Gina Hemmers

KOPFKINO


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sich zu dem Kästchen gesellen, damit es nicht mehr fühlen musste. Wo ist die Person hin, mit der ich so viel Zeit meines Lebens teilte? War ich ihm den gar nichts mehr wert? Mir fehlte Jake schrecklich. Keine Telefonate mehr, keine Sicherheit, nur noch Einsamkeit. Wie soll ich damit abschließen, wie soll ich damit leben, wenn ich keine klare Antwort von dir bekomme, wenn du dich einfach nicht mehr meldest? Du machst mich krank. Du zerstörst mich mit deinem Verhalten.

       Noch sechzehn Tage

      Ich beschloss, ihn zu besuchen. Ob er es wollte, oder nicht. So konnte das doch nicht weitergehen. Ich wollte endlich die Wahrheit, egal wie sehr sie weh tun würde. Außerdem wollte ich ihn sehen. Es tut weh, die Person die man liebt, nicht mehr so oft zu treffen, wie man es eigentlich gewohnt ist. Es tut weh, dass es ihm anscheinend nicht mehr wichtig ist, wie es mir geht. Ich war unglaublich enttäuscht, aber auch sehr wütend. Kein Mensch hatte es verdient, so behandelt zu werden, wie er mit mir gerade umging. Ich hatte einen Brief vorgefertigt, falls er nicht die Tür öffnen sollte. Meine Eltern fuhren mich zu ihm. Ich klingelte mehrmals, aber niemand öffnete. Ich steckte den Brief in den Briefkasten und drehte mich rasch weg, um die Tränen zu verbergen.

       Hey Jake.

       Es tut mir weh, dass du nicht mehr mit mir redest und ich hätte dir gerne erzählt, wie ich mich fühle, jetzt schreibe ich es auf. Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder denken kann, dass es schön war, was wir hatten/ haben, aber im Moment, bin ich einfach nur enttäuscht. Es tut mir weh, wie du mich behandelst. Ich verstehe nicht, wie sich etwas so schnell verändern kann. Ist dir auch die Schule nicht mehr wichtig? Vor einer Woche hast du noch vor deinen Freunden mit mir angegeben und jetzt meldest du dich einfach nicht mehr? Ich bin dir noch nicht mal mehr eine Antwort wert. Es tut mir weh, dass ich mich auf dich verlassen habe und du dich jetzt einfach überhaupt nicht mehr meldest. Ich fühle mich, als wäre ich nichts in deinem Leben gewesen. Ich bin einfach so enttäuscht von dir. Ich fühle mich behandelt, wie Dreck und das, habe ich nicht verdient. Ich weiß nicht, was passiert ist. Was habe ich denn falsch gemacht? Ich vermisse dich. Bitte rufe mich an, ich möchte mit dir darüber sprechen. Immer wenn ich anrufe, gehst du nicht ran.

      Im Auto fragte mein Vater, ob wir Streit hätten. Ich antwortete: „Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, und warum er so zu mir ist.“ Ich fasste mir an die Kehle und wollte wie gewohnt meine Kette mit dem blauen Falter berühren, doch sie war nicht mehr da. Ich traute mich nicht mehr, sie zu tragen.

       Noch fünfzehn Tage

      Jake fehlte nun schon eine Woche in der Schule. Es war unerträglich und sogar Herr Maus war noch weniger zu ertragen als sonst. Und das, obwohl ich geglaubt hatte, der Spitzel könne nicht mehr schrecklicher werden. Zuhause legte ich mich auf mein Bett und starrte vor mich hin. Das war nun meine Hauptbeschäftigung. Auf dem Bett liegen und beten, obwohl ich nie sonderlich katholisch war, dass Jake anrief.

      Und an diesem Tag, wurde mein Gebet erhört. Es klingelte und wie jedes Mal in den letzten Tagen, stand ich auf und raste zum Telefon. „Hallo?“, keuchte ich außer Atem. „Ich bin’s.“, sagte er. Seine Stimme klang abweisend und verschlossen, als ob er etwas vor mir versteckt halten wollte. Gleich nachdem ich seine Stimme gehört hatte, begann mein Herz wie verrückt zu rasen und gegen meine Brust zu springen, als ob es meinen Körper verlassen und ins Telefon springen wollte. „Ich hole dich morgen um sechs ab. Wir müssen reden.“ Ich schluckte und nickte und als ich merkte, das er mich ja nicht sehen konnte, sagte ich schnell: „Okay.“ Er legte ohne ein weiteres Wort auf. Zu meinem Brief hatte er nicht einen Satz verloren. Mir wurde schlecht.

       Noch vierzehn Tage

      Dieser Tag, war bei Weitem der Schlimmste von allen. In der Schule fehlte Jake wieder. Würde er trotzdem heute Abend kommen?

      Ich wusste nicht, was er mir sagen wollte. Das es aus war? Das wir nicht zusammen passten? Das er keine Zeit für eine Freundin habe? Das er mich nicht mehr wollte? Bei diesen Gedanken, durchfuhr mich ein scharfer Schmerz. Ich konnte den ganzen Tag nichts essen, vor Nervosität. Mir war ganz übel. Außerdem hatte ich immer wieder kurz geweint. In der Schule, auf der Toilette und zuhause im Bad, oder in meinem Zimmer.

      Zuhause sah ich mich im Spiegel an. Meine Haare waren braun, ebenso meine Augen. Ich war ein absoluter Durchschnittstyp. Ich war nicht dick, ich war nicht dünn. Ich war normal. Ich hätte verstehen können, wenn er mich nicht mehr wollte. Es gab so viele, die besser aussahen als ich. Er war so außergewöhnlich und wahnsinnig hübsch. Er konnte Jede haben. Und doch entschied er sich für mich. Doch vielleicht, suchte er jetzt ja doch etwas anderes. Vielleicht stand er jetzt doch eher auf blonde, hübsche Mädchen, mit großer Oberweite und einer hübschen Hüfte. Er hätte Jede haben können, wirklich Jede. Aber wenn er das jetzt wollte, brauchte er mich doch nicht wie Dreck behandeln, sondern musste es einfach sagen.

      Wir hatten halb sechs. Schnell stieg ich unter die Dusche. Dann föhnte ich mir die Haare und suchte mir das schönste Outfit aus, das ich besaß. Falls er mit mir Schluss machen sollte, wollte ich so hübsch aussehen, wie es ging. Und einen super Abgang hinlegen. Leider hatte ich durch mein Weinen den ganzen Tag sehr verquollene Augen, die ich auch nicht mehr retten konnte, egal wie viel Make Up ich drauf schmierte. Fünf nach sechs. Weit und Breit noch nichts von ihm zu sehen. In der Regel war er doch immer so pünktlich. Das zeigt ja schon, dass er sich nicht mehr um mich schert, dachte ich, während ich verkrampft meine Tasche packte. Ich steckte auch den Fotoapparat ein, keine Ahnung wieso. Mir war so schlecht. Ich zog mir Schuhe an und meine schönste Winterjacke, die ich auch getragen hatte, als wir zusammen kamen. Dann setzte ich mich auf die Treppenstufen und wartete. Mein Magen zog sich grauenhaft zusammen und ich hatte schreckliche Angst. Ich würde doch nie wieder jemanden finden, wie Jake. Ich wollte nur noch weglaufen. Meine Mutter ging einige Male durch den Flur und ihr Blick verriet, dass sie nicht verstand, warum ich so besorgt und verängstigt aussah. Wir hatten mittlerweile viertel nach sechs. Ich nahm mir vor, auf was auch immer er sagte, gefasst zu sein und nicht zu weinen. Ich musste noch weitere fünf Minuten Todesqualen durchstehen, bis mein Handy klingelte und ich eine Sms von Jake erhielt. Ich stehe vor dem Wagen.

      Ich brüllte durch den Flur: „Ich bin jetzt weg“, bevor ich die Haustür hinter mir zuschlug. Er lehnte an der Fahrertür und sah verändert aus. Seine Haare fielen ihm nicht wie sonst ins Gesicht, sondern waren nach hinten gekämmt und er hatte tiefe Schatten unter den Augen.

      „Hi“, sagte ich verunsichert. Plötzlich fiel ich ihm auch schon in die Arme und weinte herzergreifend. So viel zu meinem guten Vorhaben. Er küsste mich auf die Stirn.

      „Hey du. Lass uns reden.“ Er wirkte erschöpft und sah gequält aus. Diese zwei Sätze, verbesserten nicht unbedingt meinen Zustand und ich begann richtig zu heulen. Mein Herz fühlte sich so an, als wäre es explodiert. „Jetzt beruhige dich doch erstmal.“, flüsterte er, „es tut mir leid. Ich verspreche, dass ich das nicht mehr mit dir machen werde. Ich wusste nicht, dass ich dir damit wehtue. Ich habe nicht nachgedacht.“ „Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst“, schluchzte ich. „Das kann ich aber halten, meine Süße. Ich wusste nicht, wie sehr ich dir damit weh tue. Ich hatte soviel im Kopf und ich habe einfach nicht die Zeit gefunden, dir zu antworten.“ „Du weißt, dass das eine Lüge ist“, schniefte ich, „ich bin doch nicht blöd.“ Er zögerte. „Ich habe dir nicht geantwortet, weil ich nicht gewusst habe, was ich schreiben sollte. Ehrlich gesagt, hatte ich andere Dinge im Kopf. Aber meine Gefühle für dich haben sich nicht verändert. Ich liebe dich immer noch so sehr, wie am ersten Tag, vielleicht sogar noch mehr. Kannst du mir verzeihen?“ Er sah mich traurig mit seinen Hundeaugen an und zog seine Stirn besorgt hoch. „Es tut mir wirklich sehr leid.“ „Wieso verheimlichst du etwas vor mir? Ich verstehe dich nicht. Du kannst mir doch alles anvertrauen.“ „Ich möchte nicht darüber sprechen. Mit niemandem. Bitte akzeptiere das. Es wird der Tag kommen, an dem ich dir sagen werde, was los war, aber lass uns das bitte jetzt einfach vergessen. Bitte.“ Ich blickte ihm traurig in die Augen und spürte, wie sich mein Herz langsam wieder zusammensetzte. „Ich bin einfach froh, dass du jetzt wieder hier bist. Aber bitte mach das nie wieder mit mir. Das stehe ich nicht noch mal durch. Ich liebe dich