Bernd Schremmer

Adam und Eva


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sagte Adam am nächsten Abend, nachdem die Gefahr überstanden und die dringendsten Arbeiten abgeschlossen waren und sie auf ganz neue Weise vor der Hütte saßen, dicht am Ufer, im Schein des sacht flackernden kleinen Feuers, das sie in einem schützenden Ring aus Felssteinen mit Reisigstöcken am Brennen hielten. „Feuer und Wasser“, sagte Adam. „Man könnte sagen, es sind zwei Elemente. So jedenfalls hat es Abel ausgedrückt. Er ist wirklich ein heller Bursche. Feuer brennt, und Wasser löscht. Und doch – auch die Elemente haben, wie wir jetzt wissen, ihre zwei Seiten...“

      Eva musste schmunzeln. Kaum waren die Aufregungen und Anstrengungen vorüber, schon kam bei Adam wieder der Denker zum Vorschein. Dabei musste er ihr das Ganze gar nicht so umständlich noch mal zu erklären versuchen. Schließlich war sie die meiste Zeit bei allem dabei gewesen. Zunächst hatte sie mit den Mädchen auf der Wiese gestanden, und mit bangen Blicken hatten sie das hinter den Bäumen lodernde Feuerlicht beobachtet, das nach einer Weile langsam kleiner wurde. Die Männer, wie Adam später berichtete, hatten inzwischen, weil ihnen nichts Besseres einfiel, begonnen, mit bloßen Händen Sand ins Feuer zu werfen, was aber nicht allzu viel half. Und dann, so Adam, war ihnen das Himmelswasser zu Hilfe gekommen. Ein feiner Regen aus einer einzelnen dunklen Wolke. Das war, so Adam, der Moment einer großen Erkenntnis gewesen: Wasser löscht Feuer! Aber davon wusste die Frauen auf der Wiese noch nichts. Und Bitja, als das Feuerlicht nun immer schwächer wurde, sagte: „Wie schade. Es sah so schön aus.“ Zippora lachte, Lebuda aber dachte einen Moment nach. Dann sagte sie: „Du hast recht Bitja, es sah schön aus. Und so hell“, und dann rannte sie los. Als sie auf dem Stoppelacker ankam, war das Feuer schon halb heruntergebrannt. Die Männer, mit vom Regen nassglänzender Haut, standen da und sahen erleichtert in die kleiner werdenden Flammen. Lebuda aber trat zu ihnen und sagte: „Wir sollten das Licht vielleicht retten.“ Abel sah sie verblüfft an: „Du hast recht, Lebuda. Wenn wir das Feuer haben, dann haben wir immer Licht, nicht nur am Tag, auch am Abend.“ „Und wir haben immer Wärme“, sagte Kain. „Und wer weiß, was man noch alles damit machen kann.“ Adam staunte über seine gescheiten Kinder. Und Lebuda sagte zu ihren Brüdern: „Hütet das Feuer! Ich laufe los und hole eine von unseren Lehmschalen.“ Und so geschah es. So gelangte das Feuer, so gelangten das neue Licht und die Wärme zur Hütte, auf die Wiese, ans Flussufer. Den ganzen Tag über hatten sich die Geschwister abgemüht, hatten Steine herbeigeschleppt, Reisig gesammelt, hatten sich am Feuer abgewechselt, um aufzupassen und dafür zu sorgen, dass es nicht erlosch. Und nun, nach all den Aufregungen und Mühen, saßen sie, Eva und Adam, und hielten Wache bei den kleinen züngelnden Flammen. Und Adam sagte, mehr zu sich selbst: „Es muss etwas zu bedeuten haben. Feuer und Wasser. Zwei sich streitende Elemente. Es ist doch sonderbar, dass wir das gerade gestern erfahren haben...“

      „Gestern“, sagte Eva. „Du meinst, weil es nach so langer Zeit endlich wieder einmal geregnet hat.“

      „Ja, aber nicht so stark wie sonst“, sagte Adam. „Und nicht sehr lange. Und genau im richtigen Augenblick.“

      „Das kommt eben vor“, sagte Eva.

      „Ja“, sagte Adam, „das kommt vor.“

      „Und was machen wir“, sagte Eva, „wenn es wieder anfängt zu regnen und viel kräftiger und länger als gestern abend?“

      Adam blickte zum Himmel. Der Mond schien, die Sterne funkelten, kein Wölkchen weit und breit.

      „In die Hütte holen können wir das Feuer nicht.“

      „Das weiß ich auch“, sagte Eva und legte ein Stück Reisig nach. „Wir müssen eben ein Dach errichten über dem Feuer.“

      „Ein Dach?“

      „Natürlich eins, das nicht brennt.“

      „Ach, was habe ich doch für eine kluge Frau.“

      „Spotte nicht“, sagte Eva. „Gib mir lieber einen Kuss.“

      „Darüber muss ich erst nachdenken.“

      „Was?“

      Adam nahm seine kluge Frau in den Arm. „Ich meine“, sagte er, als er sich von ihren Lippen wieder getrennt hatte, „über das Dach. Wie wir das hinkriegen, dass es nicht anbrennt.“

      „Ach, ihr werdet das schon schaffen.“ Eva schmunzelte. „Notfalls machst du mal wieder einen deiner Denkerspaziergänge.“

      Eva gab ihrem Mann noch einen zärtlichen Kuss auf die Wange, dann stand sie auf.

      „Ich leg mich jetzt hin. Weck mich, wenn du nicht mehr kannst. Ich löse dich dann ab.“

      „Ach was“, sagte Adam, „schlaf nur. Und träum` was Schönes!“

      Eva lächelte, ging zur Hütte, drehte sich aber noch einmal um und sagte:

      „Und morgen, Adam, morgen abend erzählst du mir endlich, wie das nun mit dem Mann aus der Wüste war!“

      Eine Geschichte mit Folgen

      Für Adam begann eine schwierige Zeit.

      Schon in der Nacht, als er allein am Feuer saß, hatte er eine Art Vorahnung. Er fragte sich, ob er wirklich allein war? Irgendwie fühlte er sich beobachtet. Vielleicht war der Wanderer aus der Wüste ja gar nicht verschwunden war, vielleicht befand er sich immer noch in Eden.

      Adam wusste sich keinen Rat, wie er seine dunklen Empfindungen Eva nahe bringen und was er ihr überhaupt von seinem Walderlebnis erzählen sollte. Und letztendlich nicht nur ihr, sondern auch den Kindern, allen voran Abel, der den Fremdling ja mit eigenen Augen gesehen hatte.

      Adam schlief nach der durchwachten Nacht – er war natürlich ein paar Mal eingenickt, aber jedesmal rechtzeitig wieder aufgewacht, weil ihm kalt geworden war – bis in die Mittagszeit hinein.

      Welch ein Bild paradiesischen Friedens, dachte er, als er einigermaßen erholt aus der Hütte trat. Lebuda saß am Feuer. Zippora bereitete auf der Wiese den Mittagstisch vor. Eva brachte den Früchtesalat heraus. Bitja spülte am Wasser noch das Gemüse. Kain und Abel traten aus dem Wald, erfrischten und wuschen sich kurz am Flussufer. Eine einträchtige, fröhliche Familie. Und doch, dachte Adam, wie trügerisch war das Bild. Keiner sprach mit ihm ein Wort.

      Und gleichzeitig befiel ihn wieder dieses seltsame Gefühl, dass er beobachtet wurde.

      „Heute abend“, sagte er schließlich, als alle am Tisch saßen, „nach dem Abendessen. Drüben am Feuer.“

      Alle sahen ihn an und verstanden sofort, was er meinte, sie nickten, der eine mehr, der andere weniger.

      Danach wurde es etwas lebhafter am Tisch.

      „Wir brauchen mehr Reisig“, sagte Lebuda.

      „Ich hab schon welches gesammelt“, sagte Kain.

      „Wie schön“, sagte Lebuda.

      „Ich komme dann rüber zu dir“, sagte Abel, „und helfe dir beim Tragen.“

      „Nicht nötig“, sagte Kain. „Das schaffe ich schon.“

      Die beiden waren anscheinend immer noch nicht ganz fertig mit ihrem Zwist, dachte Adam.

      Und Eva, die es wohl auch spürte, lenkte das Tischgespräch, das seit gestern irgendwie anders verlief als früher, auf die Regendachfrage, die sie mit den Söhnen offenbar schon besprochen hatte.

      Abel sagte: „Ein Dach bauen, das geht nicht. Woraus sollte es bestehen? Aus Holz? Das wäre zu gefährlich...“

      „Soweit waren wir heute morgen schon“, sagte Kain mürrisch.

      „Nun lass ihn doch mal ausreden“, sagte Lebuda.

      „Bitte sehr“, sagte Kain. „Vielleicht hat er ja wieder den Wüstenmann getroffen, und der hat ihm einen Tipp gegeben.“

      „Kain!“ ermahnte ihn Eva.

      „Ja doch. Ich halt ja schon den Mund.“

      Eifersucht,