J.P. Conrad

totreich


Скачать книгу

und Champagner durch die Reihen. Wohltätigkeit begann wohl immer erst mal am eigenen Herd.

      »Jack?« hörte er die freudig überraschte Stimme von Grace rufen. Er wandte sich um und sie glitt elegant auf ihn zu. Sie sah einfach umwerfend aus in ihrem roten, schulterfreien Kleid. Ihre grünen Augen strahlten wie kostbare Smaragde und ihr bordeauxroter Mund hauchte einen Kuss auf seine Lippen.

      »Was machst du denn hier? Ich dachte, du seist tot?«

      Ungeachtet dieser grotesken Frage und als hätte er nie etwas anderes getan, schnappte er sich ein Champagnerglas vom Tablett eines gerade vorbeigehenden Kellners und antwortete, sich umschauend, und mit übertriebener Coolness:

      »Mich amüsieren. Ist ja ganz nett hier.«

      Sie sah ihn skeptisch an. »Du magst doch so was gar nicht. Ich habe dich doch schon so oft gefragt, ob du mitkommen wolltest und du hast immer nein gesagt.«

      Sie schien sichtlich überrumpelt. Jack wollte gerade Luft holen, um zu antworten, als sie anerkennend hinzusetzte: »Aber der Smoking steht dir wirklich gut!«

      Er bedankte sich für das Kompliment und schob sie dann sanft in einen weniger belebten Nebenraum.

      Mit ernster Miene sah er Sie an. »Hör zu«, begann er mit gedämpfter Stimme und trat ganz nah an sie heran. »Ich bin hier, weil Macintosh vermutet, dass dieser Mister Black unter den Gästen sein könnte.«

      »Black?«

      »Der Typ, der in Byrons Einladungskarte erwähnt wurde.«

      Sie nickte verstehend. »Der ›Sagen Sie nur ja oder nein‹ Typ.«

      »Ja genau. Ein gewisser Benjamin Walston will sich hier heute mit ihm treffen.«

      »Ben Walston?« fragte sie ungläubig. »Das ist ein Bekannter von Dad.«

      »Tatsächlich?« Jack war sich nicht sicher, ob er das als glückliche Fügung werten sollte; er wollte nicht noch mehr Personen in die Sache reinziehen.

      »Sie hatten mal geschäftlich miteinander zu tun. Dad hat einem seiner Kunden ein Grundstück vermittelt, glaube ich. Sie treffen sich noch ab und zu zum Essen. Das Einzige, weshalb ich mich so gut daran erinnere ist, weil Dad gesagt hat, du würdest dem Mann ein bisschen ähnlich sehen.«

      Jack grinste. »Dann hoffe ich, der Kerl sieht blendend aus«, entgegnete er und zwinkerte ihr zweideutig zu. »Ist er hier?« frage er dann und sah über Graces Schulter hinweg in Richtung des großen Saals.

      »Nein, ich glaube noch nicht.«

      »Hm…«, brummte er nachdenklich und sah ihr dann tief in die Augen. »Würdest du für mich mal unauffällig die Gästeliste checken? Nach Walston und…«

      »Black«, fügte sie verstehend hinzu. »Ja, Schatz, mache ich. Geh du doch inzwischen meinem Dad guten Tag sagen!«

      »Vielleicht später.«

      Grace verzog ihr Gesicht zu einer tadelnden Grimasse. »Einfach keine Manieren, der Mann«, fauchte sie leise und verließ den Raum.

      Jack trank noch den letzten Schluck seines Champagners und wie aufs Stichwort war auch schon ein Kellner zur Stelle, um das leere Glas mitzunehmen. Jetzt wollte er sich unter die Leute mischen und beobachten. Etwas unsicher, was er mit seinen Händen anfangen sollte, betrat er wieder den großen Saal, wo gerade die Musik verstummt war. Er sah, dass Graces Vater das Podium auf der anderen Seite des Raumes bestieg und ein Mikrofon an den Mund setzte. Das Gemurmel unter den Gästen ebbte ab und die Blicke richteten sich erwartungsvoll auf Mister Martins.

      »Ladies und Gentlemen, liebe Freunde und Gönner unserer Stiftung«, begann er mit seiner tiefen, sonoren Stimme seine Rede. »Wir freuen uns, dass Sie so zahlreich zu unserem diesjährigen Wohltätigkeitsball erschienen sind. Als Erstes möchte ich mich, auch im Namen der Stiftungskollegen Royce Sinclair und Samuel Wilde, herzlich für die großzügigen Spenden bedanken, die wir im Laufe des Jahres durch unsere Events und Hilfsprojekte, erhalten haben.«

      Jack kannte die beiden Namen, sie tauchten regelmäßig im Wirtschaftsteil des Loughton Courier auf. Er sah sich nach Grace um, konnte sie aber nirgends entdecken. Langsam tastete er sich weiter nach vorne vor, Richtung Podium. Auf einmal rempelte ihn jemand seitlich an.

      Es war ein großer, schlanker Mann mit pechschwarzem Haar und einem kantigen, vernarbten Kinn. Er hielt zwei volle Champagnergläser in den Händen.

      »Verzeihung«, sagte er monoton.

      Jack lächelte freundlich. »Ist ja nichts passiert.«

      Dann schritt der Mann auf eine kleine Gruppe sich unterhaltender Damen zu.

      »Ich hätte Grace auch was zu trinken holen sollen. An meinen Manieren muss ich wirklich noch feilen.« Gedankenversunken lauschte er den weiteren Ausführungen Mister Martins über das Elend der Welt und wie die Anwesenden zu dessen Linderung beigetragen hätten.

      »Und alles, was ich dieses Jahr gemacht habe, war dem Typ vom Zirkus ein paar Pence zu geben.« Ein Tippen auf seine Schulter riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und sah in Graces angespanntes Gesicht.

      »Und?«

      Sie zögerte kurz und flüsterte ihm dann ins Ohr: »Black ist hier!«

       22.16 Uhr

      Hubert Macintosh und Steve Highsmith saßen an der Bar des Lions Pub in Harlow und warteten. Sie diskutierten über den Fall Moore, die laufende, eigentlich illegale Operation und die Konsequenzen, die auf sie zukommen würden, wenn Superintendent Crowe davon erführe, was sie hier trieben. Noch dazu unter Mitwirkung eines Zivilisten.

      Die Kneipe war bis auf sie und einen einzelnen Mann, der bereits das fünfte Bier trank, seit sie dort waren, leer. Der Barkeeper stand die meiste Zeit mit verschränkten Armen an den Tresen gelehnt und verfolgte die Sportsendung auf dem Fernseher, der in einer Ecke des Raumes unter der Decke hing. Hubert unterbrach ihn in seinem Tun und orderte noch ein Ginger Ale.

      »Ist das Ihr einziges Laster, Mister?«, fragte der dickbäuchige Mann mit den buschigen Koteletten mit rauchiger Stimme und nahm das leere Glas. Es war Huberts viertes.

      »Für heute ja«, antwortete er lächelnd und schielte zu Highsmith, der sich gerade eine Hand voll Erdnüsse in den Mund stopfte. Im Gegensatz zu ihm hatte sein Assistent das Privileg seines offiziellen Feierabends genutzt und Bier bestellt. Hubert würde ihn wohl nach Hause fahren müssen.

      »Ich danke Ihnen, dass Sie mir so unter die Arme greifen, Steve. Opfern sogar ihre Freizeit«, sagte er und legte Highsmith freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

      Dieser winkte ab und entgegnete kauend: »Sir, das ist für mich selbstverständlich. Jetzt kann ich mich endlich mal dafür erkenntlich zeigen, dass Sie mich damals für ihre Abteilung haben wollten. Ich hoffe nur, dass Mister Calhey etwas erreicht.«

      Hubert blickte bedrückt ins Leere. »Das hoffe ich auch. Bisher konnte ich mich eigentlich immer auf meinen Instinkt verlassen. Ich gebe zu, bevor Calhey mit dieser seltsamen Einladung aufgekreuzt ist, war ich bereit, die Geschichte zu vergessen und mich mit meiner Frau auf dieser verdammten Insel in die Sonne zu legen. Dabei bekomme ich doch sowieso immer nur einen Sonnenbrand und nicht eine Spur von Bräune.«

      Highsmith schmunzelte.

      »Aber es steckt ja offenbar doch mehr dahinter. Das Attentat auf Calhey zeigt doch, dass wir irgendwo Staub aufgewirbelt haben.«

      »Thomas Patterson hat im Übrigen eine absolut reine Weste. Keine Vorstrafen oder ähnliches«, erklärte Highsmith, als wäre es ihm gerade eingefallen. »Die Suche nach dem dunklen Geländewagen läuft noch. Zeugen für den Unfall haben sich bisher keine gemeldet.«

      »Steve, Sie haben wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Ich danke Ihnen für ihre Loyalität.« Hubert schlug ihm anerkennend auf die Schulter. »Sehen Sie, auch bei Ihnen lag ich mit meinem Instinkt richtig. Ihr Ex-Chef Brown hat dagegen behauptet, Sie wären