Bernd Schremmer

Adam und Eva


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erste kam Zippora zu ihm.

      „Stimmt es, was Kain sagt, der Fremdling in deiner Geschichte war der Teufel?“

      Adam war mehr als erstaunt.

      „Teufel?“

      „Ja, Kain hat Teufel gesagt. Er meint damit den Erzbuben, den Gotteslästerer, den Satan. Und er sagt, wir müssen auf der Hut sein, weil der Kerl vielleicht wiederkommt, um Eden doch noch zu vernichten.“

      „Ja, ja“, sagte Adam, „das kann schon sein.“

      Zippora schien es zufrieden und ging an ihre Arbeit.

      Adam indes geriet ins Grübeln. Woher hatte der Junge das Wort Teufel?

      Es dauerte jedoch nicht lange, und Lebuda kam zu ihm.

      „Ach, Vater, was hast du bloß angerichtet. Abel ist ganz durch-einander. Er redet nur noch vom Baum des Wissens. Und er sagt, der Fremdling in deiner Geschichte wäre Gott. Er kann aber nicht verstehen, weshalb Gott so wütend war, wo doch der Vater – also der Vater in deiner Geschichte – die Prüfung bestanden habe.“

      „Nun ja“, meinte Adam, „Gott hat vielleicht nur so getan, als wäre er wütend – oder der Vater hat Gottes Verschwinden missverstanden.“

      „Ja“, sagte Lebuda, „das wäre natürlich eine Erklärung.“

      Sie schien es zufrieden und ging zu ihrer Mutter in den Hausgarten.

      Adam indes dachte, mit einiger Besorgnis, an Abel, dem der Baum des Wissens offenbar keine Ruhe ließ.

      Am Mittagstisch, als alle zusammensaßen, sagte Bitja zu ihm:

      „Ich habe noch mal über deine Geschichte nachgedacht. Ich glaube, dieser Fremdling kam gar nicht aus dem Land Nod, er war ein Menschenvogel.“

      Keiner lachte. – Alle blickten auf die kleine Figur mit den zwei Flügeln, die Bitja auch jetzt wieder in Händen hielt, so als könnte sie sich überhaupt nicht mehr von ihr trennen.

      Zippora sagte: „Ich glaube auch nicht, dass der Fremdling aus dem Land Nod gekommen ist.“

      „Wahrscheinlich gibt es das Land gar nicht“, sagte Kain. „Wie soll man sich denn das vorstellen, ein Land, wo nichts als Wüste ist!“

      „Aber ein Mensch mit Flügeln auf dem Rücken“, sagte Lebuda, „so etwas kann ich mir noch weniger vorstellen.“

      „Vielleicht ist es ja gar kein Mensch““, sagte Zippora. „Vielleicht ist es... Ach, ich weiß auch nicht.“

      „So ist es“, sagte Adam, froh, dass Zippora nicht auch noch das Wort Teufel ins Spiel brachte, „wir wissen es nicht.“

      „Aber du musst es doch wissen“, wandte sich Bitja erneut an den Vater. „Du hast uns doch die Geschichte erzählt.“

      Adam wurde einigermaßen verlegen. – Zum Glück kam ihm Eva wieder einmal zu Hilfe.

      „In jeder Geschichte, Bitja, muss es auch ein Geheimnis geben. Sonst ist es keine richtige Geschichte.“

      „Ja“, sagte Lebuda, „das denke ich auch. Es ist genau wie mit Gott. Um ihn ist auch ein Geheimnis. Wir wissen nicht, wie er aussieht, wo er sich aufhält, was er den ganzen Tag macht...“ Lebuda sah Abel an, als wartete sie, dass er ihr weiterhalf. Aber Abel schwieg.

      Abel schwieg die ganze Zeit, während sie beim Essen zusammensaßen. Danach nahm er seinen Hirtenstab und ging wieder zu seinen Schafen.

      Eva sah ihm besorgt nach, und zu Adam sagte sie: „Das war wohl keine Sternstunde gestern abend.“

      Sternstunde? – Adam lauschte erstaunt Evas neuester Wortschöpfung nach.

      „Warum, Adam“, fragte Eva, „hast du in deiner Geschichte drei Dinge weggelassen?“

      „Drei Dinge?“

      „Genau drei. Du hast verschwiegen, dass es beim Baum des Wissens um die Erkenntnis des Guten und Bösen geht. Du hast nichts von der Strafe gesagt, die demjenigen droht, der von den verbotenen Früchten isst. Und du hast nicht verraten, woher dein Fremdling von dem Geheimnis des Baumes wusste.“

      Stimmt, dachte Adam.

      „Ich wollte die Kinder nicht unnötig beunruhigen“, sagte er.

      „Na, beruhigt hast du sie nicht gerade“, sagte Eva. „Du hast es ja gehört, sie reden von nichts anderem mehr als von Gott, von Satan, vom Land Nod...“

      Langsam wurde Adam klar, dass das Geschichtenerzählen eine nicht ganz ungefährliche Sache war. Wie schnell konnte es dabei zu Verwechselungen kommen. Wie schnell verschwand die Begebenheit hinter der Darbietung der Begebenheit. Gestern abend, während des Erzählens, war ihm das nicht bewusst geworden. Der Strom der Erzählung hatte ihn einfach mit sich fortgetragen. Fast erschien es ihm jetzt, als besäße die Erzählung einen eigenen Willen. Und vielleicht war die Geschichte ja tatsächlich klüger als ihr Erzähler. Vielleicht waren die Fehler, die Eva bemängelte, gerade die Vorzüge der Erzählung. Eva selber, gelobt sei ihre Klugheit, hatte gesagt, jede richtige Geschichte habe ein Geheimnis. Warum also nicht auch das Erzählen selbst? – Für die Folgen, mochten sie noch so vielfältig sein, konnte der Erzähler, wie Adam fand, kaum verantwortlich gemacht werden. Oder doch?

      Allein, wie er es auch drehte und wendete, er machte sich Sorgen um seinen Sohn Abel. Warum schwieg er? Was ging in seinem Kopf vor? Worüber grübelte er? Nur über den Baum des Wissens?

      Adam dachte an die Gefahr, die von Gottes geheimnisvollem Baum ausging. Streng genommen aber hatte die Gefahr freilich schon vorher bestanden, bevor er, Adam, seine Geschichte erzählt hatte – und die Gefahr bestand nicht nur für Abel.

      Aber vielleicht, dachte Adam, mache ich mir unnötig Sorgen. Denn wenn er es recht bedachte, so hatte Gott sein Gebot nur zu ihm und Eva gesprochen. – Oder galt das Verbot auch für ihre Kinder, für jeden, der in Eden lebte, für alle Zeiten?

      Wir wissen zu wenig, dachte Adam, wieder einmal.

      Die Zeit aber verging. Und mit jedem Tag, an dem morgens über der Wüste groß und herrlich die Sonne aufging und sich ein jeder wie gewohnt an seine Arbeit begab, sank, so schien es, die seltsame Begebenheit wie auch Adams Geschichte mehr und mehr in Vergessenheit.

      Lebuda hütete das Feuer. Bitja und Zippora sammelten Reisig. Eva besorgte die Hütte und den Hausgarten. Adam ging Fische fangen. Abel hütete die Schafe. Kain versah die Feldarbeit. Gemeinsam berieten die Söhne, wie das Feuer bei dem nun täglich zu erwartenden Regen geschützt werden könne. Kain schließlich entsann sich des felsigen Hügels in der Nähe seines Kornackers, in dem Hügel gab es eine Höhle. „Wunderbare Idee“, lobte Abel den Bruder. Und Kain sagte: „Gott hat eben an alles gedacht.“ Die kleine Grotte aber befand sich gar zu weit entfernt von der Hütte. Und die Brüder dachten erneut nach. „Wir müssen uns auf unserer Wiese eben eine eigene kleine Höhle bauen“, sagte Abel. „In die Erde hinein“, sagte Kain. Und so geschah es. Rechtzeitig. Bevor der große Regen einsetzte.

      Adam war stolz auf seine Söhne. Und Eva nicht weniger. Und Lebuda am Feuer war froh, im Trockenen zu sitzen (auch wenn das Regenwasser ein paarmal drohte in die Feuerhöhle zu laufen).

      Als der Regen endlich vorüber war und das Feuer noch immer brannte, feierten sie alle zusammen den Tag der wiedergekehrten Sonne mit einem kleinen Fest. Kain wartete zur Feier des Tages mit einer neuen Idee auf. „Vielleicht kann man die Fische über dem Feuer ein bisschen brutzeln, dann schmeckte sie vielleicht noch besser.“ Das Ergebnis war ganz leidlich. Und Kain, einigermaßen stolz, dass er und nicht sein Bruder auf die Idee gekommen war, sagte: „Das Feuer ist eine wahre Gottesgabe.“ Das schien nur leicht und allenfalls dankbar dahingesagt, aber alle dachten sofort wieder an den ersten Feuerabend, als es so ausgesehen hatte, als würde der Wald brennen. Und Abel sagte, eigentlich mehr im Scherz: „Neulich hast du noch gesagt, das Feuer hätte der Satan gelegt, um ganz Eden zu vernichten.“ Kains Gesicht lief sofort rot an, doch dann riss er sich im letzten Moment zusammen. „Erfahrung“, sagte er, scheinbar