Simone Stöhr

Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft


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Phase dagegen ist vergleichbar mit einem Raubtier. Ungeahnte Kräfte werden mobilisiert und der Fokus ist nur auf die Suche nach Drogen ausgerichtet. Der Mensch ist nicht mehr der Mensch, den Sie bislang kennen. In diesem Zustand ist der Abhängige zu allem fähig. Soziale Kompetenzen sind nicht mehr zu erwarten. Jetzt sind alle, die sie bändigen können, herzlich willkommen. Das ist die Phase mit der höchsten Rückfallquote, wenn man keine Hilfe bekommt. Also machen Sie sich auf das Schlimmste gefasst und versuchen Sie, sie einfach nur in Schach zu halten.“

      Die unbeschönigten Worte des Doktors, die jegliche Fremdwörter vermissen ließen, sorgten dafür, dass Mike ein eiskalter Schauer den Rücken hinab lief. Er hatte die ganze Situation vollkommen unterschätzt! Es klang aber auch zu einfach in den Werbeprospekten der Klinik! Doch kneifen ging jetzt nicht mehr, er hatte es Catherine versprochen und er wollte auch zu seinem Wort stehen. Lange genug hatte er sich aus aller Verantwortung herausgehalten und das hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Doch das musste jetzt aufhören! Dr. Briskow hielt ihren einen Arm fest im Griff und bedeutete Mike es ihr auf der anderen Seite gleich zu tun. Er ergriff ihren Arm und wollte sie stützen, um den Weg zum Krankenzimmer zu erleichtern. Wenige Meter später erkannte er seinen Fehler, als sie sich losriss und versuchte ins Schwesternzimmer zu kommen. Dr. Briskow war darauf gefasst und hielt sie fester umklammert bis Mike seine Überraschung überwunden hatte. Cathy dagegen strampelte und schlug um sich, um sich der Festnahme zu entziehen. Sie wollte nicht festgehalten werden. Die wussten doch gar nicht, was sie wirklich brauchte! Sie brauchte dringend eine Betäubung der Schmerzen und das so schnell wie möglich.

      „Cathy, komm helf mir! Noch ein paar Minuten dann hast du alles überstanden“, versuchte Mike auf sie einzureden, doch es kostete ihn seine ganze Kraft sie aufzuhalten. Mit vereinten Kräften schafften sie es dennoch sie in ein freies Krankenzimmer zu bugsieren. Sie drückten Cathy auf das freie Bett und Mike brauchte vollen Körpereinsatz, um sie dort auch weiterhin zu halten. Abbey kam eilig mit einer weiteren Schwester und einer Vielzahl von Geräten zurück. Sie erkannte die Situation und hielt Cathys Arm fest, dass Dr. Briskow die Möglichkeit hatte ihre Hand zu desinfizieren und einen Zugang zur Infusion zu legen. Mike bewunderte das perfekt eingespielte Team, das sich völlig ohne Worte verstand. Jeder kannte den Ablauf und seine Aufgabe in der Situation in der Mike an sich nur Statist spielte. Eingespielt reichte ihm die weitere Schwester eine Spritze, die Dr. Briskow langsam und ohne Hektik durch Cathys Zugang im Arm injizierte. Mike konnte spüren und zusehen, wie die Kraftanstrengung seitens Cathy nachließ und sie Stück für Stück schlaffer und entspannter wurde. Schließlich schloss sie die Augen und war erschlafft und reglos unter ihm. Mike stand auf und der Rummel um ihn herum ging weiter. Cathy wurde intubiert und sämtliche Geräte zur Beatmung und zur Überwachung ihrer Herzfrequenz und Gehirnströme wurden aufgestellt, angeschlossen und in Betrieb genommen. Mike blickte ein letztes Mal auf Cathy und ging dann aus dem Zimmer. Dr. Briskow folgte ihm und nur die Krankenschwestern blieben bei der schlafenden Catherine zurück.

      „Mr. Carrington?“, rief ihm Dr. Briskow hinterher.

      Mike drehte sich um und antwortete mit „Ja?“

      „Kann ich Sie noch einmal kurz in meinem Büro sprechen?“, bat er ihn.

      „Natürlich“ und Mike wartete bis Dr. Briskow aufschloss und begleitete ihn dann in sein Büro.

      „Bitte setzen Sie sich doch!“, bat Dr. Briskow und zeigte auf einem Stuhl vor seinem Schreibtisch. Mike setzte sich und überlegte, was jetzt noch kommen sollte, nachdem doch alle Details über Cathys Aufenthalt, sowie die Zahlungsmodalitäten bereits geregelt waren. Dennoch setzte er sich artig und wartete darauf, dass Dr. Briskow zu reden begann.

      „Sie hatten vergessen zu erwähnen, dass sie sich bereits in einer Entzugsphase befindet. Das kann unter Umständen zu Komplikationen führen. Ich habe sehr lange geforscht und mit einem Psychologen die Auswirkungen des Entzugs auf die Psyche des Menschen studiert. Durch die extremen Nebenwirkungen, die man in der Entzugsphase durchmacht und dabei vollständig im Geiste wahrnimmt, kann eine psychische Störung entstehen. Insbesondere wird ein Mensch nach diesen Erfahrungen nie wieder einen Entzug auch nur wagen. Das war der Grund weshalb ich sie ohne Voruntersuchungen gleich ins Koma versetzt habe. Das war medizinisch gesehen jedoch eine Dummheit, da das Risiko von Unverträglichkeiten und Komplikationen ohne Tests vorab extrem hoch ist. Ich will, dass Sie wissen, welchen Gefahren Sie sie aussetzen und was ich hier aufs Spiel setze, wenn die ganze Sache schief gehen sollte. Ich bin vielleicht nicht der typische Arzt und sehe immer noch meine Patienten im Vordergrund, weshalb ich jedem Abhängigen, der den Willen hat aufzuhören, auch wirklich helfen will. Doch es muss Ihnen auch klar sein, dass es mit dem Entzug hier alleine nicht getan ist. Sie braucht eine Psychotherapie und eine kontinuierliche und konstante Betreuung danach. Ansonsten hätten wir uns das alles hier sparen können, denn einen weiteren Entzug wird sie nach den Erlebnissen der letzten Stunden nicht mehr machen“, redete Dr. Briskow auf Mikes Gewissen ein.

      „Dr. Briskow, ich danke Ihnen für Ihre Fürsorge und auch für Ihren persönlichen Einsatz. Ich kann Ihre Bedenken verstehen, aber sie sind unbegründet! Ich habe ihr versprochen, dass ich für sie da bin und ich stehe auch zu meinen Versprechen“, rechtfertigte sich Mike.

      „Das ist gut und ich möchte Ihnen gerne glauben, aber da wäre noch eine Sache!“

      „Und die wäre?“, fragte Mike nach.

      „Ich möchte, dass Sie sich von meiner Frau fernhalten! Ich bin vielleicht viel beschäftigt und verbringe viel Zeit hier in der Klinik, anstatt mich um meine Frau zu kümmern, aber ich liebe meine Frau über alles.“

      „Dr. Briskow…“, unterbrach ihn Mike.

      „Unterbrechen Sie mich nicht. Ich will keine Ausreden oder Verleugnungen hören. Ich kenne meine Frau und ich habe es ihr angesehen, als sie nur ihren Namen erwähnte…“

      „Dr. Briskow! Ich möchte nichts leugnen. Ich habe mit ihrer Frau geschlafen und es wird nie wieder vorkommen. Zudem was ich getan habe, stehe ich auch. Ich bin nicht stolz auf meine Affären, aber ich kann es auch nicht mehr rückgängig machen, sondern Ihnen nur versichern, dass es eine einmalige Angelegenheit war. Es tut mir leid, wenn ich Ihre Ehe dadurch sabotiert habe, umso mehr rechne ich Ihnen jetzt Ihre Hilfe und Ihr Engagement in dieser Sache an. Sie sind ein guter Mensch und ich hoffe, dass Sie mein Angebot in unserem Hotel als zweite Flitterwochen annehmen und versuchen damit Ihre Ehe wieder aufzufrischen. Ihnen stehen alle Hilfen des Hotels dazu zur Verfügung. Ich werde Ihnen sicher nicht im Wege stehen. Im Gegenteil, wenn ich etwas für Sie tun kann, sagen Sie es mir, ich werde Ihnen gerne helfen.“

      „Bekommen Sie auch so die Frauen herum?“

      „Was meinen Sie?“

      „Sie sitzen hier vor mir und erklären, dass es Ihnen leid tut, dass Sie mit meiner Frau geschlafen haben und wollen mir auch noch Hilfe anbieten, um meine Ehe zu retten? Es gab wirklich einen Moment, in dem ich Ihnen geglaubt habe, aber die Hintergrundinfos, die ich von Ihnen habe, sprechen leider eine andere Sprache. Doch nun wird mir zumindest klar, warum sich Rebecca hatte blenden lassen. Sie sind aalglatt und charmant dazu. Jeder würde Ihnen Ihre Geschichte, die sie vorspielen, abkaufen.“

      „Dr. Briskow, es tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss. Aber so ist es leider nicht! Was Sie von mir gehört haben, trifft sicherlich 100%ig zu. Ich habe keine Unterschiede gemacht, ob eine Frau verheiratet, in einer Beziehung steckte oder Single war. Aber ich habe auch niemanden gezwungen mit mir zu schlafen. Das machen die Frauen völlig freiwillig. Rebecca war da sicherlich keine Ausnahme. Vor ein paar Tagen wäre es mir noch egal gewesen, was andere davon halten oder wie sie sich dabei fühlen. Es hat einzig und alleine mich gegeben. Mittlerweile weiß ich, dass ich vieles falsch gemacht habe und versuche es wieder gutzumachen. Catherine ist einer dieser Menschen, die ich im Stich gelassen habe und dadurch mit Schuld an ihrer Drogensucht und ihrem Abrutsch habe. Soweit ich es kann will ich es wiedergutmachen und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir dabei helfen. Deshalb möchte ich auch Ihnen helfen, wenn ich kann. Ich kann das auch gerne Rebecca sagen, wenn Sie möchten.“

      „Sie meinen es wirklich ernst!“, fasste Dr. Briskow zusammen.

      „Ja, das tue ich. Ich bitte Sie daher auch von Herzen mein Angebot anzunehmen.