Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


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der in sie sah, einen kalten Schauer des Entsetzens über den Rücken. Gekleidet waren die Wurrler ganz in schwarzes Leder, das stank, als hätten sie erst gestern einem erlegten Tier die Haut abgezogen.

      Die Wurrler bewegten sich flink, sodass ein normales Auge ihren Bewegungen kaum folgen konnte und sie waren unerschrocken und mutig. Sie besaßen noch eine Eigenschaft, die sie für Gallan bedrohlich erscheinen ließen. Die Wurrler waren unsagbar grausame Geschöpfe.

      Gallan beobachtete einmal, wie sie einen Troll aus dem hohen Norden, der gut und gerne drei Meter groß war und sicher fünfhundert Pfund wog langsam zu Tode quälten.

      Den Troll hielt sich Kisho zur allgemeinen Belustigung und als Objekt für seine grausamen Späße. An die Grundmauern der Festung gekettet fristete er sein trauriges Leben bis Kisho eines Tages seiner überdrüssig war. Er ließ fünf von den Kreaturen gegen den von seinen Fesseln befreiten Troll antreten und versprach ihm sogar die Freiheit, wenn es ihm gelänge, die Wurrler zu besiegen. Es wurde ein ungleicher Kampf. Die fünf flinken wendigen Wurrler hatten Speere, die sie geschickt gegen den Troll einsetzten und ihm so unzählige Wunden zufügten.

      Der Troll dagegen konnte sich nach der langen Gefangenschaft und den Schmerzen, die sie ihm zufügten, kaum bewegen. Nach mehr als acht Stunden lag der Troll verblutet im Sand des Vorhofes und wurde von den Hunden der Wurrler zerfleischt.

      Der Wurrler reichte Gallan die abgeschlagenen mit silbernen blutverschmierten Hörner der Tiere, welche er mit angehaltenem Atem entgegen nahm. Wortlos steckte Gallan sie in seine Jagdtasche, die er um die Schulter hängen hatte.

      Der erste Teil des Auftrags verlief glatt und ohne Schwierigkeiten. Aber wie erklärte er seinem Herrn, sein Versagen bei der anscheinend wichtigsten Einzelheit, auf die der Baron unbedingt bestand?

      »Eure Aufgabe ist erledigt,« sagte er gepresst. »Ich brauche euch nicht mehr,« fügte er im barschen befehlsgewohnten Ton hinzu. Dabei machte er eine Handbewegung, die den Jäger verscheuchte. Kurz darauf hörte er wie die Jäger mit ihren Hundemonstern die Senke verließen und er alleine mit seinen Gedanken zurückblieb.

      Immer noch auf seinen Speer gestützt stand er da, wobei sein Blick zu der Stelle wanderte, an der die junge Stute verschwunden war. Gallan fiel es schwer angesichts der Umstände einen klaren Gedanken zu fassen, eines aber wusste er sicher: Ohne das junge Einhorn konnte er nicht in die Festung zurück.

      Er musste das Einhorn suchen und fangen danach erst konnte er es wagen dem Baron unter die Augen zutreten. Er wollte nicht wie Kargon bestraft werden, was sicherlich geschah, wenn er es nicht schaffte, das Einhorn zu finden. Dabei blieb ihm nicht viel Zeit.

      Kisho würde misstrauisch, wenn er nicht innerhalb der nächsten beiden Tage mit den Hörnern auf der schwarzen Festung erschien. Er würde glauben Gallan wolle die Hörner für sich behalten und er würde ihn als Verräter abstempeln, was keinen Unterschied zu einem Versager machte. Das Ende war das Gleiche.

      Alle Sucher des Barons, unterstützt von den Wurrler würden ihn jagen. Es gab dann in keiner der vielen Welten einen Ort, an dem er sich sicher vor den Nachstellungen und der Rache des Barons fühlen konnte. So oder so, der Baron würde ihn auf alle Fälle jagen, bis er sein vermeintliches Eigentum zurück bekam.

      Eine neue Frage drängte sich Gallan förmlich auf. *Was hatte der Baron mit den Hörnern vor?* Gallan wusste von der Machtgier seines Herrn und er verspürte bei dieser offenen Frage einen kalten Schauer zwischen seinen Schulterblättern.

      *Erhoffte sich der Baron durch die Hörner noch mehr magische Macht zu erlangen? Ja …, die Antwort lautete eindeutig ja.*

      Seit Gallan in Kishos Dienste trat, handelten sich die meisten Aufträge um magische Artefakte, die er unbedingt in seinen Besitz bringen wollte. Er schickte seine Sucher in die entlegensten Welten, um diese Gegenstände zu stehlen. Zu diesem Zweck trug jeder seiner Sucher einen goldenen Ring mit einem roten Rubin, der mit den richtigen Worten das Tor zu anderen Welten öffnete.

      Gallan wusste von einem Kristallschädel, den ein Volk in einer Welt die Jaselon hieß, als ihr Heiligtum verehrte. Kisho wählte zwei Sucher aus, die den Auftrag erhielten den Schädel zu stehlen egal wie. Viele Monate später kam einer der Sucher schwer verletzt und dem Tode nahe zurück.

      In einem Leinensack überreichte er unter Aufbietung seiner letzten Kräfte dem Baron den Schädel und brach tot zusammen.

      Weder eine würdige Bestattung oder ein Wort der Trauer, fand Kisho für nötig, nein er machte sich sogleich zu seiner Artenfaktenkammer auf und ließ sich vier Tage lang nicht sehen. Gallan und einige Sucher gaben ihrem Kameraden das letzte Geleit und beerdigten ihn außerhalb der Festungsmauern, nahe bei einem Hügel.

      Oder der reich verzierte Opferdolch eines Stammes im Westen von Andoran, dem man nachsagte, er hielte die Seelen der geopferten gefangen. Kisho nahm sich selbst der Angelegenheit an und beseitigte so nebenbei den ganzen Stamm, um in den Besitz des Dolches zu kommen.

      Es gab noch zahlreiche Beispiele von Kishos Gier nach solchen magischen Gegenständen und jeden, den er in seiner Kammer aufbewahrte, hatte eine Geschichte zu erzählen.

      Gallan konzentrierte seine Gedanken wieder auf sein eigenes Dilemma. Selbst wenn er die abgeschlagenen Hörner an einem sicheren Ort versteckte, konnte er den Baron damit nicht unter Druck setzen. Kisho besaß perfide Mittel, um ihn zum Sprechen zu bringen und auch wenn Kisho ihn nicht sofort tötete, sondern in seine Kerker sperrte, kam es im Endeffekt auf dasselbe hinaus.

      Mit Schaudern dachte Gallan an die nassen, dreckigen und finsteren Verliese in der Festung des Barons. In sie kam man zwar schnell hinein, aber nicht mehr heraus, solange der Baron nicht damit einverstanden war.

      Keine seiner Überlegungen führte zu einem befriedigenden Ergebnis. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als herauszufinden, wo sich die Stute versteckte.

      Der Sucher zog seinen Speer aus der Erde und wandte sich um.

      Gallan stieß einen lang gezogenen Pfiff aus, dem ein leises Wiehern antwortete. Am Kamm des Hügels erschien ein nachtschwarzer Rappe, der sich im Schritt auf seinen Herrn zubewegte und dann regungslos neben ihm stehen blieb. Der Sucher befestigte seinen Speer mit den dafür vorgesehenen Riemen neben dem Sattel und bestieg mit einem eleganten Schwung sein Pferd.

      *Es bleibt dir nichts anderes übrig, als alle erreichbaren Welten nach der Stute abzusuchen,* dachte er sich beim Aufsteigen. »Jarduk alter Junge wir haben noch eine Menge zu erledigen,« sagte er mehr zu sich selbst als zu dem Rappen.

      Gallan streifte seinen linken Handschuh ab blickte kurz auf den Ring und sprach die Formel, die den Ring zum Leben erweckte. Der goldene Ring mit dem daumennagelgroßen Rubin glühte blutrot auf.

      Ein feiner roter Lichtstrahl verließ den Ring, wanderte über Jarduks Ohren hinweg immer weiter nach vorne, bis er zehn Schritte entfernt plötzlich verharrte. Ein kleiner Kreis entstand, der sich rasch vergrößerte. Die Ränder des Kreises gerieten in eine wirbelnde Bewegung, die schneller und schneller wurde, während sich das Gebilde langsam ausdehnte.

      Im Zentrum des wirbelnden Objekts herrschte tiefschwarze Dunkelheit, die allmählich bis auf einen schmalen Rand den Ring ausfüllte. Gallan wartete, bis ihm die Öffnung für Pferd und Reiter groß genug erschien, dann gab er seinem Rappen die Sporen.

      Mit einem bemerkenswerten Satz nach vorne verschwanden beide in der von Blitzen erleuchteten wirbelnden Luft. Wie Geister lösten sich Reiter und Pferd in der nebligen Luft auf, als sich der Übergang in die andere Welt schloss. Ein lauter Donner erschütterte die Erde und die Senke mit den verendeten Einhörnern erzitterte.

      Gallan sah die kleine Gestalt mit dem grauen Gesicht nicht mehr. Mit tränenfeuchten Augen verfolgte die Gestalt verdeckt vom hohen Gras hinter einem Baum, wie Gallan sich daran machte Riana zu verfolgen.

      Kapitel 3

       Der Weltenwächter

       Verden

      Irgendetwas