J.P. Conrad

totreich


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      Patterson betrachtete sie kurz und sah das Logo des Loughton Courier. Er runzelte die Stirn. »Sie sind Journalist?«

      »Ja, Sir.«

      »Hm.« Die Karte verschwand in seiner Tasche. »Also, auf Wiedersehen, Mister Calhey.«

      Mit diesen Worten verließ Patterson, nach Jacks Auffassung etwas zu hektisch, den Raum.

      18.22 Uhr

      Den Nachmittag über war Jack in London geblieben, um ein paar Besorgungen zu machen. Während eines kurzen Boxenstopps in einem Café hatte er Inspektor Macintosh über das Gespräch mit Thomas Patterson informiert. Beide waren sich einig, dass sie sich ein etwas aufschlussreicheres Ergebnis gewünscht hätten.

      Es begann bereits zu dämmern, als Jack sich wieder auf den Rückweg nach Loughton machte. Leichter Nieselregen hatte zwischenzeitlich eingesetzt und die immer dichter werdende Wolkendecke ließ ein Unwetter erahnen. Nachdem er schon einige Zeit auf der nur mäßig befahrenen Landstraße unterwegs war, goss es in Strömen. Die Scheibenwischer gaben ihr Äußerstes, um die Wassermassen zu verdrängen und Jack die Sicht auf die Fahrbahn zu ermöglichen. Als die synthetisch klingende Version der britischen Nationalhymne ertönte, drehte er die Stones leise und zog sein Mobiltelefon aus der Jackentasche. Es war Grace. Sie wollte wissen, wie es bei Moore Enterprises gelaufen war und wann sie ihn zurück erwarten konnte.

      »Ich bin in etwa einer Stunde da, Sweety«, antwortete er gut gelaunt in Vorfreude auf einen gemütlichen Abend mit seiner Freundin und Spaghetti al Olio.

      Mitten in die immer intimer werdende Konversation vertieft, dabei natürlich voll auf die Straße vor sich konzentriert, wurde Jacks Mustang plötzlich und mit einem lauten Schlag durchgeschüttelt. Hektisch sah er sich um und entdeckte auf der Spur rechts neben sich einen dunklen und bullig wirkenden Geländewagen, der ihm augenscheinlich zu nahe gekommen war.

      »Vollidiot!« wollte er gerade rufen, und malte sich schon eine hitzige Debatte mit dem Fahrer oder, was er eher vermutete, der Fahrerin am Straßenrand bezüglich der Reparaturkosten aus, da scherte das Fahrzeug direkt ein zweites Mal aus und drängte den Ford mit aller Wucht aus der Spur. Jack ließ das Handy in seinen Schoß fallen und umklammerte das Lenkrad fest mit beiden Händen. Gerade noch konnte er seinen Wagen davor bewahren, bei neunzig Sachen die Leitplanke zu durchbrechen. Es gab keinen Zweifel: Wer auch immer ihn da bedrängte, hatte es auf ihn abgesehen.

      Instinktiv trat er das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Im Rückspiegel sah er, wie der Unbekannte zunächst ein Stück zurück fiel und einem entgegenkommenden Fahrzeug auswich. Dann beschleunigte er wieder. Er rammte den Mustang zuerst von hinten, so dass Jack unsanft gegen die Frontscheibe knallte, dann war er auch schon in Bruchteilen einer Sekunde wieder auf gleicher Höhe. Mit Entsetzen stellte Jack fest, dass er mittlerweile auf einer Brücke fuhr und sich die Straße nun gut und gerne dreißig Meter über dem Boden befand. Ehe er überhaupt reagieren konnte, wurde sein Wagen erneut von rechts gerammt. Er spürte und sah, wie sich der Kotflügel des Unbekannten in die Beifahrertür drückte. Jack steuerte mit ganzer Kraft dagegen, wollte den Angreifer zurück drängen. Reifen quietschten und er hörte, wie sich Metall unsanft auf Metall presste. Doch es half nichts, der Geländewagen war stärker.

      Das Lenkrad entglitt Jacks Händen und sein Wagen schob sich über den rutschigen Asphalt zum linken Fahrbahnrand. Mit einem lauten Krachen und sprühenden Funken durchbrach der Mustang kurz vor dem Ende der Brücke in voller Fahrt die seitliche Begrenzung. Er rutschte über den mit Büschen und anderem Grünzeug bewachsenen Vorsprung, kippte und überschlug sich zweimal, bevor er mehrere Meter tiefer, mit dem Stoffverdeck zuerst, auf dem aufgeschwemmten Kiesboden aufprallte.

      Kurz darauf flogen Funken und der Wagen ging in Flammen auf.

       Mittwoch, 14. April

      2.38 Uhr

      Grace lachte humorlos.

      »Es ist aber so«, verteidigte sich Jack und ließ seine Beine von der Untersuchungsliege baumeln. »Die Tatsache, dass ich einen Linkslenker fahre, hat mir das Leben gerettet. Sonst hätte ich nie rechtzeitig rausspringen können!«

      Hubert Macintosh stand mit verschränkten Armen in der Ecke des Arztbüros und schüttelte den Kopf. Calhey hatte wirklich verdammtes Glück gehabt. Andernfalls wäre er wohl mitsamt seinem Wagen verbrannt. Der unbekannte Attentäter hatte eine besonders gefährliche Stelle für seinen Angriff gewählt, an der es auch schon früher zu Unfällen gekommen war.

      »Haben Sie irgendwas erkennen können?« fragte Hubert.

      Jack überlegte nochmals, schüttelte dann resignierend den schmerzenden Kopf. »Nein, es war dunkel und hat zu stark geregnet. Es war ein Geländewagen, braun oder schwarz, auf jeden Fall eine dunkle Farbe. Aber mehr kann ich beim besten Willen nicht sagen.«

      »Und der Fahrer?«

      Wieder erntete der Inspektor nur ein Achselzucken. »Die Scheiben waren getönt. Ich habe noch mitbekommen, wie der Wagen kurz angehalten hatte, vielleicht für eine halbe Minute. Dann ist er weitergefahren und ich war erst mal ausgeknockt.«

      »Sie denken nicht, dass er Sie gesehen hat?«

      »Glaube ich nicht. Er hat das hübsche Lagerfeuer in meinem geschrotteten Wagen beobachtet, während ich weiter oben am Hang im Matsch lag. Verdammter Wichser.«

      Hubert kratzte sich nachdenklich am Kinn.

      Grace war noch immer entsetzt von diesem Vorfall und lief aufgeregt hin und her. Sie wirkte wie ein aufgescheuchtes Huhn. »Das ist doch entsetzlich! Soweit habt ihr es also gebracht. Jetzt werden schon Mordanschläge auf Jack verübt«, zeterte sie und sah die beiden Männer abwechselnd vorwurfsvoll an.

      In diesem Moment wurde eine Tür geöffnet. Doktor Leacham betrat den Untersuchungsraum, ein Klemmbrett unter dem Arm. »Gute Neuigkeiten, Herrschaften«, verkündete er überschwänglich. »Jack geht es gut. Keine Gehirnerschütterung, keine Knochenbrüche oder sonstige schwerwiegenden Schäden.«

      »Dafür habe ich jetzt aber einen Schock!«, entgegnete Grace energisch und zeigte auf sich selbst.

      Jack und sein alter Freund Guy Leacham sahen sich an und grinsten.

      »Ja, ich muss wirklich einen begnadeten Schutzengel gehabt haben.« Mit diesen Worten fuhr sich Jack über die Wunde an seiner Stirn, das wohl einzige Erinnerungsstück, das er von seinem Unfall dauerhaft als Narbe zurückbehalten würde. Diese hatte er sich zugezogen, als er sich mit einem beherzten Sprung, den Oberkörper voran, in einen Busch gerettet hatte, während sein Wagen knapp über ihn hinweg in den Abgrund gesegelt war. Glücklicherweise würde die Narbe von seiner Haartolle verdeckt sein. Er sprang von der Liege und zog sich wieder sein zerrissenes und mit getrockneter Erde beschmiertes Hemd über.

      »Dann lasst uns mal nach Hause gehen«, verkündete er, aber Macintosh hielt ihn auf.

      »Mister Calhey. Warten Sie bitte noch einen Moment.« Er zog Jack in eine Ecke und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Grace beobachtete das geheimnisvolle Gespräch argwöhnisch. Sie glaubte in Jacks Gesicht zunächst Erstaunen, dann Verstehen und zuletzt Verständnis zu erkennen.

      Er nickte und Macintosh und er gaben sich die Hand. Dann verabschiedete sich Jack erneut bei den Anwesenden. »Schatz, kommst du?« Mit diesen Worten verließ er den Raum; es drängte ihn, sich auszuruhen.

      Grace sah Macintosh hilfesuchend an.

      »Lassen Sie mal«, winkte dieser ab. »Er ist vielleicht gerade dem Tod entkommen, aber dafür auch ein Stück glücklicher.«

      »Wie bitte?« Graces Augen weiteten sich. Ihr Gesicht zeigte Unverständnis.

      »Naja, immerhin wissen wir jetzt, dass er bei seinen Nachforschungen ganz offensichtlich jemanden nervös gemacht hat.«

      Sie nickte verstehend; beruhigen konnte sie diese Erkenntnis jedoch nicht. »Meinen Sie, dass dieser Thomas Patterson etwas