Simone Stöhr

Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft


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einen Therapieplatz? Dr. Briskow empfiehlt meines Wissens diese Suche bereits Monate im Voraus und händigt auch eine Liste mit Empfehlungen an die Angehörigen aus.“

      „Das kann durchaus sein. Aber Dr. Briskow hat mir einen persönlichen Gefallen mit der kurzfristigen Aufnahme meiner Freundin getan und daher fehlt mir jetzt auch die Zeit für die Suche nach einem geeigneten Therapeuten. Können Sie mir also helfen und sie in ihren Terminplan noch aufnehmen?“

      „Wenn Sie mich so fragen, kann ich das natürlich. Freitagvormittag gegen 9 Uhr hätte ich noch einen Termin frei. Aber kommen Sie pünktlich, ich hasse Unpünktlichkeit.“

      Damit legte er auf und Mike wusste nicht wirklich, was er von diesem seltsamen Kauz halten sollte. Mike war er auf Anhieb unsympathisch und auch rückblickend war das ganze Gespräch mehr als ungewöhnlich. Die Professionalität der ersten beiden Praxen ließ es gänzlich vermissen und auch Eigenschaften, wie Verständnis und Mitgefühl, die Mike sich von einem Psychologen erwartete, konnte er keinesfalls widerspiegeln. Ganz im Gegenteil, er hatte Mike den Eindruck vermittelt, als ob er selbst psychologische Hilfe benötigte. Dieser Dr. Myers war jedenfalls ein Punkt, der noch perfektioniert werden musste. Doch für den Anfang war er das Einzige das verfügbar war und nach diesem Gespräch war es Mike auch nicht verwunderlich, warum ausgerechnet er noch freie Kapazitäten hatte. Um sich abzulenken machte er sich auf in die 43th Street zu Macys. Er wollte Cathy von oben bis unten eine neue Garderobe besorgen. Es stimmte zwar nicht immer das Sprichwort, dass Kleider Leute machten, aber er wusste von sich selbst, dass die Kleidung das Wohlbefinden und die Stimmung beeinflussten. Und Cathys frühere Kleidung traf sicherlich eher ein wunder Punkt, denn dass es ihre Stimmung hob. Zum anderen waren die meisten ihrer Habseligkeiten noch bei ihrem Dealer in Quincy und da wollte Mike sie erst gar nicht mehr sehen, geschweige denn sich mit ihm anlegen. Da war es doch viel einfacher mit der Kreditkarte bis zum abwinken in den Geschäften bummeln zu gehen. Und außerdem machte es ihm um ein vielfaches mehr Spaß. Nachdem er das Inventar eines ganzen Kleiderschranks eingekauft hatte, war er zu diversen Möbelhäusern unterwegs. Es gab einiges, das er sofort kaufen würde, jedoch waren diese Möbel an mehrere Wochen Lieferzeit gebunden und waren damit ausgeschieden von seiner Wahl. Er wollte in zwei Tagen alles fertig haben, was bedeutete, dass er sich Ausstellungsstücke oder Waren aussuchen musste, die sofort verfügbar waren. Bei Ethan Allen wurde er endlich fündig. Nicht, dass sie alles vorrätig hatten, das nicht. Aber sie waren bereit, gegen Aufpreis natürlich, die Ausstellungsstücke bereits zu verkaufen und somit sofort lieferfähig zu sein. Das entsprach auch Mikes Vorstellung und so vereinbarte er die Liefertermine auf Donnerstagmorgen. Die Maler dürften bis dahin fertig sein und alles würde noch rechtzeitig fertig werden, bis Catherine nachmittags in New York ankam. In Windeseile hatte er ein neues Schlafzimmer für Catherine, ein neues Wohnzimmer und Esszimmer, sowie eine neue Küche ausgesucht. Selbst die Accessoires hatte er nicht vergessen und orderte in Mengen Bilder, Vasen und Kleinigkeiten, die die Wohnung wohnlicher gestalteten. Mike war zufrieden mit seinem Werk und kehrte fertig, aber glücklich zurück in seine Wohnung. In nur zwei Tagen würde die Wohnung nicht wieder zu erkennen sein. Dafür hatte er heute gesorgt. Doch jetzt war er müde und würde seinen Schlaf brauchen. Schon morgens hatten sich die Maler angekündigt, um dem schwarz-weißen Aussehen der tristen Wohnungen einen farblichen Anstrich zu verpassen.

      Mittwoch, 13.08.2008 Boston, 10:20 Uhr

      Catherine hatte mehr als nur schlecht geschlafen. Immer wieder war sie aufgewacht und hatte an Mike denken müssen. Dass sie ihn plötzlich einfach nicht mehr erreichen konnte und er sich nicht mehr meldete, machte ihr sehr zu schaffen. Er war ihr Halt und auch, wenn er nicht mehr von ihr wollte, so brauchte sie ihn dennoch um weiterzumachen. Er wusste gar nicht, wie sehr sie ihn brauchte. Egal, wie oft sie es noch probierte, er war einfach nicht erreichbar. Anfangs war noch belegt, aber dann klingelte es einfach nur noch durch. Auch jetzt, als sie es probierte, war es nicht anders. Mike war entweder ständig unterwegs oder er wollte einfach nicht ans Telefon. Enttäuscht wählte sie schließlich seine Handynummer. Vielleicht konnte sie ihn dort erreichen. Es dauerte nur Sekunden, bis sich schließlich Mike auch meldete.

      „Carrington. Hallo?“

      Alleine schon seine Stimme sorgte dafür, dass Cathy sich besser fühlte. Endlich konnte sie ihn hören und er war greifbar für sie.

      „Hallo Mike, ich bin es. Ich versuche dich schon mehrmals auf der New Yorker Nummer, aber ich kann dich nicht erreichen.“

      „Hi Cathy, ich bin viel unterwegs und habe dir doch deshalb meine Mobilnummer gegeben. Darauf kannst du mich so gut, wie immer erreichen. Wie geht es dir?“

      „Es geht mir gut, aber mein Verstand ist plötzlich so klar und ich denke viel nach. Willst du mich wirklich zu dir nehmen? Ist dir das nicht zu viel? Ich würde das verstehen!“

      „Catherine ich habe dir versprochen, dass ich mich um dich kümmere und ich halte auch meine Versprechen. Ich habe bereits einen Therapieplatz für dich gefunden, der nicht endgültig ist, wenn du nicht willst. Und bin gerade dabei es uns etwas gemütlicher zu machen. Lass dich überraschen! Ich denke es wird dir gefallen und jetzt höre mit den Grübeleien auf und freue dich auf New York.“

      „Wirst du mich abholen?“

      „Ich kann es dir noch nicht versprechen. Es hängt davon ab, wie schnell die Möbelpacker hier vorankommen. Aber ich werde es versuchen. Ansonsten schicke ich dir geeigneten Ersatz. Darauf kannst du dich verlassen. Wie fühlst du dich momentan? Ist in der Klinik alles in Ordnung?“

      „Mach dir keine Gedanken. Man kümmert sich bestens um mich. Es geht mir auch gut. Ich habe zumindest nicht mehr das Gefühl, dass ich Drogen brauche, trotzdem ist das Gefühl, davon nicht mehr abhängig zu sein, sehr neu für mich und ungewohnt. Ich denke das gibt sich mit der Zeit. Wie geht es Mum?“

      „Sie ist gestern aus dem Krankenhaus entlassen worden. Dein Vater muss noch etwa eine Woche bleiben. Sie hat alles gut weggesteckt und ist froh zu wissen, dass du jetzt einen Entzug machst.“

      „Das ist gut zu wissen. Ich mache mir solche Vorwürfe wegen ihr. Ich wollte ihr nie etwas Böses.“

      „Cathy“, unterbrach Mike sie „das ist jetzt vorbei. Sie weiß es und alles andere ist Vergangenheit. Versuche jetzt dein Leben in den Griff zu bekommen und du machst ihr die größte Freude. Martha liebt dich über alles und es hat ihr wirklich weh getan, dass sie mit ansehen musste, wie dein Leben den Bach runterging. Beweise ihr, dass du es ernst mit deinem Entzug meinst und alles andere ist längst vergessen. Sie vertraut dir und ich vertraue dir auch. Du kannst es schaffen und mehr als es ernsthaft zu versuchen, erwarte ich auch nicht von dir.“

      „Mike ich hoffe ich kann dir das irgendwann wieder zurückgeben, was du mir gerade tust. Ich bin wirklich froh, dass du für mich da bist!“

      „Mach dir keine Gedanken. Ich hätte das schon viel früher machen sollen. Irgendwie ist es auch meine Schuld. Also halt noch durch, morgen Abend bist du schon in New York und da warten einige Überraschungen auf dich. Bis morgen, Cathy!“

      „Bis morgen!“, sprach sie ihm nach und legte auf. Dr. Briskow stand nicht weit entfernt und nahm ihr das Telefon ab. Noch einen Tag und dann würde sie Mike wieder sehen. Es waren nur noch Stunden, die sie durchstehen musste. Das war allemal weniger als eine unbestimmte Zeit, die sie Jahre zuvor durchlebte.

      Donnerstag, 14.08.2008 New York, 09:56 Uhr

      Die Möbelpacker waren voll in ihrem Element und räumten fachgerecht sämtliche Möbel und Kisten kreuz und quer durch die Wohnung und dann nach unten, um Platz zu schaffen für die neuen Möbel. Mike wollte dem nicht im Wege stehen und verzog sich solange in sein Schlafzimmer. Dem einzigen Raum, der nicht verändert werden sollte, da er bereits beim Einzug in sein Zwischendomizil das Schlafzimmer eingerichtet hatte. Er war froh, dass er diesen Gewaltakt in so kurzer Zeit erreicht hatte, nur sah er erhebliche Defizite in seinem Zeitplan. Gerade erst wurde die Küche eingebaut. Das Wohnzimmer und auch Cathys Zimmer waren noch lange nicht angefangen. Wenn er noch heute nach Boston fliegen wollte, musste er sich schnell entscheiden. Unschlüssig darüber,