Hartmut Witt

Steine der Macht


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ergriff das Wort. Er warf ein zusammengerolltes Pergament auf den Tisch und erklärte, diese Landkarte zeige stets, wo sie sich gerade befänden.

      Der Zwergenzauberer Holubak erläuterte, wie sie in das Zwergenreich Burnaxa gelängen, in dem sein Vetter Burnabax den Kristallenen Stein hütete. Er legte drei Zwergenschwerter auf die Tafel. „Die werdet Ihr vielleicht brauchen.“, endete er.

      Dann begann der komische Vogelzauberer namens Dawid seine Rede. An den Enden seiner Flügel kamen kleine Händchen zum Vorschein, mit denen er einige Röhrchen auf den Tisch warf. „Steckt diese in eure Ohren und Ihr versteht alle Sprachen dieser Welt.“, formulierte er knapp und schwieg wieder.

      Donar erhob sich und legte drei Amulette auf die Tafel. Sie hatten die Form eines Schlüssels und waren mit einem Blitz verziert. „Mein bescheidener Beitrag, mit denen Ihr auf dem Rückweg den Schutzwall passieren könnt, auch wenn dieser wohl löchriger ist, als ich glaubte.“, brummte er.

      Amramin folgte und legte zwei Beutel auf den Tisch. „Seid vorsichtig damit. Der rote Beutel enthält Schrumpfpulver und der blaue Wachstumspulver. Ihr wisst schon.“, erklärte sie.

      Dann stand Babyla auf und sagte lächelnd und mit sanfter Stimme: „Ich habe nichts für euch, meine Lieben. Mit bloßen Händen bin ich gekommen, aber ich liebe euch und wünsche euch Segen und ein warmes Herz!“ Sie sah, dass die anderen Zauberer sie wenig begeistert anblickten und fuhr daher fort: „Allerdings weiß ich, wo sich der Gelbe Stein befindet. Mitten auf der Schreckensinsel gibt es einen Vulkan. In ihm lebt der edle Drachenkönig Helios. Ja, es ist eine Ironie, dass um ihn herum nur mordende Kreaturen wie Warmardare und Rottas leben. Aber es schützt ihn, glaubt mir.“ Dann überlegte sie, verdrehte dabei ihre dunkelbraunen Augen und schaute zum Himmel. „Aber ja, ich habe noch etwas für euch. Ich gebe euch den kleinen Kerl hier mit!“

      Viele Zauberer empörten sich darauf missfallend und Amramin begann zu schimpfen.

      Die Durha Lilly Lula unterbrach den Tumult. „Wir sind noch nicht fertig. Lasst Irrwitt zu Wort kommen. Bevor Ihr Babyla in Stücke zerreißt, hören wir ihn doch einmal.“

      „Ähm, ja“, stammelte dieser, „ich habe schon wieder vergessen, was ich mitgeben wollte. Moment mal.“ Eilig grub er in seinen Lumpenumhang, fand eine Pfeife, die er mit einem Schnipsen der Finger in Brand setzte und zog einige Male kräftig daran. Er rollte mit den Augen, stieß den Qualm zu den Ohren heraus, pupste laut vernehmbar, wobei ebenfalls Qualm aufstieg. „Öhm gut, sapperlot, heiliger Strohsack, ich komm nicht drauf!“ Wieder grub er in seinem Lumpenumhang und zog etwas Grünes mit einem breiten Maul heraus. Er drückte es mit zwei Fingern. Es sperrte das Maul auf und streckte eine lange weiße Zunge heraus. Die Zunge hielt er an seine Pfeife und plötzlich zischte das grüne Etwas in die Luft, wo es mit einem lauten Knall zerplatze. „Äh, oh, ach nee, das war es nicht“, stotterte er.

      Die anderen Zauberer lachten über diesen Unfug. Da griff Irrwitt ein drittes Mal in die Tasche und zog ein kleines, mit einem Korken verschlossenes Messing-Fläschchen hervor: „Grüne Güte, gelbes Ei, kleiner Geist, jetzt hab ich’s!“, rief er und warf das Fläschchen auf den Tisch.

      „Was wird das, Irrwitt?“ fragte die Durha Lilly Lula ungeduldig.

      „Na, willst du sie rauslassen? Das ist doch nur Jeannie. Die macht gute Arbeit.“, versuchte Irrwitt zu erklären.

      „Ein weiblicher Dschinn? Hoffentlich hast du ihre Beschwörungsformeln nicht vergessen?“, fragte ihn Amramin scharf. Da fing Irrwitt an, irre zu kichern: „Aber ja doch, so etwas merke ich mir doch nicht.“, und brach in einen Lachkrampf aus. Die einen murmelten kopfschüttelnd, die anderen stimmten ins Lachen mit ein. Und während seiner Lachsalven stammelte Irrwitt: „Hihihi, es, hahaha, steht doch, hohoho, huhuhu, auf der hahahaha, Flahahahahasche ...“ Amramin schnappte wütend die Messingflasche und betrachte sie. Dann begann auch sie zu lachen und rief: „Du bist wirklich mit Abstand der Verrückteste unter uns! Ja, die Formel ist eingraviert.“

      Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, ordnete die Durha Lilly Lula eine Unterbrechung an. Nach dem Essen würden sie sich beraten, in welcher Reihenfolge die Steine der Macht am günstigsten aufzusuchen wären, und sich am Abend wieder hier einfinden.

      Tawaka, der Federzauberer, hatte Amon zur Seite genommen und erklärte ihm seine Karte. Tatsächlich zeigte die Karte die Insel Samobali und ein leuchtender Punkt symbolisierte, dass sie sich in der Großstadt Citta befanden. Tawaka zeigte ihm, wie man den Ausschnitt der Karte vergrößern und verschieben konnte. Es waren einfache Handbewegungen, mit denen man über das Pergament strich. Wenn man die Karte zusammenrollte, fixierte sie den aktuellen Standort und zeigte ihn als neuen Mittelpunkt beim nächsten Entrollen. Tawaka markierte auf der Karte die Standorte der sechs anderen Steine mit farbigen Punkten. Gemeinsam ermittelten sie die günstigste Route. Da Amon eine Begabung für strategische Planungen hatte, fühlte er sich zum ersten Mal gut aufgehoben.

      Der Zwerg Holubak erklärte Ult die Zwergenwaffen, während Mira von dem Rest der Zauberer umringt wurde. Nur Irrwitt setzte sich unbeteiligt auf seinen Teppich und qualmte seine Pfeife.

      Es gab ein feierliches Mahl. Amon beobachte Babyla, wie sie dem Rotta Essen brachte.

      Als sie das Mahl beendet hatten, trat Babyla unvermittelt an Amon heran und strich ihm zärtlich durchs Haar: „Na, du Goldjunge.“, raunte sie. „Die Idee, euch den Kleinen mitzugeben, ist durchaus ernst gemeint. Ich will dich nicht überreden. Aber ich bin mir sicher, Ihr werdet ihn auf der Schreckensinsel brauchen. Es war doch kein Zufall, dass der Kleine ausgerechnet mir zulief.“

      Amon war diese jüngere Zauberin durchaus sympathisch. Einen Rotta dabeizuhaben, um durch ein Land voller Kreaturen dieser Art zu gelangen, könnte nützlich sein. Doch war Amon die unangemessene Zärtlichkeit der Zauberin unheimlich. Er misstraute ihren Worten und konnte sich nicht vorstellen, wie man den Rotta beherrschen könne. „Lass ihn zur Belohnung laufen, wenn er euch zum Drachenkönig gebracht hat. Ich habe ihn verändert und Licht in ihn gepflanzt. Er ist nun anders als die anderen Rottas. Er wird die Rottas verändern, wenn er sich mit ihnen vereinigt.“ Bei diesen Worten war sie ihm sehr nahe gekommen und plötzlich spürte er ihre feuchten Lippen auf seiner Wange.

      „Hey Amon, pass auf!“, stupste ihn der Zwerg Holubak in Hüfthöhe an, „Sonst treibt sie dich in den Wahnsinn. Das ist ein verdammtes Luder.“ Und dann lachte er lauthals. „Ach Holubak, was weißt du schon von der Liebe?“, entgegnete Babyla keck. Sie hatte Amon losgelassen, um sich in die Nähe von Ult zu begeben. Neben ihm stand nun die Durha Maria. „Sie ist nicht böse.“, sagte sie, „Aber der Zwerg hat Recht, sie verschlingt Männer. Wer sich mit ihr eingelassen hat, liebt sie danach. Doch wer sie dauerhaft besitzen will, wird enttäuscht. Sie lässt sich von keinem Mann fesseln. Sie hat ihren Spaß und nimmt sich den nächsten. Glücklicherweise kann dir das nicht passieren, denn deine Mira ist einfach wundervoll. Babyla ist nicht ohne Grund jung zu einer Meisterin aufgestiegen. Sie hat große Kräfte und nutzt sie nie negativ. Man kann ihr vertrauen, auch wenn ihre Künste von einigen Kollegen nicht anerkannt werden, weil sie sich in neue Bereiche hineinwagt. Besonders die weiblichen Zauberinnen können ihre Art nicht leiden, unerfüllte Sehnsüchte unter den Männern zu schaffen.“ Er schaute zu Babyla herüber, die Ult umgarnte. „Sollen wir den Rotta mitnehmen?“, fragte Amon die Durha Maria. Die Durha Maria sah nun auch zu Babyla hinüber. „Sie wird mit euch kommen und das Hüten des Rotta selbst übernehmen!“, sagte die Durha Maria überraschend. Mit Erleichterung, aber auch Sorge um Ult, nahm er die Ankündigung der Durha Maria zur Kenntnis.

      Mira winkte Amon und gab auch Ult ein Zeichen. Kurz darauf entfernten sie sich aus dem Kreis der Zauberer, um sich in einem kleinen Zimmer ungestört zu beraten. Jeder von ihnen berichtete, was die einzelnen Unterredungen mit den Zauberern erbracht hätten.

      Amon zeigte ihnen die Karte, erläuterte die geographischen Verhältnisse und präsentierte die aus seiner Sicht günstigste Route. Er wies auf die farbigen Punkte: „Das nächstgelegene Ziel im Süden ist die Unterwasserwelt, in der der Blaue Stein gehütet wird. Weiter nach Südosten ist die Schreckensinsel mit dem Gelben Stein und dem Drachenkönig zu finden. Über den Westkontinent geht es in die gigantischen Elfen-Uferwälder des großen Weltenmeeres, um zu dem Grünen Stein und der Elfenzauberin