Mira Birkholz

Dolúrna


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hatte. Die Leute seien misstrauisch gegenüber diesem „Fremden“, wie sie ihn nannten und fürchteten, er könne der Ausbildung ihrer Kinder schaden. Wer wusste schließlich, ob er korrekt Englisch sprach? Und was trieb ihn überhaupt von Frankreich nach Schottland, fragten sich nicht nur die betroffenen Eltern.

      Mary vermutete das Schlimmste, hatte Matthew erzählt und sich ausgeschüttet vor Lachen, als er Connor von ihrer Theorie berichtet hatte. Mary glaube, Connor gehöre einer Sekte an und sei des Landes verwiesen worden, weil er mit Zauberei versucht habe, das Böse im Land zu verbreiten. Vielleicht war er so etwas wie ein Terrorist, hatte sie Matthew in der Küche zugeflüstert, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass alle Fenster und Türen verschlossen waren. Mit seiner kräftigen Statur und dem pechschwarzen, lockigen Haar sehe er aus wie einer dieser Attentäter, die in irgendeinem Terrorcamp in einem dieser gefährlichen Länder ausgebildet worden war. Wie einer, der an den islamischen Gott glaubte und sich selbst in die Luft sprengte, damit er sich dessen Gnade würdig erwies. Und nun wolle der fremde Mr. Wood seine radikalen Ideen möglicherweise nach Schottland einschleppen, schließlich habe sie ihn bei seinem Hokuspokus auf der Wiese beobachtet!

      Connor hatte Matthew entsetzt angestarrt und keine Worte gefunden.

      Doch dieser hatte nur gelacht und ihm erklärt: „Weißt du, Connor, meine Frau hat ihr ganzes Leben in diesem Ort verbracht. Sie wurde hier geboren, ist hier zur Schule gegangen, zugegeben nur wenige Jahre, hat auf dem Hof der Sinclairs Hauswirtschaft gelernt und schließlich einen Mann geheiratet, der ihr nicht die große Welt bieten kann!“

      Matthew hatte mit den Schultern gezuckt.

      „Dadurch hat Mary nie etwas Anderes kennengelernt, außer des Markttratsches vielleicht“, fügte er kopfschüttelnd ein, „und der Reportagen im Fernsehen, die von Terroranschlägen und der bedrohten inneren Sicherheit unseres Landes berichten.“

      „Ihr Weltbild scheint ziemlich verzerrt zu sein“, hatte Connor ernst festgestellt.

      „Ja“, seufzte Matthew, „und leider steht sie damit nicht allein. Ihre Freundinnen, die regelmäßig zum Teeklatsch kommen, teilen Marys Meinung und stehen Fremden sehr misstrauisch, wenn nicht gar feindselig, gegenüber.“

      „Das erklärt ihr Verhalten im Haselnussgebüsch“, hatte Connor versucht, dem Thema etwas Heiteres abzugewinnen.

      Matthew war sich mit beiden Händen über die Augen gefahren, als wollte er fortwischen, was er gesehen hatte.

      „Manchmal mache ich mir Sorgen um sie, Connor“, hatte er ihm anvertraut.

      „Mary denkt sich Geschichten aus und glaubt schließlich daran. Nun gut, ich könnte vielleicht darüber lachen – wenn sie auf unserem Hof blieben. Aber Mary trägt sie hinaus in den Ort und infiziert andere Menschen mit ihren irrsinnigen Ideen.“

      „Willst du damit sagen, Matthew“, hatte Connor halb ernst, halb lachend gefragt, „die Einwohner von Portmullen halten mich für einen Terroristen? Für jemanden, der das Böse bringt?“

      Matthew hatte gezögert.

      „Wenigstens glauben viele, du seist eine Gefahr für ihre Kinder“, hatte er zügig das Thema beendet und Connor auf den herrlichen Morgen aufmerksam gemacht.

      „Ich werde versuchen“, versprach Connor seinen neuen Kollegen, „den Kindern unserer Schule ein guter Lehrer zu sein und sie all das zu lehren, was sie für ihr weiteres Leben benötigen werden.“

      Die ältere Dame, die ihm genau gegenüberstand, räusperte sich geräuschvoll.

      „Und gerne“, fügte Connor lächelnd hinzu, „werde ich mich mit wertvollen Ratschlägen meiner neuen Kollegen auseinandersetzen.“

      Er blickte in die strahlenden Augen einer jungen Frau, die sich ihm bereits als Lucy vorgestellt hatte, noch bevor Mr. Guthrie im Lehrerzimmer erschienen war.

      „Herzlich willkommen, Connor! Ich bin Duncan“, beendete nun ein junger Kollege in Jeans und Turnschuhen die Förmlichkeiten und trat erneut an Connor heran, klopfte ihm auf die Schulter und erklärte, er sei im letzten Sommer in Frankreich gewesen und habe sowohl die Kultur, als auch das gute Essen genossen.

      „Ja“, bestätigte Connor lachend, „davon gibt es reichlich! Kultur und Essen, meine ich!“

      „Und erst die guten französischen Weine!“, schwärmte Duncan und schloss verträumt die Augen, als sehe er die Weinberge wieder vor sich und sitze in einem schummerigen Lokal mit einer Flasche rotem Bordeaux.

      „Bevor wir uns nun in privaten kulinarischen Vorzügen ergehen“, warf die ältere Dame spitz ein, „möchte ich Sie bitten, Mr. Wood, etwas über sich zu erzählen. Schließlich wollen wir doch wissen, mit wem wir zusammenarbeiten werden!“

      Erstaunt blickte Connor sie an.

      „Ja, gerne, Mrs. – wenn Sie mir Ihren Namen nennen würden, könnte ich Sie persönlich ansprechen.“

      „Mein Name ist Montgomery“, erklärte sie mit erhobenem Kopf, „Meredith Montgomery.“

      „Danke, Mrs. Montgomery, gerne würde ich Ihnen Rede und Antwort stehen“, Connor sah zur Uhr, „aber wenn ich mich nicht täusche, beginnt in wenigen Minuten der Unterricht, und Mr. Guthrie möchte mich zu meiner Klasse begleiten.“

      Pikiert sah Mrs. Montgomery an Connor vorbei und sprach: „Die Gelegenheit wird sich zu einem späteren Zeitpunkt bieten.“

      „Davon bin ich überzeugt.“

      Nachdem Mr. Guthrie den Schülern ihren neuen Lehrer vorgestellt hatte, stand Connor allein vor einer Schar neugieriger Kinder, die ihn mit großen Augen betrachteten.

      „Stimmt es, dass du aus Frankreich kommst?“ platzte ein kleiner Junge heraus, nachdem er die Spannung nicht mehr ausgehalten hatte.

      „Ja, das ist richtig.“

      „Was hast du da gemacht?“ wollte ein Mädchen wissen, dessen Zöpfe fröhlich auf und ab wippten.

      „Ich habe dort Kinder unterrichtet. So wie ihr es seid.“

      „Und warum bist du da jetzt nicht mehr?“

      „Haben die auch gedacht, dass du gar kein Lehrer bist?“

      „Wer hat dir denn erzählt, ich sei kein Lehrer?“, fragte Connor überrascht.

      „Och, das hat die Lauren meiner Mama erzählt. Und die hat es von Emma.“

      „Nein, das war doch Sue, die das erzählt hat, meine Tante!“

      „Stimmt nicht, Mrs. Humphrey, die Schneiderin, hat gesagt, dass Mr. Wood ein Zauberer ist!“

      Connor lachte.

      „So, nun beruhigt euch mal“, bat er. „Natürlich bin ich ein Lehrer, sonst hätte euer Schulleiter Mr. Guthrie mich doch gar nicht eingestellt. Und der ist schließlich selbst Lehrer und muss das wissen.“

      „Ja, schon, aber vielleicht hat er nicht gemerkt, dass du zaubern kannst!“

      „Wenn ich zaubern könnte, würde ich dafür sorgen, dass ich all eure Namen schon kenne“, lenkte Connor die Kinder ab.

      „Wir können ja Namensschilder basteln!“, rief ein groß gewachsenes Mädchen und griff schon nach einem Stück Papier.

      „Das ist eine gute Idee“, stimmte Connor zu, „wenn man sich mit Namen anspricht, kann man sich viel besser kennenlernen, und das wollen wir doch, oder?“

      „Ja!“, riefen die Kinder im Chor und begannen eifrig, Tischkarten zu basteln.

      In der Pause traf Connor auf dem Schulhof Lucy. Sie hatte ihm den Rücken zugekehrt und beobachtete eine Gruppe mehrerer Jungen, die sich balgten wie junge Hunde. In ihrem schmalen weinroten Rock und der weißen Bluse wirkte sie beinahe wie eine zu groß geratene Schülerin in Uniform. Ihr brünettes