Mira Birkholz

Dolúrna


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      „Nein, äh, ich wollte erst“, stammelte sie nervös, „ich mach‘ das eben.“

      Und schon blieb Hazel mit dem gehetzten Magnus zurück, der von ihren breiten Schultern auf einen Rücken schloss, der auch den schweren Kübeln gewachsen war. Mit etwas Selbstdisziplin ginge es schon. Und mit Tempo!

      Nach knappen zehn Minuten stand der letzte Topf im Regal, und Magnus sprach belehrend:

      „Siehst du, so schnell kann man abladen und wegräumen! Da braucht man nicht zu dritt hier rumstehen und lange reden!“

      Mit einer forschen Handbewegung wies er auf die Reihe Kübel, die lieblos angeordnet das Regal ausfüllte.

      „Die Ware muss immer so präsentiert werden, dass die Kunden sie gut sehen können!“

      Hazel stand mit vor Anstrengung geröteten Wangen vor dem kleinen Mann und kämpfte gegen ihre Wut im Bauch und den Schmerz im Rücken, während ihr Chef ruckartig den Hubwagen wendete und plötzlich ein großer Terrakotta-Kübel ins Wanken geriet. Hazel stürzte darauf zu, doch dieser hatte bereits den Rückweg zur Palette angetreten, auf der er mit lautem Knacken und Krachen in unzählige Stücke zerbarst.

      Mit geweiteten Augen starrte Magnus auf Hazel, auf den Topf und wieder auf Hazel.

      „Du darfst sie nicht zu nah an den Rand stellen!“

      Daraufhin kehrte Magnus ihr den Rücken zu und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Nur nicht so lautlos, denn noch vom Hof her konnte Hazel die scharfe Stimme ihres Chefs vernehmen, die ohne Unterlass leise Verwünschungen auszustoßen schien.

      „Der spinnt doch!“, rief nun auch Hazel, die ihre Wut nicht länger unterdrücken konnte.

      Caitlin kam herbeigeeilt, nicht ohne hastig den Kopf in alle Richtungen zu wenden, um ja nicht ins Blickfeld des tobenden Chefs zu gelangen.

      „Es tut mir so leid, Hazel!“, jammerte sie.

      „Dass ich den schönen Topf kaputtgeschmissen habe?!“

      Unwirsch strich Hazel sich eine verschwitzte Haarsträhne aus dem feuchten Gesicht. Weiße Terrakotta-Spuren auf der Wange und in ihrem Pullover zeugten von unkontrollierten Bewegungen, die Magnus mit seinem Tempo forciert hatte.

      „Quatsch! Ich meine, ja, das auch, dass er kaputt ist, der Topf, äh, nein, ich meine das mit deinem Traum! Dass ich es verraten habe.“

      Kläglich sah Caitlin sie an.

      Mit ihrem spitzen Gesicht und dem feinen blonden Haar wirkte sie wie ein kleines Mäuschen, das sich vor der Katze duckte. Ihre Finger verknoteten sich ineinander, während ihre hellen Augen hastig von Hazels Gesicht zu ihren Füßen huschten.

      „Ich wollte doch auch mal was Freches sagen“, erklärte sie kleinlaut und senkte den Blick.

      „Zu Jamie, meine ich.“

      Überrascht blickte Hazel sie an.

      „Du bist doch nicht etwa?“ Hazel brach in Gelächter aus. Caitlin schüttelte heftig den Kopf.

      „Du bist tatsächlich in Jamie verknallt!“ stellte Hazel prustend fest.

      „Ach, Quatsch.“

      „Wieso?! Ist doch aufregend, Caitlin!“, strahlte Hazel ihre Kollegin an.

      „Komm‘, das müssen wir ihm gleich erzählen!“

      „Wehe, Hazel! Wehe, wenn du das tust!“

      Entsetzt blickte Caitlin in zwei unschuldig wirkende Haselaugen.

      „Du hast mich doch auch verraten“, grinste Hazel herausfordernd.

      „Das tut mir ja auch leid!“

      Unglücklich senkte Caitlin den Blick und pulte nervös das Preisschild von einem der Töpfe. Hazel hatte Mitleid mit ihrer Kollegin, die sich immer kleiner machte als sie ohnehin schon war.

      „Ach, vergiss‘ es einfach. Frieden, okay?!“, schlug sie vor, und Caitlin nickte erleichtert.

      „Ich find’s total spannend, dass du in Jamie verliebt bist!“

      „Ach, das hat wohl nicht viel Sinn“, befürchtete Caitlin. „Er steht doch auf dich. Und dann ist da ja noch Emily.“

      Emily war Caitlins achtjährige Tochter, deren Vater vor vier Jahren verschwunden war. Eines Morgens war Caitlin erwacht, und außer einer kurzen Notiz „Such mich nicht! Jake“ hatte er nichts zurückgelassen. Doch, seine kleine Tochter, die Caitlin über alles liebte.

      „Wenn Jamie keine Kinder mag, wird aus uns sowieso nichts! Emily wird bei mir immer an erster Stelle stehen“, erklärte Caitlin.

      „Bevor ich mich auf einen neuen Mann einlasse, muss ich mir schon ziemlich sicher sein, dass er zu uns passt. Emily soll sich nicht andauernd umgewöhnen, nur weil ich mich in den falschen Mann verliebt habe! Sie ist so labil, seit Jake verschwunden ist. Es reicht schon, dass sie nach den Sommerferien einen neuen Klassenlehrer bekommt.“

      „Willst du den etwa auch mit frechen Bemerkungen locken?“, fragte Hazel übermütig.

      „Natürlich nicht!“; Caitlin wehrte entschieden ab.

      „Wer ist er denn? Dein Mr. Winter?“

      „Nein, „mein“ Mr. Winter ist in Pension gegangen. Der wird Emily nicht mehr ärgern. Wenn ich daran denke, wie er mich in Mathe schikaniert hat, könnte ich ihm noch heute vor sein Holzbein treten!“

      „Caitlin!“, rief Hazel überrascht. „Du kannst ja richtig zur Furie werden!“

      „Ja, und wenn dieser neue Lehrer Emily auch nur ein Haar krümmt, dann…“

      „Glaubst du, er hat auch ein Holzbein?“, kicherte Hazel.

      „Nein, aber er kommt nicht von hier.“

      „Was ist daran so schlimm?“

      „Eigentlich nichts. Aber es wird erzählt, er komme aus Frankreich!“

      Mit großen Augen sah Caitlin ihre Kollegin an und erwartete einen Ausruf des Erstaunens, wie sie ihn von den Eltern in Emilys Klasse gehört hatte, doch Hazel blieb gelassen.

      „Ist doch schön. Dann kann er ihnen Französisch beibringen.“

      „Aber er unterrichtet doch Biologie und Geschichte!“

      „Na und? Dann lernen sie eben was über französische Bienen und Blumen“, grinste Hazel, „und über die Französische Revolution sowieso.“

      „Hoffentlich kommt es in der Schule nicht zur Revolution!“

      „Warum?“

      „Das Kollegium steht dem Fremden misstrauisch gegenüber. Und die Eltern auch.“

      „Mensch, Caitlin! Frankreich ist doch quasi nebenan! Glaubst du, der kommt aus einer Höhle gekrochen?!“ Hazel hielt sich den Bauch vor Lachen.

      „Nein, das nicht“, räumte Caitlin ein, „aber ein Fremder ist er doch!“

      „Bevor ich hier angefangen habe zu arbeiten“, bemerkte Hazel spitz, „war ich für dich auch eine Fremde!“

      „Ja, schon. Aber du kamst immerhin aus England!“

      „England ist auch nur einen Katzensprung von Frankreich entfernt! Einmal über den Kanal schwimmen – zack – und schon bist du da!“

      „Ja, das kannst du vielleicht, Hazel! Du bist die große Schwimmerin, aber Grenze bleibt Grenze. Und er kommt ganz aus Dijon!“

      „Ach, Caitlin! Gebt ihm doch erst einmal eine Chance! Vielleicht ist er ja ganz nett. Ist doch völlig egal, wo er herkommt, solange er seinen Job gut macht!“

      „Du hast leicht reden! Du hast ja kein Kind.“

      „Na,