Gina Hemmers

KOPFKINO


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unglaublich gerne eine rauchen. Ich habe keine Lust mehr, Auto zu fahren“, murmelte er.

      „Soll ich fahren? Ich kann das ganz gut.“

      Er drückte mir den Autoschlüssel in die Hand und ging auf die andere Seite des Autos. Dass er ihn mir gab, ließ mich das Schlimmste befürchten. Jake hätte so etwas normalerweise nicht getan. Er hätte mir niemals sein heiß geliebtes Auto überlassen, wo ich doch keinen Führerschein hatte. Es ging ihm anscheinend wirklich sehr schlecht.

      Als ich den Platz hinter dem Lenkrad einnahm, saß er schon auf dem Beifahrersitz und lehnte den Kopf gegen die Scheibe.

      „Wohin?“, fragte ich.

      „Wie immer.“

      Ich vermutete, dass er damit unsere Hütte meinte und fuhr, obwohl ich es bisher erst ein paar Mal in der Fahrschule getan hatte, los. Mein Herz raste, als ich aus unserer Straße bog. Hoffentlich würde mich niemand anhalten und meinen unsicheren Fahrstil bemängeln. Hoffentlich ertappte mich niemand.

      Erschöpft schloss er die Augen und verließ sich ganz und gar auf mich. An unserer Hütte hielt ich an und würgte versehentlich den Wagen ab, aber ich hatte das Gefühl, als habe Jake es nicht bemerkt. Er stieg aus und öffnete meine Tür ebenfalls. Er nahm mich fest an der Hand und jetzt wurde mir klar, was er wollte. Was er brauchte. Er brauchte Liebe. Er war erschöpft und ich sollte ihm wieder Kraft geben. Und ich war viel zu erleichtert, dass wir uns vertragen hatten, als das ich wütend war, dass er mich jetzt nur benutzte. Jake zog mich mit sich. Diesmal ging er weniger sanft vor. Ich stolperte über Steine und Äste. Er riss die Tür unsere Hütte auf und warf mich aufs Sofa. Ich schlug mir mein Knie an der Wand an, was ziemlich weh tat und mir entschlüpfte ein „Au!“. Daraufhin schrie er schmerzerfüllt und schlug mit der Faust auf den neuen Schrank ein. Er schlug so fest zu, dass sich auf dem Schrank tiefe Faust abdrücke bildeten. Es tat mir weh, ihn so qualvoll und schmerzerfüllt zu sehen, doch ich brachte keinen Ton hervor. Und dann, es dauerte kaum zehn Sekunden, lag er schon neben mir und begann zu weinen. Ich nahm ihn in den Arm. Er schluchzte laut. Was hatte er bloß? „Hey. Hey. Psst.“ Ich machte die Geräusche, die meine Mutter früher immer gemacht hatte, wenn ich weinte. Nach einer Weile hörte er auf. Sein Körper zitterte nur noch. Und dann sagte er: „ Ich liebe dich.“ „Ich dich doch auch.“, sagte ich. Er sah mich mit verquollenen Augen an und flüsterte: „ Nein. Nein. Ich liebe dich wirklich. Ich werde dich auch immer lieben. Egal was passiert.“

      Seine Hand blutete und ich stand auf. Glücklicherweise hatte ich einen Kühlakku im Kühlschrank verstaut, da ich mich vor wenigen Monaten mal übel am Kopf gestoßen hatteütHp.

      Ich besah mir seine Hand, in der überall winzig kleine Splitter des Holzes stecken. Bei diesem Anblick bekam ich eine Gänsehaut. Das musste doch höllisch wehtun, aber Jake verzog keine Miene. In meiner Tasche hatte ich noch meine Pinzette. Wenn der Unterricht zu langweilig wurde, zupfte ich mir damit die Augenbrauen. Ich machte mich daran, die Splitter vorsichtig zu entfernen. Es war eine mühselige Arbeit, doch nach einer Weile hatte ich es geschafft und wickelte ein Handtuch um den Kühlakku und legte ihn auf seine Hand. Dankbar sah er mich an.

      Ich küsste ihn, auf die verletzte Hand. Es war gut, dass wir endlich gesprochen hatten und das Gefühl das wir gemeinsam traurig waren, verband uns. Geteilt, ist das Leid nur noch halb so groß. Es tat mir weh, ihn so traurig zu sehen. Doch warum er so traurig war, wollte mir nicht in den Sinn kommen. Nachdem wir eine Weile gekuschelt hatten, liebten wir uns.

      Heute Nacht schliefen wir nicht in unserer Hütte, denn wir beide hatten weder Schlaf- noch Schulsachen für den nächsten Tag dabei. Ich fuhr uns in seinem Wagen zurück. Als ich auf der Landstraße in eine Kurve fuhr, bemerkte ich, dass der Wagen ein wenig schlingerte. Hier lag offenbar Glatteis. Sehr gefährlich, dachte ich. Wenn jemand zu schnell hier hineinfahren würde, könnte er da vorne frontal gegen einen Baum schleudern. Jake öffnete die Augen, die er gleich nach dem Einsteigen geschlossen hatte. Offenbar bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Er sagte jedoch nichts außer: „Ich müsste wirklich bald mal die Winterreifen drauf ziehen lassen.“

       Noch dreizehn Tage

      Nach der Schule lernte ich für die Führerscheinprüfung. Danach half ich meiner Mutter im Waschraum. Irgendwie machte ich das sehr gerne, denn ich liebte den Geruch. Der Weichspüler verzauberte mich. Immer, wenn ich ein neues Teil, aus der Wäsche aufhängte, roch es nach frischen Blumen. Sie bügelte und ich hing die nasse Wäsche auf, wie immer.

      „Sag mal, ist mit dir und Jake alles in Ordnung?“, fragte plötzlich meine Mutter.

      „Klar wieso fragst du?“

      „Er kommt mir so komisch vor in letzter Zeit. Er ruft so selten an und ich sehe ihn gar nicht mehr so oft bei dir.“

      „Ach das stimmt doch gar nicht. Ihm geht es im Moment nur einfach nicht so gut.“, murmelte ich. „Ist er krank, der Arme?“ „Nein Mum, ich weiß nur einfach nicht, was er hat. Das wird schon alles wieder gut.“ Besorgt sah sie mich an. Dann senkte sie den Blick. „Ja bestimmt. Ich steigere mich da wieder in etwas hinein. Aber pass auf, das er dir nicht wehtut.“ Ich drückte ihre Hand. „Das wird er schon nicht“, entgegnete ich und dachte mir im Stillen: Das hat er schon.

       Noch zwölf Tage

      Jake kam endlich wieder in die Schule. Zwar blass, aber zumindest kam er. Ich drückte fest seine Hand. Zwischen uns war es noch immer ein wenig komisch, aber ich war glücklich, dass wir noch zusammen waren und dass er mich noch liebte. Gerade zwang er sich zu einem Lächeln und hauchte: „ Ich liebe dich.“

      Dann sagte er nichts mehr, er sah mich nur an.

      Mittags traf ich mich mit meiner besten Freundin. Eigentlich wollte ich mit ihr ins Kino gehen und ihr nichts von Jake erzählen, aber ich musste einfach. Ich konnte nicht die ganze Last tragen. Ich erzählte ihr, wie komisch er in der letzten Zeit war.

      „Das ist mir nicht aufgefallen, ich habe nur bemerkt, dass ihr nachmittags jetzt nicht mehr so viel Zeit miteinander verbringt, weswegen du endlich mal Zeit für mich hast.“

      Kathi wollte nicht eingeschnappt klingen aber es klang trotzdem wie ein Vorwurf. Ich zwinkerte ihr zu und wollte mich aber von meinem Thema nicht ablenken lassen. „Du weißt doch, dass das nicht meine Absicht ist. Ich hab dich doch immer noch gerne. Er macht mich halt einfach glücklich und ich möchte am liebsten jede Sekunde mit ihm verbringen. Du weißt doch, wie es ist verliebt zu sein. Aber was hältst du davon, dass er plötzlich so komisch ist?“ Kritisch beäugte sie mich. „Es klingt ein bisschen so als würde er das Interesse an dir verlieren. Sorry. “ Kathi war immer sehr offen und auch oft, leider viel zu ehrlich. Sie sprach genau das aus, was ich die ganze Zeit gedacht hatte. „Aber vor drei Tagen hat er mir gesagt, es würde jetzt wieder alles gut werden. Und er sagte, er würde jetzt bei mir bleiben und das nicht mehr mit mir machen.“

      Kathi zuckte die Achseln, „das hätte ich auch gesagt, wenn ich Sex gewollt hätte.“ Ich spürte einen furchtbaren Stich im Herzen. Ja, so waren Jungs. War Jake nur zurückgekommen, um Sex zu kriegen? Mir war komisch zumute. Ich beschloss, ihn zur Rede zu stellen. Heute Abend noch, das war sicher.

      Mein Vorhaben wurde wieder vermasselt, denn Jake kam einfach nicht. Nichts mit: Ich kann mich auf dich Verlassen. Er sagte noch nicht einmal ab. Wieder beschlich mich ein komisches Gefühl. Das Gefühl, wertlos zu sein. Wie Dreck behandelt zu werden. Nach einer Stunde warten zückte ich mein Handy und rief in an. Nach dem Zweiten Tuten hob er ab. „Hey, was gibt’s?“ „Wir waren verabredet?“, stresste ich ihn. „Oh verdammt“, fluchte er, „das habe ich vollkommen vergessen.“ „Das habe ich gemerkt“, zischte ich. „Es tut mir leid mein Schatz. Aber ich kann heute nicht mehr kommen.“ „Ich habe jetzt die ganze Zeit auf dich gewartet“, knurrte ich ihn wütend an, „kannst du mir nicht mal absagen?“ „Ich habe doch gesagt, ich habe es vergessen. Tut mir leid. Ich bin halt nun mal im Moment etwas planlos“, brauste er direkt auf. Mh. Jetzt oder nie. „Hast du dich nur mit mir vertragen, weil du Sex wolltest?“ „Spinnst du?“, bellte er. Ich ruderte sofort zurück: „Na ja, Kathi und ich haben uns heute unterhalten und sie