Bernd Schremmer

Adam und Eva


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wenn er anfängt zu erzählen von seinem Land Nod, wo man offenbar nicht mehr im Ledenschurz herumläuft.

      Und mitten im Wirbel seiner bangen Gedanken wurde Adam plötzlich gewahr, dass er hinter sich nicht mehr die Schritte hörte.

      Er fuhr herum – und fand sich allein auf dem dunklen Waldweg.

      Feuer und Wasser

      Und als nun Adam allein auf dem schattigen Waldweg stand und er sich vergebens nach allen Seiten hin umsah nach dem Mann aus der Wüste und er sich fragte, ob sich der Herr, der sich ElIblis nannte, in Luft aufgelöst hatte oder ob er vielleicht im nächsten Moment wieder leibhaftig vor ihm stünde, da wurde ihm noch ungemütlicher zumute als zuvor am Baum der Erkenntnis.

      Er fragte sich, ob der Fremdling mit ihm vielleicht ein bisschen Verstecken spielen wollte. Ob er, Adam, anfangen sollte, ihn zu suchen. Aber aus dem Alter harmloser Kinderspiele schien ihm der Alte eigentlich heraus zu sein.

      Adam fielen wieder die Worte ein, die jener gesprochen hatte: Gott ist allmächtig. Gott sieht alles, Gott hört alles, Gott weiß alles. Und vor allem: Gott vermag alles! Warum also nicht auch ein bisschen Zauberei? Oder war es nur Schabernack? – Aber da waren noch die anderen Worte gewesen, von den himmlischen Heerscharen, die angeblich auf der Erde ständig unterwegs waren, die man aber mit bloßem Auge gewöhnlich nicht sehen konnte. – Vielleicht war ja das Erscheinen des Herrn aus der Wüste einer jener außergewöhnlichen Augenblicke, in denen die Unsichtbaren für kurze Zeit sichtbar wurden.

      Adam wusste nicht, was er glauben sollte. Schlimmer noch, er wusste nicht, was er tun sollte. Einfach heimkehren zur Hütte? Aber was sollte er dort erzählen von dem spurlosen Verschwinden des Fremdlings? Wie würde sich das anhören, spurloses Verschwinden!

      Adam beschloss, noch ein wenig zu warten.

      Aber nichts geschah.

      Fast wünschte er sich, er hätte die Begegnung mit dem Mann aus dem Land Nod nur geträumt. Aber er wusste, er hatte sie nicht geträumt. Er war bei Abel gewesen auf der Weidewiese, beide hatten sie ihn kommen sehen, den Mann mit dem Stecken in der Hand, mit dem Beutel über der Schulter, und beide hatten sie mit ihm gesprochen, Abel hatte neugierige Fragen gestellt, und er, der Vater, hatte Abel zu Kain geschickt, um dem Bruder Bescheid zu sagen... Wenn Abel nicht dabei gewesen wäre, dachte Adam, dann bräuchte ich jetzt überhaupt nichts zu erzählen, dann könnte ich die Sache für mich behalten. Es würde ihm zwar nicht gefallen, vor Eva ein Geheimnis zu haben, aber immer noch besser, als sie in wer weiß was für Grübeleien zu stürzen.

      Allmählich wurde ihm klar, in welche Lage der Fremdling ihn gebracht hatte – und womöglich die ganze Familie.

      Eva sah ihrem Mann, kaum dass er zur Tür herein war, sofort an, dass irgendetwas nicht stimmte. Er wich ihrem Blick aus. Er sagte nichts. Nichts über Kain, nichts über Abel, die er doch hatte aufsuchen wollen.

      Bitja, die aus dem Nebenraum kam, um dem Vater zu zeigen, was sie am Nachmittag gemacht hatte – eine kleine Lehmfigur mit zwei Flügeln – , strich er, wie halb abwesend, über den Kopf, ohne die Figur richtig anzusehen.

      „Das ist ein Menschenvogel!“ erklärte Bitja mit Nachdruck.

      „Sehr schön“, sagte der Vater.

      Und Zippora, die nun ebenfalls aus Nebenraum kam, lachte.

      „Wie lustig. Ein Menschenvogel! Wann wirst du endlich erwachsen, Bitja?“

      Und Lebuda, die mit dem Früchtekorb fürs Abendessen aus dem Vorratsraum trat, sagte zu Zippora: „Lass sie! Sie hat eben die Phantasie.“

      „Phantasie!“ Zippora verzog verächtlich den Mund. „Die habe ich auch.“

      Eva wollte die beiden Mädchen, die sich neuerdings allzu oft stritten, zurechtweisen, in dem Moment traten die Söhne in die Hütte.

      Kain kam als erster herein. Er sah sich kurz um, und dann, nach einem drohenden Blick auf Abel, rannte er wie wild durch die Hütte, durch alle Räume. So hatte Eva ihn noch nicht erlebt. Schließlich kehrte er zurück und trat vor seinen Bruder hin.

      „Wo ist er denn nun, dein Wüstenmann?“

      Und Abel, sichtlich hilflos, stand da und sah den Vater an.

      „He, mach das Maul auf! Ich habe dich was gefragt!“ Kain gab Abel einen Stoß vor die Brust. „Wo ist er, dein Wüstenmann? Ist dir beim Schafehüten mal wieder der Verstand durchgegangen?“

      „Kain!“ rief Eva.

      Aber Kain hörte nicht auf sie. Er begann, mit beiden Fäusten auf seinen Bruder einzuschlagen.

      „Wolltest du mich zum Narren halten? Wolltest du dich wieder mal wichtig machen mit deinen Einfällen?“

      „Hör auf!“ rief Lebuda und wollte dazwischengehen. Aber Kain stieß sie zurück.

      „Warum erzählt er mir so einen Blödsinn? Ein Mann, der aus der Wüste kam!“

      Und Abel stand immer noch da und steckte, ohne sich zu wehren, die Schläge ein.

      Lebuda konnte es nicht mehr mit ansehen und lief aus der Hütte.

      Und Eva, die immer noch nicht begriff, worum es eigentlich ging, sah Adam an: „Nun tu doch endlich etwas!“

      Adam gab sich einen Ruck und sagte:

      „Kain, hör auf! Er ist dein Bruder!“

      Kain stieß Abel von sich weg.

      „Mein Bruder! Warum erzählt er mir dann so einen Blödsinn, von einem Mann, der aus der Wüste kam?“

      Eva fand auch, dass es etwas seltsam klang.

      „Beruhige dich, Kain“, sagte Adam. „Es ist kein Blödsinn. Wir beide, Abel und ich, wir haben ihn ...“

      Weiter kam er nicht. Lebuda kehrte von daußen zurück und rief, wie aufgelöst:

      „Der Wald! Der Wald! Er leuchtet! Er macht Wolken!“

      Mit einem Schlag war es still in der Hütte. Und alle starrten Lebuda halb ungläubig, halb erschrocken an.

      Kain war der erste, die sich wieder fasste.

      „Der Wald?“ sagte er.

      „Er macht Wolken?“ sagte Zippora, ziemlich spöttisch.

      Und Bitja, die noch immer ihren Menschenvogel in der Hand hielt, sagte: „Er leuchtet?“

      „Ja doch!“ rief Lebuda. „Ganz hell, gelb und rot! So etwas habe ich noch nicht gesehen.“

      Eva sah, dass Lebuda am ganzen Leib zitterte.

      „Kommt doch raus und seht selber!“ rief Lebuda.

      Und nun liefen alle hinaus, Kain als erster, und dann standen sie auf der Wiese und sahen es mit weit aufgerissenen Augen, das Flackern weit hinter den hohen Bäumen.

      „Du liebe Güte“, murmelte Eva.

      „Was ist das?“ sagte Zippora.

      Und Abel sagte: „Ich glaube, das ist ein Feuer.“

      Einen Moment lang schien es, als würde das Wort, das keiner bisher je gehört hatte, alle, außer Abel, mehr erschrecken als das Leuchten, das sie sahen, das Flackern und die dicken Wolken, die in den dämmrigen Himmel aufstiegen.

      „Du hast recht“, sagte Kain schließlich zu Abel. „Es muss ein Feuer sein.“

      Und Adam, der Vater, sagte: „Es brennt...“

      Eva legte unwillkürlich ihre Arme um Bitja und Zippora.

      „Es muss auf dem Stoppelacker sein“, sagte Kain. „Wir müssen hin!“

      „Ja“, sagte Adam, „wir müssen hin. Sonst brennt ganz Eden ab.“

      Er beschied Eva, mit