Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


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schob seinen Hut etwas nach hinten, sodass Gandulf sein wettergegerbtes Gesicht mit dem leicht ergrauten Haar und den eisgrauen Augen betrachten konnte. Um Janniks Kinn kräuselten sich Tage alte Bartstoppeln, und als er den Mund öffnete, entblößt er zwei Reihen schneeweißer Zähne. Gandulf blieb vor Überraschung der Mund offen stehen und stotternd stellte er sich nun vor. »Ich …… ich bin Gandulf aus den Wolfshügeln, nahe bei Elveen.

      »Freut mich Euch kennenzulernen Gandulf. Wie lange seid Ihr schon in diesem Nest,« fragte Jannik den immer noch verdutzten Gandulf, der nicht sogleich antwortete. Gandulfs Gedanken suchten nach einer Erklärung für Janniks Erscheinen. Es kam hin und wieder vor, dass zwei Wächter an der gleichen Aufgabe arbeiteten, wenn es sich um mehrere Wesen handelte, die die Grenze überschritten.

      *Harun sprach von zwei Fremden. War das der Grund für Janniks Erscheinen?*

      »Was hat Euch in dieses, wie ihr es nennt Nest verschlagen, nach was sucht ihr denn?«

      Jannik seufzte. »So kommen wir nicht weiter Mann aus den Wolfshügeln. Ich bin ein Weltenwächter wie Ihr und es ist schon schwer genug, hier gegen diese Mauer des Misstrauens und des Schweigens anzurennen. Was habt Ihr bis jetzt herausgefunden?« Gandulf zuckte nichtssagend mit den Schultern.

      »Eigentlich nur, was mir der Junge an Gerüchten zugetragen hat. Danach sollen Geister umgehen, die den Menschen das Blut aussaugen und sie wie Abfall liegen lassen.«

      Jannik blickte Gandulf aus seinen eisgrauen Augen nachdenklich an, dann nickte er verstehend. »Genau soweit bin ich auch, daher glaube ich wird es das Beste sein, wenn wir in Zukunft zusammenarbeiten. Was haltet Ihr davon?« Gandulf überlegte eine Weile. Er musste zugeben, dass er bei seinen Nachforschungen gegen die Verschwiegenheit der Einwohner von Na-Talim vergebens angelaufen war. Dabei hatte er nicht das Geringste herausfinden können. Er versuchte bis jetzt erfolglos einen Blick auf eine der Leichen zu werfen, die wie ihm Harun berichtete jeden Morgen aufgefunden wurden. Jedes Mal wiesen ihn die Wachen oder der Magistrat von Na-Talim ab. Vielleicht gelang es ihnen zu zweit mit dem Jungen als Auskundschafter mehr herauszufinden und die Bestien aus der anderen Welt dorthin zurückzuschicken, wo sie herkam.

      »Einverstanden Jannik aus Burgas, damit wären wir schon zwei gegen zwei. Wie mir der Junge versichert sind zwei Fremde vor Wochen unvermittelt aufgetaucht und wieder ebenso spurlos verschwunden. Sie verstehen es sehr geschickt sich vor den Najim und uns zu verbergen.«

      Mit einem Blick schielte Gandulf zu den Männern, die an dem Tresen standen und sich leise aber hitzig unterhielten. Die Stimmung schien sich langsam aber sicher aufzuheizen, deshalb riet er Jannik. »Lass uns von hier verschwinden, ehe sie auf uns losgehen. Wie es aussieht, sind wir hier nicht erwünscht.«

      Es vergingen noch vier Tage in denen Gandulf und Jannik ziellos die Stadt nach dem Wesen durchsuchten, als ihnen Harun eine Nachricht vom Wächter des Friedhofs überbrachte.

      »Arnam der Friedhofswächter meint ihr solltet Euch in der Nacht einmal auf dem Friedhof umsehen, denn dort soll es nach seiner Meinung spuken und nicht mit rechten Dingen zugehen.«

      In dieser Nacht gelang es Gandulf und Jannik, was sie schon nicht mehr für möglich gehalten hatten.

      Gandulf und Jannik schlichen mit äußerster Vorsicht durch die Reihen der Grabstätten, als sie das Knarren einer Türe alarmierte. Mit einem Sprung hinter einem frisch aufgeworfenen Erdhügel gingen die beiden in Deckung. Sie sahen zwei dunkle Gestalten, die ein halb verfallenes Mausoleum verließen und im Schutz der Dunkelheit untertauchten. »Ich glaube jetzt wissen wir, wo sich die Kreaturen verkriechen. Kein Wunder, dass keiner sie entdeckt hat. Wer geht schon des Nachts auf einen Friedhof?,« flüsterte Gandulf Jannik zu.

      »Was machen wir jetzt,« fragte dieser zurück. Gandulf sah zu dem Mausoleum hinüber und dachte kurz nach. »Wir warten und sehen ob sie zurückkommen, dann machen wir das, weswegen wir hier sind. Wir schicken sie zurück.

      Jannik warf Gandulf einen belustigten Blick zu, als er sagte. »Du glaubst doch nicht, dass sie freiwillig abziehen werden, oder? Hier gibt es ausreichend leichte Beute für sie, die nicht schwer zu erlegen ist.«

      »Wir werden sie zwingen,« gab Gandulf entschlossen zurück. Der neue Tag zeichnete sich bereits als dünner grauer Streifen am Horizont ab, als die Blutsauger im beginnenden Grau des Morgens auftauchten und sich in ihr Versteck begaben. Wie Schatten huschten die Gestalten durch die knarrende Pforte des Grabmals und verschwanden im Mausoleum.

      Gandulf gab Jannik das Zeichen zum Rückzug. Erst als sie sich weit genug von dem Friedhof entfernt hatten, legte Jannik seine Hand auf die Schulter Gandulfs, der überrascht stehen blieb. »Was ist,« wollte er wissen und bemerkte, dass Janniks Gesicht einen verärgerten Ausdruck hatte.

      »Wir sind doch keine Feiglinge, oder? Weshalb sind wir nicht ins Mausoleum gegangen und haben die Blutsauger getötet?« Jannik zeigte mit dem Arm den Weg, den sie gekommen waren und bedeutete Gandulf umzukehren, der aber schüttelte den Kopf.

      »Wir sind unvorbereitet Jannik und es hätte keinen Sinn sie im Mausoleum zu stellen, dort wären sie im Vorteil. Ich möchte sichergehen, dass wir sie ein für alle Mal aus dieser Welt schaffen. Verstehst du? Heute Nacht sind wir vorbereitet und gewappnet.«

      Den ganzen Tag verbrachten die Weltenwächter damit einen Plan zu entwerfen, der die besten Chancen auf Erfolg versprach. Zu diesem Zweck kehrten sie auf den Friedhof zurück und prägten sich die Umgebung des Mausoleums ein und spielten alle Eventualitäten durch. Sie wollten die Kreaturen beim Verlassen ihres Verstecks stellen und sie überwältigen, um sie anschließend gefesselt in ihre Welt zurückzusenden.

      Bevor die Abenddämmerung sich über die Na-Talim legte, bezogen Gandulf und Jannik ihren Posten nahe des Grabmals und warteten angespannt auf das erscheinen der Blutsauger.

      Das Warten zerrte an den Nerven der Wächter und Jannik wollte schon ungeduldig geworden auf das Mausoleum zustürmen, doch Gandulf hielt ihn zurück.

      »Warte, sie müssten bald herauskommen,« warnte er Jannik.

      Das leise Knarren der Pforte ertönte in der sich ausbreitenden Dunkelheit und Stille, wie ein Signal. Kurz darauf stand die verschwommene Gestalt eines Blutsaugers im Türbogen und sah sich sichernd nach allen Seiten um. Auf sein kurzes Zeichen hin erschien die zweite Gestalt.

      Auf einen Wink von Gandulf pirschten sich die Wächter näher an das Grabmal heran. Die Kreaturen mussten über ein ausgezeichnetes Gehöhr verfügen, denn noch ehe Gandulf und Jannik bei ihnen ankamen, hörten sie ein zischendes Fauchen, dem ein Warnruf folgte.

      Mit einem unterdrückten Schrei sprang Jannik auf und lief von Gandulf gefolgt auf die Blutsauger zu. Ohne lange zu zögern, stellten sich die Eindringlinge den Weltenwächtern entgegen und gingen zum Angriff über.

      Die Stärke und die Verbissenheit, mit der die Eindringlinge kämpften, zeugte von ihrer Absicht nicht freiwillig ihre Jagdgründe aufgeben zu wollen. Verbissen verteidigten sich Gandulf und Jannik deren Plan die Eindringlinge zu fesseln und unschädlich zu machen in weite Ferne rückte.

      Stunde um Stunde wogte der ausgeglichene Kampf auf dem Friedhof hin und her. Gandulf begann sich schon Sorgen zu machen, dass er und Jannik womöglich in diesem Kampf unterliegen konnten.

      Die Eindringlinge zeigten keinerlei Anzeichen von Ermüdung, während die Bewegungen der Weltenwächter allmählich langsamer und schwächer wurden. Da geschah etwas völlig Unerwartetes.

      Von den Kämpfern unbemerkt schob sich die aufgehende Sonne über den Horizont und schickte ihre Strahlen auf den Schauplatz des Kampfes.

      Der erste Strahl, der die Haut eines der Blutsauger berührte, brachte die von Gandulf lang ersehnte Entscheidung. Die blasse Haut des Blutsaugers begann sich in erschreckender Weise, zu verändern. Schwarze Flecken erschienen, wo die Strahlen auftrafen und die Haut platzte auf, ehe sie sich in sekundenschnelle aufzulösen anfing. Das darunterliegende Fleisch zerfiel zu Staub.

      Schrill vor Schmerzen aufschreiend wälzte sich die Kreatur auf dem Boden und versuchte kriechend den Sonnenstrahlen zu entkommen.

      In Bruchteilen