Bernd Schremmer

Adam und Eva


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mit der Schlange nicht.

      Oder war Eva diejenige, mit der etwas nicht stimmte? Dass sie meinte, eine Schlange sprechen zu hören? Und das auf so unbotmäßige Weise, indem Gottes Wort ins Gegenteil verkehrt wurde? Ausgeschlossen. So etwas würde Eva nie einfallen.

      Um seine Gedanken abzulenken, blickte Adam wieder zu den

      im Sonnenlicht rötlich schimmernden Fischen. „Warum nur“, so sprach er, „strengt ihr euch so an und springt über die Steine? Warum lasst ihr euch nicht treiben mit dem Strom? Und wo wollt ihr überhaupt hin? Ins Meer?“

      Aber auch die Fische gaben ihm, genauso wie der Fluss, erwartungsgemäß keine Antwort. Und Adam überlegte, ob er mal wieder ins Wasser steigen sollte. Herrschet über die Fische im Meer. So hatte Gott gesprochen. Adam hatte es so verstanden, dass er Fische fangen sollte. Und fast jedesmal, wenn er hierher zu den Stromschnellen kam, fing er ein oder zwei Forellen, die er dann abends mit Eva verspeiste. Die Forellen hatten zartes, rosarotes Fleisch. Leider auch Gräten. Wie alle anderen Fische auch. Adam machte sich schon seit längerem Gedanken darüber, ob sie sich die Fische nicht auf irgendeine Weise zubereiten sollten. Aber welche Weise?

      Er wandte dem Fluss den Rücken. Sollten die Fische sich ruhig weiter ungestört anstrengen, um stromaufwärts zu gelangen. Zum Meer. Oder wer weiß wohin.

      Unter dem Wort Meer, das Gott so leichthin ausgesprochen hatte, konnte sich Adam beim besten Willen nichts vorstellen. Wie dieses Meer beschaffen war, wo er lag, das war ihm ein Rätsel.

      Nun waren ihm Rätsel eigentlich geradezu eine Lust. Sie belebten ungemein das Denken. Aber wie sollte man ein Rätsel lösen von etwas, das man weder gesehen noch jemals gehört, gerochen, geschmeckt hatte?

      Immer nahe am Ufer entlang, kam er schon bald zu dem Bach, dem Gott, der Herr, als er mit ihnen durch den Garten Eden gegangen war, keinen Namen gegeben hatte. Adam nannte ihn Euph. Ein klares, lustig sprudelndes Wasser, das sich in den Prat ergoss. Ein leises, unaufhörliches Gemurmel. So dass man fast meinen konnte, es wolle einem was erzählen.

      Natürlich erzählte es nichts, das munter sprudelnde Wasser.

      Oder doch?

      Vielleicht musste man nur genau hinhören. Der Bach entsprang, wie Adam bereits vor längerer Zeit erforscht hatte, der Erde. Weit drinnen im Wald zwischen Moosen und Felssteinen. Er nannte die Stelle Quelle.

      „Was sagst du?“ Adam beugte sich hinab zu dem murmelnden Bach. „Ich verstehe dich nicht. Sprich deutlicher. Du sagst, du kämest aus der Tiefe?“

      Da musste Adam lächeln. Nach wunderbar, dachte er, das weiß ich doch selber.

      Und also beschloss er, wieder heimzukehren zu Eva, seinem Weib, das sicher schon mit dem Essen auf ihn wartete.

      Eva stand bereits in der Tür und sah ihn kommen. Heiteren Schrittes. Und schon von weitem winkte er ihr zu, so wie stets, wenn er von seinen Gedankenwanderungen heimkehrte. Den Kopf voller neuer Wörter.

      Und Eva, erleichtert, dass er nicht aus dem Wald kam, sondern wie gewohnt vom Fluss, winkte lebhaft zurück.

      Ach, was hatte sie doch für einen schön gewachsenen Mann. Wie verlockend glänzten in der Abendsonne seine braunge brannten Schultern, seine Arme, seine Lenden. Nicht auszudenken, dachte Eva, auch Adam würde der Schlange begegnen und ihren Worten erliegen!

      Jedenfalls brachte er, soweit sie sehen konnte, keinen rotbäckigen Apfel mit nach Hause.

      „Stell dir vor...“ Adam gab ihr wie stets, wenn zurückkehrte, einen Kuss. „Ich habe ein neues Wort entdeckt.“

      „Ein neues Wort?“ Eva tat ein bisschen erstaunt.

      „Das Wort Kunststückchen.“

      „Wie schön.“

      „Ich hab es den springenden Fischen abgeschaut.“

      „Den Forellen?“

      „Den Forellen, du weißt, die in die Luft springen gegen den Strom. – Entschuldige, Eva, dass ich heute keinen Fisch mitgebracht habe.“

      „Das ist nicht schlimm, Adam. Ich habe für heute abend noch ein Stück vom Hasen. Aber was bedeutet das Wort Kunststückchen?“

      „Ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht. Ich muss noch darüber nachdenken.“

      Da lachte Eva.

      „Ach, Adam, was bist du doch für ein unermüdlicher Denker.“

      Da sah Adam sie an, als hätte er nicht recht verstanden.

      „Denker?“ sagte er.

      „Na, das bist du doch, Adam. Ein Denker.“

      „Ja, ja“, sagte er. „Das bin ich wohl. Aber dieses Wort...“

      „Gefällt es dir nicht?“

      „Warum, Eva, sollte es mir nicht gefallen? Du weißt, ich freue mich über jedes neue Wort, das du entdeckst. Mag es auch noch so ausgefallen sein. Es beweist mir, was für eine kluge, erfindungsfreudige Frau ich habe.“

      Da musste Eva schmunzeln. Adam wusste, wie gern sie Komplimente hörte.

      Und so schwatzten und scherzten sie und gingen schließlich ins Haus. Und Eva war froh, dass Adam so guter Dinge war und mit keinem Wort auf ihre Begegnung mit der gotteslästerlichen Schlange zurückkam.

      Den ganzen Abend rührten sie mit keiner Silbe daran.

      Und so vergingen die Tage, die Abende, die Monde.

      Gemeinsam verrichteten sie ihre Arbeiten im Haus, besprachen ihre Mahlzeiten, probierten neue Speisen aus, erfreuten sich an den Blumen und Kräutern in Evas Hausgarten, erjagten mal einen Hasen, mal eine Taube, mal einen Wiesel, ernteten von den Bäumen und Sträuchern, lagen in der Sonne, lauschten den zwitschernden Vögeln, kannten weder Not noch Mühe, und nachmittags, wenn auch nicht jeden, so doch fast jeden zweiten Tag, machte sich Adam auf zu seinem Spaziergang.

      Adam ging. Und war froh. Sie denkt nicht mehr daran, dachte er. Sie hat die Schlange abgetan, aus ihrem Kopf verbannt.

      Er lief, anfangs wie üblich am Ufer entlang, doch nach etwa hundert Schritten, sobald Eva ihn von der Hütte aus nicht mehr sehen konnte, verließ er heute den Fluss und ging hinein in den Wald.

      Es war ein etwas windiger Tag. Die Blätter rauschten in den Zweigen. Die Blätter, die sich wieder einmal gelblich färbten, vereinzelt schon von den Bäumen fielen. Es wurde Herbst. Schon vor etlichen Monden hatte Adam beschlossen, die wechselnden Farben in der Natur Jahreszeiten zu nennen.

      Allein, seine Gedanken waren heute mit etwas ganz anderem befaßt. Er hatte in der Nacht einen Traum gehabt. Einen Traum, so sonderbar, wie noch kein Traum zuvor.

      Er war auf einem Esel durch die Wüste geritten.

      Es war ihm schleierhaft, wie er so etwas hatte träumen können. Noch nie hatte er auf dem Rücken eines Esels gesessen. Dass Eden, Gottes herrlicher Garten, sich nicht endlos weit erstreckte, wusste er allerdings schon von früheren Spaziergängen. Ohne dass er sich bisher groß Gedanken darüber gemacht hatte. Doch nun war die Wüste, die Eden umgab, in seinem Traum erschienen. Sie war in seinem Kopf.

      Sich immer weiter vom Fluss entfernend, kämpfte sich Adam, die Sonne im Rücken, durch Gebüsch und Gestrüpp vorwärts in jene Richtung, in der er die Wüste sehr nahe wusste.

      Er traf einen Fuchs, der ihn aber nicht weiter beachtete. Er begegnete einer grauen Katze, die ihn verwundert ansah und dann weiterschlich. Er hörte einen Hirsch, der sich durch knackendes Geäst seine Bahn brach. Allein, die durch die Bäume flimmernde Sonne senkte sich schon, und der Weg wurde Adam länger und länger. Was ihm Schritt um Schritt seltsamer vorkam. Bis er schließlich einsehen musste, dass er sich verirrt hatte. Denn plötzlich stand er mitten auf einer Wiese.

      Es war, wie er sofort erkannte, das kleine Rasenstück in der Mitte des Gartens, und er stand genau zwischen den beiden Bäume, die, laut Gottes Wort, anders waren als