Rainer Rau

Zwillingsmord


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ansetzte, einen Hauch von Entsetzen zu sehen.

      Eine weitere Person schaute sehr irritiert auf Hohenfels. Es war seine schrullige Mitarbeiterin, Frau Lau-mann. Hohenfels’ Blick begegnete dem der Frau nur kurz, machte ihn aber nachdenklich. Dann konzentrierte er sich wieder auf seinen Patienten.

      Die Kanüle war voll und Hohenfels sagte: »Na, Ergan. War doch gar nicht so schlimm, oder?«

      Der schüttelte mit dem Kopf und war froh, es überstanden zu haben.

      »Weil du so schön tapfer warst, bekommst du auch ein Geschenk.«

      Ein fernsteuerbares Rennauto ging in den Besitz von Ergan über.

      »Sag mir doch deine Adresse, falls du später doch Schmerzen hast.«

      Hohenfels wollte auf diese Adresse zurückkommen. Und das sehr bald.

      Er zog aus diesem Experiment das Resultat: Bei dem simulierten Schmerz verzog der Bruder keine Miene. Bei dem echten Schmerz, so glaubte Hohenfels, war schon kurz vorher ein Erkennen zu sehen. Das war für Hohenfels der Beweis. Mehr noch. Es war der Beginn des Durchbruchs. Dies konnte ein Meilenstein in der Forschung der Parapsychologie sein. Der Nobelpreis rückte in greifbare Nähe. Nur der Beweis fehlte. Das wäre doch auch irgendwie zu machen.

      Wenn Hohenfels zu diesem Zeitpunkt gewusst hätte, in welchen verbrecherischen Sumpf er sich im Laufe der nächsten Jahren begeben würde, hätte er sicherlich seine Forschungen eingestellt, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Dies geschah zum Leidwesen einiger Zwillinge leider nicht. Jetzt musste er am Ball bleiben und weitere Experimente starten. Das machte er schon am nächsten Tag.

      Als die Brüder Ergan und Özdemir von der Schule nach Hause kamen, stand er abseits an der Straße. Er winkte sie zu sich und fragte, ob denn alles in Ordnung wäre und der Schmerz nachgelassen hätte.

      Ergan bejahte es und erklärte, dass es nicht so schlimm gewesen wäre.

      Hohenfels wollte von Özdemir wissen, ob er sich auch ein schönes ferngesteuertes Auto wünschte.

      Als dieser bejahte, sagte Hohenfels: »Ihr braucht nur noch mal in meiner Privatpraxis vorbeizuschauen und von Özdemir möchte ich etwas Blut abnehmen. Tut auch nicht weh.«

      Sie waren einverstanden, mussten jedoch erst zum Mittagessen gehen und ihrer Mutter die Hausaufgaben zeigen. Er musste also warten. Die Aussicht auf ein weiteres Experiment bremste seine Geduld herunter.

      Nachdem die Brüder wieder aus dem Haus kamen, nahm Hohenfels sie im Auto mit zu seiner Hofreite. Er erklärte ihnen, dass er einige Messungen am Kopf von Ergan durchführen wollte.

      Als dieser ängstlich schaute, sagte er ihm, dass er keine Angst zu haben brauche, es würde bestimmt nicht weh tun und ginge auch ganz schnell.

      Im Keller setzte er Ergan auf einen Stuhl und befestigte einige Elektroden an seinem Kopf und am Brustkorb. Ein hochmoderner Computer zeichnete die Herzfrequenz, Puls und Gehirnströme auf.

      »So, alles klar? Siehst du, es tut nicht weh. Ich muss jetzt noch deine Arme und den Kopf etwas fixieren, damit du ganz still hältst. In der Zeit gehe ich mit deinem Bruder nach nebenan und entnehme ihm etwas Blut. Also, bis gleich.«

      Er schloss die Tür. Der Raum war schalldicht, so konnte kein Ton nach nebenan dringen. Hohenfels setzte auch Özdemir auf einen Stuhl und band ihm Arme und Beine mit Klettband fest.

      Der Junge ahnte etwas und wollte wieder aufstehen, was nun aber nicht mehr ging. Hohenfels fixierte den Kopf des Jungen an dem Stuhl. Er verband ihm die Augen.

      »Leider muss ich dir doch etwas weh tun. Aber es dient der Wissenschaft und dauert auch nicht lange.«

      Der Junge weinte. Er fühlte, dass es schlimm werden würde.

      Hohenfels öffnete den Mund des Jungen mit einem Spatel und stach mit einer kleinen Kanüle zwischen Backenzahn und Zahnfleisch bis tief auf die Wurzel.

      Der Junge schrie wie am Spieß und bäumte sich auf. Hohenfels kannte kein Erbarmen. Er war wie im Rausch. Die Prozedur wiederholte sich dreimal. Dann ließ er von dem Jungen ab. Er gab ihm etwas Nelkenöl auf den Zahn, was ihm sofort Linderung brachte.

      »So. Du hast es überstanden. War doch gar nicht so schlimm. Oder? Jetzt habt ihr euch aber ein Eis verdient. Ach ja, das Auto selbstverständlich auch.«

      Hohenfels band den Jungen los, der schon wieder etwas versöhnt war, bekam er doch ein fernsteuerbares Auto geschenkt.

      Sie gingen nach nebenan. Hier befreite er Ergan von seinen Fesseln. In seinem Gesicht glaubte Hohenfels pures Entsetzen zu sehen.

      Wenn dies von den Auswertungen der Daten auf dem PC bestätigt wurde, so war eine weitere Hürde in Richtung Nobelpreis genommen.

      4. Marlene – der Nerv – und die Lahn

      Die 245 Kilometer lange Lahn entspringt im südlichen Rothaargebirge und mündet bei Lahnstein in den Rhein. Sie ist eine der schönsten Nebenflüsse Deutschlands.

      Die Forschungen von Professor Werner Hohenfels zogen sich durch die nächsten Jahre, ohne dass ein wesentlicher Durchbruch zu erkennen gewesen wäre.

      Dieses lag nicht am Einfallsreichtum oder an der Vorgehensweise des Arztes. Im Gegenteil, er wurde immer aktiver. So überredete er seinen Sohn frühzeitig, für ihn im Sinne der Wissenschaft tätig zu sein.

      Mit 17 machte sich Volker Hohenfels im Auftrag seines Vaters an eine Schülerin seiner Parallelklasse heran. Wie sollte es anders sein, war sie ein Zwilling. Volker Hohenfels machte ihr Komplimente und kleine Geschenke. Beim Treffen im Eiscafé spendierte er ihr großzügig einen Schwarzwaldbecher und gab sich weltmännisch, als er für sich lediglich einen Espresso bestellte. Beim anschließenden Bummel durch die Altstadt schenkte er ihr eine Kette, die sie im Schaufenster eines Juweliers gesehen hatte. Sie wollte diese zunächst nicht annehmen, als Hohenfels aber beleidigt tat und erwähnte, dass er in diesem Fall die Kette ihrer Schwester schenken müsse, zierte sie schnell den Hals des jungen Mädchens.

      So hatte er nach kurzer Zeit eine intime Beziehung zu ihr, was ihm nicht schwerfiel, denn das Mädchen hatte eine gute Figur. Es lag ihm nicht besonders viel an ihr, aber der Sex mit ihr, den er in den kommenden Tagen und Wochen hatte, war gut. Ihr Name war Karena und der ihrer Schwester Marlene.

      Eine Party mit Band in der Hofreite beeindruckte Karena und Marlene sehr. Es gab viel Alkohol und die beiden Schwestern waren heftig beschwipst, sodass sie in der Privatklinik übernachten wollten.

      Es war zwischen Volker Hohenfels und seinem Vater verabredet, wenn alle anderen Gäste gegangen waren, den beiden Mädchen einen letzten, kleinen Absacker zu reichen. Dieser sollte sie aber wirklich absacken lassen.

      Er enthielt ein Mittel, was die Muskulatur erschlaffen ließ, die Sinne jedoch nicht berührte. Der Professor entnahm es seinem Arzneischrank, den er wieder sorgfältig verschloss.

      Gegen 2.00 Uhr nachts war es so weit und die beiden Mädchen waren bewegungsunfähig. Nachdem Volker seinem Vater half, sie auf die Stühle zu setzen, wollte dieser ihn wieder nach oben schicken. Aber Volker bestand darauf, sehen zu wollen, was sein Vater mit ihnen machte.

      »Gut, dann kannst du mir assistieren.«

      Seine Freundin Karena war im Nebenraum. Vor ihnen auf dem Stuhl saß, schlafend und alkoholisiert, Marlene. Oder war es ungekehrt? Jedenfalls hatten sie dem Mädchen im Nebenraum Sensoren auf dem Kopf und am Körper befestigt.

      Volker Hohenfels hatte sich bis dahin noch keine richtigen Gedanken um das, was sein Vater für seine Forschungen tat, gemacht. Jetzt sah er, dass er dem Mädchen wehtun wollte. Es schreckte ihn jedoch nicht ab, sondern erregte ihn eher. Er sah seinem Vater fasziniert zu.

      »Und den Schmerz der einen kannst du bei der anderen sehen?«

      Prof.