Hubert Mergili

Das Tor nach Andoran


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Herberge abstieg. Nachdem Gandulf sein Pferd versorgt wusste, machte er sich vorsichtig daran die Wesen aus der anderen Welt zu suchen, stieß bei den Bewohnern aber auf eine Mauer des Schweigens.

      Der Wirt der Herberge, ein mürrischer alter Mann, der keinen Hehl aus seiner Abneigung Gandulf gegenüber machte, knurrte auf jede Frage, die Gandulf ihm stellte, stets ein undeutliches, »keine Ahnung«.

      Gandulf wusste, dass sich das Wesen in der Nähe aufhalten musste, weil er ganz schwach seine Schwingungen empfing.

      Undeutlich und verschwommen so kamen sie bei ihm an, als wolle das Wesen nicht, dass es entdeckt werden konnte. Gandulf kam zu der Überzeugung, hier ein vernunftbegabtes Wesen zu suchen, das sich vor ihm verbarg.

      *Warum zeigte sich das Wesen nicht, oder besser gefragt, was führte es im Schilde?* Um das herauszufinden, benötigte er Hilfe, aber er wusste nicht, woher die kommen sollte, bis ihm eines Tages der Zufall zu Hilfe kam. Oft genug bekam Gandulf zu hören, er solle verschwinden und sich um seine Sachen kümmern und nicht die Nase in fremde Angelegenheiten stecken. Die Najim wollten niemanden der herumschnüffelte und Staub aufwirbelte.

      Eines Nachts, Gandulf lag im Bett seiner Herberge und versuchte zu schlafen, als ihn ein leises Geräusch aufmerksam werden ließ. Aus halb geöffneten Augen beobachtete er einen Schatten, der fast lautlos durch das Fenster gekrochen kam. Nur das leise schabende Geräusch seiner Kleidung hatte ihn verraten. Vorsichtig näherte sich der Schatten seinem Sattel in der Ecke des Raumes und machte sich an den Taschen zu schaffen.

      Dieser dreiste Dieb versuchte tatsächlich, ihn auszurauben. Unwillkürlich spannte Gandulf seine Muskeln und wartete auf einen günstigen Augenblick. Als sich der Dieb wieder zum Fenster begab und ihm den Rücken zudrehte, sprang Gandulf vom Bett auf und den Dieb an.

      »Hab ich dich du Halunke,« rief er aufgebracht und krallte sich mit festem Griff in dessen Kleidung fest. Zu seiner Verwunderung hatte Gandulf einen halb verhungerten hageren Jungen gepackt, der sofort zu schreien begann und sich loszureißen versuchte. »Loslassen … Hilfe … Hilfe.«

      Gandulf packte etwas härter zu und schüttelte den Dieb durch. Er hielt den Jungen mit eisernem Griff fest, und als der noch immer zappelte und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien sagte Gandulf ruhig. »Ich kann dich auch zu den Wachen schleppen, wenn dir das lieber ist.«

      Sofort verstummte der Junge. »So ist es schon besser,« stellte Gandulf zufrieden fest und lockerte seinen Griff, ohne loszulassen. Er drehte den Jungen herum, um sich dessen Gesicht im Mondschein, der durchs Fenster fiel, genauer zu betrachten. Gandulf blickte in ein schmales von Dreck verschmiertes Gesicht, aus dem ihn zwei dunkle glänzende Augen trotzig ansahen.

      Im fahlen Licht, das durchs Fenster fiel, erkannte Gandulf, dass der Dieb vielleicht zehn oder zwölf Jahre sein mochte und einen verwahrlosten Eindruck machte. Der Junge war spindeldürr und sicher hatte er in der letzten Zeit nichts Richtiges zu essen bekommen. Eine Idee nahm in Gandulf Gehirn Gestalt an und er sagte zu dem Jungen, der ihn mit bockigem Gesichtsausdruck musterte.

      »Hör zu junger Mann. Willst du für mich arbeiten? Du kannst dir bei mir etwas verdienen, damit du nicht mehr bei fremden Leuten durch die Fenster steigen musst, um sie zu bestehlen.«

      Plötzlich tat ihm der Junge leid der ihn sichtlich verwirrt und misstrauisch anblickte. Mit dieser Wendung hatte er bestimmt nicht gerechnet. Ungläubig sah der kleine Dieb Gandulf an und fragte mit verhaltener Stimme.

      »Was muss ich dafür tun?«

      Gandulf lachte gedämpft und meinte. »Nicht viel, du sollst nur Augen und Ohren für mich offenhalten. Berichte mir einfach von den ungewöhnlichen Vorgängen, die sich in letzter Zeit in eurer Stadt ereignet haben, oder noch geschehen werden.« Es dauerte nicht lange, bis der Junge mit dem Namen Harun zu ihm Vertrauen fasste. Die Aussicht auf geregelte Mahlzeiten und etwas Geld überzeugten Harun für Gandulf zu arbeiten. »Was wollt ihr wissen? Ich kenne Na-Talim wie meine Hosentasche.«

      Gandulf erklärte Harun, auf was er sein besonderes Augenmerk richten sollte, als Harun ihn unterbrach. »Vor einiger Zeit sind zwei Fremde aus dem Nichts aufgetaucht und über Nacht wieder verschwunden.« Gandulf hörte angespannt zu, was der Junge ihm zu berichten hatte.

      »Niemand hat gesehen, woher sie kamen oder wohin sie gingen. Am nächsten Tag fand man Kinderleichen völlig blutleer und schrecklich verstümmelt. Ihnen wurden die Kehlen aufgerissen und nirgends wurde ein Tropfen Blut gefunden. Die aufgebrachten Leute durchsuchten die ganze Stadt nach den merkwürdigen Fremden, denen man diese Untat zuschrieb. Jedes Haus wurde durchsucht, sogar die verfallenen die sich am Stadtrand befinden, aber die Suche blieb ergebnislos. Seither werden fast jeden Morgen Menschen mit aufgerissener Kehle und völlig blutleer aufgefunden. Es geht das Gerücht um die Fremden wären Geister und daher nicht zu fangen. Die Najim haben schreckliche Angst vor ihnen und bei Einbruch der Dunkelheit wagt es keine Menschenseele mehr sich auf der Straße, schon gar nicht in den dunklen und engen Gassen aufzuhalten.«

      Jetzt begriff Gandulf das Misstrauen der Einwohner und verstand, weshalb sich die meisten der Bewohner, an die er Fragen stellte, in ihre Häuser flüchteten. Von Harun erfuhr Gandulf weiter, dass erwachsene Opfer entweder Bettler ohne Dach über dem Kopf, oder hilflose Betrunkene gewesen sind.

      Eines Tages, Gandulfs Hoffnung hinter den Aufenthaltsort der blutrünstigen Wesen zu kommen war gegen null gesunken, kam Harun außer sich geraten in seine Kammer.

      »Herr in der Taverne von Terek stellt ein Fremder dieselben Fragen wie ihr. Ich glaube es dauert nicht mehr lange, bis ihn Terek oder einer der anderen Betrunkenen aus der Stadt jagen will.«

      Gandulf wartete bis der Junge wieder zu Atem kam dann fragte er ihn. »Welche Fragen,« wollte Gandulf wissen, dessen Interesse geweckt war. Harun blickte Gandulf verschmitzt an. »Wie ihr fragt, er nach Fremden und ungewöhnlichen Ereignissen,« antwortete der Junge, »wenn ihr wollt, bringe ich euch zur Taverne.«

      Gandulf warf sich seinen Staubmantel über und folgte Harun. Durch enge schmutzige Gassen folgte Gandulf dem Jungen, der sich in diesem Gewirr von verwinkelten Durchgängen bestens auskannte in die Unterstadt. In den ansonsten vom Lärm der fliegenden Händler und geschäftigen Trubel erfüllten Gassen herrschte eine angespannte Stimmung und argwöhnische Blicke folgten seinem Weg. Bald stand Gandulf vor einem niedrigen Haus, über dessen Eingang ein Schild auf eine Taverne aufmerksam machte. Harun zeigte darauf und Gandulf betrat die Schenke.

      Das Innere des Wirtshauses lag im schummrigen Licht, welches durch die schmalen Fester ins Innere fiel. Gandulf nahm sofort die knisternde Spannung wahr, welche im Schankraum in der Luft lag.

      Die Einheimischen umringten den Wirt hinter dem Tresen, der mit gebärdenreicher Sprache auf sie einredete. Manchmal blickte einer von ihnen verstohlen zu einer Nische in der Gandulf einen undeutlichen Schatten wahrnahm. Harun zupfte ihn am Ärmel seiner Jacke und flüsterte. »Dort in der Nische sitz der Mann, kann ich jetzt gehen?«

      Gandulf nickte. »Warte vor der Taverne auf mich Harun, ich glaube hier drinnen herrsch dicke Luft.« Harun lief zum Eingang, der nichts weiter als dicht beieinander hängende Perlenschnüre waren, und verschwand nach draußen. Gandulf trat von den Blicken der Gäste verfolgt an den Tisch des Fremden und fragte, ob es ihn störe, wenn er sich zu ihm setzte.

      Der Fremde tat Gandulfs Frage mit einem Achselzucken ab, und wies auf einen leeren Stuhl am Tisch. »Mein Name ist Gandulf,« sagte er, als er dem Fremden gegenübersaß.«

      Der Fremden nickte nur leicht mit seinem Kopf und trank von seinem Becher. »Ihr scheint eine Menge Fragen auf dem Herzen zu haben,« sagte der Fremde als Gandulf saß. Gandulf versuchte unter dem alten speckigen Hut aus Ziegenleder, die Augen des Fremden auszumachen.

      »Und Ihr scheint eine Menge Fragen zu stellen, die den Najim unangenehm sind,« entgegnete Gandulf schlagfertig. Ein breites Grinsen war die Antwort auf Gandulfs Äußerung, wobei der Fremde Gandulf lange musterte. »Ich denke wir beide sind aus demselben Grund in dieses verkommene Nest gekommen.

      »Ich bin Jannik aus Burgas,« stellte er sich vor, »und genau wie Ihr auf der Suche nach dem Wesen, das hier nichts zu suchen hat. Ich erkenne einen Weltenwächter,