Hartmut Witt

Steine der Macht


Скачать книгу

überbrachten Rottas auf Fingerhutgröße schrumpfen. Sie wurden in einem magisch überwachten Waldstück im Gebirge ausgesetzt und dort selbst zur Beute von Raubvögeln, Füchsen, Igeln und Schlangen. Sie war vorsichtig genug, die freigelassenen Rottas zu kontrollieren, damit nicht aus deren Vermehrung eine neue Plage in deren winziger Größe entstehen konnte.

      Amon war in diesen Wochen sehr oft bei Mira in Citta. Mira hatte mit ihrer Meisterin, der Durha Lilly Lula, gesprochen. Es wurde ein Termin vereinbart, an dem Ult, Mira und Amon vor den Rat der Magier treten sollten, um die ihnen angetragene Mission und ihre Reise genauer erklärt zu bekommen. Nebenher erfuhr er, dass es Mira gelungen war, bei der Forschung über die Krankheit seiner Schwester aus der übersinnlichen Welt einen Rat zu bekommen. Sie hatte von den Heilkräutern erfahren, die giftig, aber das richtige Mittel waren, um die Drogenwirkung der Dumpoalchemisten zu stoppen. Wita bekam seither einen Trunk, der aus Tollkirsche, Alraunwurzeln, Bilsenkraut, aber zum größten Teil aus Aroniabeerensaft bestand. Nach anfänglicher Gegenwehr nahm sie ihn nun freiwillig und er zeigte erste Erfolge. Witas ursprüngliches Wesen schien zurückzukehren.

      8. Der Rat der Zauberer

      Alle Meisterzauberer waren an diesem Tage nach Citta gekommen, um in der Zauberschule der Durha Lilly Lula die drei mutigen jungen Samobalikis zu empfangen, in deren Hände man das Schicksal Samobalis und wohl auch aller Menschen legen wollte.

      Als Ult, Mira und Amon den Saal betraten, saßen die meisten Zauberer schon an einer langen ovalen Tafel. Einige liefen umher und unterhielten sich. Es war ein unglaublich bunter Haufen. Der greise Donar in seinem funkelnden Gewand war gekommen. Amramin, die alte Waldzauberin, ganz in grün, saß neben ihm. Gegenüber saß die Durha Maria in ihrem purpurnen Gewand. Er sah einen Zwergenzauberer, dessen langer, weißer Bart bis zum Boden reichte, eine Elfenzauberin in unglaublicher Schönheit, mit langen, leuchtend blonden Haaren. Ihr Gewand schien aus Blumen zu bestehen.

      Allerlei Vögel flogen herum oder saßen in den großen Bäumen, die hier überall in dem hellen, etwa 10 Meter hohen Saal standen, über dem ein Dach aus Glas das Tageslicht hereinließ.

      Die Durha Lilly Lula hatte als Gastgeberin den Vorsitz am Ende des Tisches. Sie trug ein Kleid mit lila und blau verwobenen Mustern. Schillernde Spiegel waren darin eingearbeitet. Sie war eine strahlende Erscheinung. Ein Zauberer, ganz in strahlendem Weiß gekleidet, saß ihr zur Rechten, eine in schwarz gekleidete, dunkelhäutige Zauberin zu ihrer Linken. Ein bartloser Zauberer trug ein Federgewand und sah aus wie ein Zentri. So nannte man die Inselbewohner mit kupferbrauner Hautfarbe, die ursprünglich Samobali vor dem Zusammenfall der Reiche auf dem Festland bewohnten.

      Eine etwas dunkelhäutigere, jüngere, fast nackte Zauberin mit sonnenförmigem, goldenem Kopfschmuck zeigte offen ihre wohlgeformten Brüste, die in schillernden Farben mit Ornamenten verziert waren. Sie drehte sich den drei Ankömmlingen entgegen, kam barfüßig auf sie zugelaufen, begrüßte sie und führte sie zu ihren Plätzen am Ende der Tafel. Etwas abseits sahen sie zu ihrer Verwunderung einen Rotta unter einem der Innenbäume sitzen. „Der gehört mir“, sagte die barfüßige Zauberin. „Keine Sorge, er ist schon gezähmt!“, fügte sie hinzu und erntete dafür ein missfallendes Grummeln anderer Zauberer.

      Ihnen gegenüber saß die Durha Lilly Lula. Sie läutete mit einer Glocke. Das Gemurmel der Zauberer verstummte und alle, die noch gestanden hatten, nahmen Platz. Zwei Plätze waren noch frei.

      Auf einem der Stühle landete ein zwergengroßer, vogelartiger Zauberer, der herbeigeflattert kam. Er war ein eigenartiges Wesen, hatte kugelrunde Augen und eine Brille, die seine Augen noch vergrößerten. Er hatte keinen Schnabel, sondern einen Mund, eine etwas zu lang geratene Nase und überdimensional große, menschenähnliche Ohren, die weit abstanden, beim Fliegen aber nicht zu stören schienen, und Füße wie ein Greifvogel. „Wie ihr wisst, meine Freunde, sitze ich gemütlicher in einem Baum.“, entschuldigte er sich.

      Die Durha Lilly Lula erhob das Wort: „Ich begrüße euch, Zauberer. Besonders herzlich heiße ich meine beste Schülerin Mira, ihren mutigen Freund Amon und den tapferen Kämpfer Ult willkommen. Wie üblich fehlt wieder einer von uns. Irrwitt ist nicht gekommen, wie so oft. Wahrscheinlich hat ihn seine Zerstreutheit den Termin vergessen lassen.“

      Da wurde polternd die Tür des Saals aufgeworfen. Ein in schmutzige Lumpen gehüllter, struppiger Zauberer kam auf einem Teppich sitzend in den Saal geflogen. Auf seiner roten Nase saß schief eine verschmierte Brille mit gesprungenem Glas. Der Teppich stoppte abrupt den Flug und landete mit einem Ruck auf dem Boden, bei dem laut scheppernd ein paar kleine Metallkessel auf den Steinboden fielen. Der spindeldürre Zauberer stand auf, stolperte nach wenigen Schritten geradewegs über die losen Senkel seiner Schuhe und fiel bäuchlings wie ein umgefallener Sack vor die Tafel. Eilig rappelte er sich auf: „Komme ich zu spät?“, fragte er in die Runde.

      „Ausnahmsweise, lieber Irrwitt, kommst du genau rechtzeitig! Doch hättest du deinen Auftritt nicht weniger spektakulär gestalten können?“, entgegnete ihm die Durha Lilly Lula lachend. Auch die anderen Zauberer lachten zustimmend.

      „Wir hätten deinen Sitz ja auch mit dem neuen Haustier der Babyla besetzen können!“, setzte Amramin giftig hinzu.

      „Ach, nun hört schon auf. Er ist mir zugelaufen und ich habe ihn gezähmt! Seht nur, wie friedlich er dasitzt!“, wiegelte Babyla ab.

      Der Rotta saß lautlos mit seinen funkelnden, kleinen schwarzen Augen auf einem kleinen Schemel, gefesselt mit einem unsichtbaren Halsband, und zeigte keinerlei Reaktion.

      „Ich werde ihn schrumpfen, bevor er etwas anstellt!“, schimpfte Amramin.

      „Bitte lasst diesen Streit. Das könnt Ihr später klären. Kommen wir zur Sache. Und Du, Irrwitt, nimm bitte Platz!“, stellte die Durha Lilly Lula die Ordnung wieder her.

      Irrwitt setzte sich so ungeschickt auf den letzten freien Stuhl, dass er fast erneut auf dem Boden gelandet wäre, konnte sich aber gerade noch abfangen. „Geht doch!“, brummelte er.

      Die Durha Lilly Lula hatte gewartet, bis Irrwitt seinen Sitz gefunden hatte. „Wir haben uns entschlossen, unseren Weißen Stein der Macht aufzuladen, damit er neue Kraft erlangt. Da die Meister der Zauberergilde fast ausnahmslos zu alt für diese Mission sind, haben wir nach jungen Menschen gesucht, diese schwere Herausforderung zu meistern. Ich denke, wir haben sie gefunden.“ Die Zauberer klatschten Beifall und stimmten lautstark zu.

      „Wir werden euch alles Wissenswerte mitteilen und so gut wie möglich mit unseren Zaubern unterstützen. Den ersten Teil wird euch der weise San Wissall erzählen. Bitte, San Wissall.“, leitete die Durha Lilly Lula ein.

      Der Weiße Zauberer stand auf und begann zu erzählen. Vieles davon hatte Amon bereits davon von der Durha Maria gehört. Er erzählte von den insgesamt sieben Steinen, in wessen Besitz sie wären und welche Elemente damit beherrscht würden. Der Stein müsse alle anderen für etwa eine Stunde berühren. Als er seinen Vortrag beendete, griff er in die Tasche und holte einen weißen, leuchtenden Stein aus einer ledernen Schutzhülle. „Bitte schön, das ist er!“, sagte er und legte ihn auf die Tafel.

      Die Schwarze Zauberin Mavy setzte die Rede fort und erzählte von den dunklen Mächten, den Schattenwesen und der Macht der Dumpos. Sie warf drei schwarze Mäntel auf den Tisch. „Diese werden dafür sorgen, dass Ihr vor deren Augen verborgen bleibt, denn nur so könnt Ihr an den Schwarzen Stein gelangen. Ich würde euch raten, diesen den Dumpos zu entwenden!“, schloss sie ihre Erklärungen.

      Die schöne Elfenzauberin namens Ayo erhob sich. Ihr Volk würde den Reisenden drei geflügelte Pferde schenken, mit denen sie schnell durch die Lüfte an ihre Zielorte gelangten. Sie verriet, dass der Grüne Stein am westlichen Ende der Welt in einem Zauberwald ihrer Schwester Vayu gehütet wurde.

      Lula schenkte jedem der Drei ein Lederfläschchen mit unendlichem Wasser, das sich immer wieder von selbst auffüllte. Sie erzählte von einer Unterwasserwelt in den Tiefen des Zentrischen Meeres. Dort würde der Blaue Stein gehütet. Sie übergab Mira ein blaues Amulett mit einem weißen Seepferdchen darauf.

      Die Durha Maria hatte für die Drei eine Provianttasche angefertigt. Sie würde immer,