Tom Bleiring

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-


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er und verbeugte sich leicht vor dem Prinzen.

      Thalon zog die Hände zurück und nickte andächtig.

      >>Ja, vor vier Monaten sah die Welt noch anders aus, nicht wahr?

      Genauso, wie ich auch, ich muss es offen eingestehen. <<

      Der Prinz hob seine Hände zum Gesicht empor und drehte sie, damit Gajon einen Blick auf beide Seiten werfen konnte.

      >>Man muss bereit sein, Opfer zu bringen, wenn man seine Ziele erreichen will, << fuhr Thalon fort.

      >>Stimmt ihr mir da nicht zu, Hauptmann? <<

      Gajon nickte, denn der Anblick des Prinzen schien ihn förmlich zu fesseln.

      >>Ich verstehe nicht, << brachte er mit größter Mühe hervor.

      Thalon ließ die Hände wieder sinken und löste damit auch den Bann, der über den Gardehauptmann gefallen zu sein schien.

      >>Ihr seid doch schon euer ganzes Leben Soldat, << sagte der Prinz mit einem Hauch von Verwunderung in der Stimme, >> da dachte ich, ihr würdet verstehen.

      Habt ihr denn noch nie eure Männer opfern müssen, um eine Mission erfüllen zu können?

      Musstet ihr noch nie einen Blutzoll entrichten? <<

      Gajon schüttelte energisch den Kopf.

      >>Nein, Herr, in all den Jahren im Dienste eures Vaters habe ich nie einen Mann verloren oder opfern müssen! Ich schwöre es bei meiner Ehre. <<

      Thalon’s Züge verhärteten sich bei der Erwähnung seines Vaters schlagartig.

      >>Mein Vater hat niemals einen echten Krieg geführt oder seine Soldaten in eine ernste Auseinandersetzung entsandt.

      Von daher standet ihr auch nie ernsthaft in der Situation, im Kampf etwas opfern zu müssen.

      Wie geht es meinem Vater und meiner lieben, wenn auch viel zu sanftmütigen Schwester? <<

      Gajon, der nun den Moment gekommen sah, seine Nachricht übermitteln zu müssen, sank auf die Knie und starrte auf die Füße des Prinzen.

      >>Mein Lord, ich muss euch leider mitteilen, dass euer Vater vor zwei Tagen diese Welt verlassen hat und in die göttlichen Paradiese hinüber gegangen ist.

      Die Senatoren und hohen Herren Amargath’s senden euch durch mich ihre Grüße.

      Sie wünschen euch, als neuem Herren des Reiches, Glück und ewige Gesundheit und trugen mir auf,

      euch ihrer immerwährenden Treue zu versichern.

      Auch eure Schwester lässt euch grüßen, als ihren neuen Herren und Gebieter.

      Sie trauert um euren Vater und hat, wie es ihre Pflicht als Tochter und höchste Priesterin Amargath’s ist, die Fenster aller Tempel der Stadt verhängen lassen.

      Sie führt täglich Prozessionen durch die Stadt an, durch welche sie den großen Gott der Unterwelt sanft stimmen möchte, damit dieser eurem Vater den Weg ebnet in die himmlischen Gefilde. <<

      Gajon verstummte, wagte aber nicht, aufzublicken.

      Thalon stand regungslos vor ihm und blickte auf den Gardehauptmann hinab.

      Nach einigen Minuten erst, die Gajon wie eine Ewigkeit erschienen, regte sich der junge Lord, trat etwas zur Seite und starrte wie gebannt auf die Mauern der belagerten Stadt.

      >>Mein Lord, ich grüße euch als neuen Herren des Reiches Amargath, << hörte Gajon Juras leise flüstern.

      Thalon wandte seinen Blick nicht von den Mauern ab und nahm den Gruß mit nicht mehr als einem Nicken zur Kenntnis.

      >>Was hat meine Schwester getan, nachdem unser Vater diese Welt verlassen hat? , << fragte er dann plötzlich.

      Er fuhr herum, packte Gajon an dessen Schulter und zog ihn scheinbar ohne Mühe auf die Beine.

      >>Antworte mir, Gardehauptmann! , << schnauzte er diesen wütend an.

      Gajon stammelte herum, dass er nicht wisse, was Lord Thalon meinte, doch dieser fixierte ihn wütend aus seinen roten Augen, so dass dem altgedienten Soldaten schließlich der Mut schwand.

      >>Sie hat einen Boten entsandt, << gab er kleinlaut zu.

      Thalon lächelte, doch es war das Lächeln eines Schakals, der Beute gewittert hatte.

      >>Wohin ist dieser Bote unterwegs? , << hakte er nach.

      >>Eure Schwester schickte ihn nach Norden, zum schwarzen Schlund, jener uralten Festung, in der der Legende zufolge …! <<

      >>Ja, ich weiß, wer dort sein Heim haben soll, << fuhr ihm Thalon dazwischen.

      >>Meine Schwester glaubt also noch an dieses Ammenmärchen?

      Sie glaubt ernsthaft, dort würde noch jemand leben?

      Denkt sie ernsthaft, dass dieser uralte Mythos auch nur einen Funken Wahrheit enthält? <<

      Gajon schluckte schwer, ehe er zu antworten wagte.

      >>Ja, das tut sie wohl. Und es gibt viele im gemeinen Volk, die ebenfalls daran glauben.

      Sie tauchen in vielen Legenden auf, bei allen Völkern des Kontinents.

      Eure Schwester ist eine gute, aufrichtige und treue Dienerin der Götter und ihres Volkes.

      In Zeiten der Not sind die Erben hohen Blutes verpflichtet, jene, die im Schlund leben, um Rat zu fragen. <<

      Thalon, der aufmerksam zugehört hatte, ließ den Hauptmann fallen und trat von ihm weg.

      >>Sie ist also eine treue Dienerin der Götter und des Volkes, ja? , << äffte er die Worte des Hauptmannes nach.

      >>Und ich bin dann wohl der missratene Sohn, die Schande eines ganzen Volkes?

      Ich, der Erbe des Thrones?! Tue ich nicht viel Gutes für mein Volk, wenn ich das Reich vergrößere, seine Macht mehre?! Bin ich dadurch nicht auch ein guter Diener meines Volkes?! <<

      Thalon war zornig und laut geworden; seine Lippen bebten vor Wut, sein Körper zitterte und seine Haut schien noch grauer geworden zu sein.

      Gajon wollte sich nun jedoch nicht mehr zurücknehmen und erwiderte ebenso wütend:

      >>Ihr stört die Totenruhe jener, die tapfer gekämpft haben und starben! Ihr schändet ihre Leichen durch finsterste Magie, indem ihr sie aus ihren Gräbern zerrt!

      Euer Herz ist vergiftet von Hass und Boshaftigkeit, und es wäre ein Segen für das ganze Reich, wenn eure Schwester an eurer Stelle über das Land herrschen würde!

      Ihr führt sinnlose Kriege, zwecklose Kriege und führt euer Heer von einem Gemetzel ins nächste!

      Das ist nicht ehrenhaft! Ich finde in euch nichts von der Größe und Güte, die euer Vater in sich trug und die eure Schwester besitzt. <<

      Ein Schlag, unsichtbar aus dem Nichts kommend und von ungeheurer Härte, traf den Gardehauptmann an der Brust und schleuderte ihn zu Boden.

      Hustend und gepeinigt vom Schmerz einiger gebrochener Rippen hievte Gajon sich wieder auf die Beine und sah sich furchtsam um, doch außer Juras, Thalon und ihm selbst war niemand in der Nähe.

      Nun erst ging ihm ein Licht auf.

      Er spuckte Blut, welches sich nun in seinem Hals und Mund zu sammeln begann, aus und wandte sich an den jungen Lord.

      >>Ich bete dafür, dass eure Schwester Erfolg hat mit ihrem Vorhaben und ihr Bote im Schlund jemanden antrifft. Ihr dürft nicht herrschen, sondern müsst vernichtet werden! <<

      Wieder