie meinten.

      „Du kannst dir sicher denken, woher wir das alles wissen“, sagte Lebuda, „wir hatten ja inzwischen Besuch.“

      Adam brach der Schweiß aus.

      „So, so“, sagte er und versuchte zu lächeln, „ihr hattet Besuch?“

      Eva stand auf und nahm ihn an die Hand. „Nun komm mal mit in die Hütte.“

      „Eigentlich wollte ich Puschpusch erst was zu saufen geben und ihn von seinen Lasten befreien...“

      „Ja, ja, das kannst du ja machen. Aber erst muss ich dir etwas zeigen.“

      Die Kinder blieben draußen auf der Wiese. Adam meinte Kain den Kopf schütteln zu sehen.

      Eva zog ihn in den Hauptraum. Du liebe Güte, dachte er, hier sieht es ja aus, als wäre die Zeit stehengeblieben. Aber dann sah er es. Das, was Eva ihm offenbar unbedingt zeigen musste.

      „Sieht das nicht schön aus?“ fragte sie ihn.

      „Sehr schön“, sagte er.

      Eva ging in die Ecke und nahm die Tontafel von dem mit Blumen geschmückten Tischchen. Und dann hielt er sie in Händen, die kleine Kachel, und er ahnte, das war jetzt ein entscheidender Augenblick. Er durfte jetzt nichts falsch machen.

      „Eine Tontafel“, sagte er.

      „Na, ich denke, du erkennst sie wieder?“

      Adam nickte mehrmals und betrachtete die Einritzungen auf der Tafel, dergleichen hatte er auf seiner langen Reise freilich mehr als einmal zu sehen bekommen, wenngleich in ganz andrer Art und in anderen Zusammenhängen.

      „Nun verstell dich nicht, Adam. Oder muss ich dir vorlesen, was du mir geschrieben hast?“

      Adam war mehr verblüfft, als er sich anmerken lassen durfte. „Du willst mir vorlesen, was ich dir geschrieben habe? Ich wusste gar nicht, dass du inzwischen lesen gelernt hast.“

      Eva boxte ihn in die Seite.

      „Nun hör aber auf. Das ist Bilderschrift. Aus Ägypten. Du warst wohl an dem Abend schon mächtig betrunken, wie? Ich möchte nicht wissen, was du so alles getrieben hast am Nil. Also hör zu...“

      Adam starrte auf die Tontafel, genauer gesagt, auf Evas Finger, der nun viermal ruckend über die erste Zeichenreihe glitt.

      „Es – geht – mir – gut.“

      Adam grübelte, was für ein Abend am Nil das gewesen sein mochte.

      „Gott – ist – mit – mir “ Evas Finger ruckte über die zweite Reihe und dann über die dritte. „Gelobt – sei – der – Herr.“ Eva sah ihn an. „Na, und die vierte Zeile?“

      Adam schmunzelte vorsichtig.

      „Adam“, riet er.

      „Na also...“

      Er hätte schwören können, noch nie so wundervolle Sätze gehört zu haben. Fast staunte er über sich selbst. Besonders aber gefiel ihm sein Name, den er noch nie in Ton geschrieben gesehen hatte. Er fragte sich nur, woher, zum Teufel, Eva diese Tafel hatte? Von dem Besucher vom Nil? Aber wer war das gewesen?

      Eva trug das kostbare Stück zurück zu dem Tischchen.

      „Das war in all den Jahren meine Trostecke“, sagte sie. „Jeden Morgen habe ich sie mit frischen Blumen geschmückt. Und jeden Abend habe ich mir deine Worte vorgesagt.“

      Adam war gerührt. Ihm ging das Wort Opferstätte durch den Kopf. Womöglich hatte Eva in der Ecke sogar gebetet. Hoffentlich war sie nicht auch noch auf die Idee gekommen, seinetwegen irgendwelche Tiere zu schlachten.

      „Ach, Eva.“ Er nahm sie in den Arm. „Auch ich habe jeden Tag an dich gedacht. An euch alle. Auch ohne Trostecke. Glaub mir, es ist nicht leicht, so lange in der Fremde zu sein...“ Den nächsten Satz, der ihm schon auf der Zunge lag, nämlich dass er doch Abel habe suchen müssen, schluckte er einstweilen herunter.

      „Ich bin so froh, wieder bei euch zu sein“, sagte er.

      Sie küssten sich.

      Und Eva, als sie ihm dann über den leicht verflilzten Bart strich, sagte: „Na, nun geh mal zu deinem Puschpusch. Und nimm die Kinder mit. Sie werden dir helfen.“

      Die Kinder warteten bereits. Allein mochten sie nicht hinübergehen

      zu dem großen, fremden Tier, das geduldig in der Sonne lag und sab-bernd vor sich hin mampfte, ohne dass es, solange es hier war, etwas gefessen hatte.