Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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Es war ein junger Rittersmann

       In Lieb zu ihr entbrannt,

       Er sprach: »o Fraue minniglich,

       Ich lieb' Euch so herzinniglich,

       Mehr wohl als Euer Ehgemahl

       Im fernen Morgenland!«

       Ein artig Mährchen sann er Euch

       Mit seinem Glöcklein aus,

       Es wird wohl nie erklingen

       Und von des Todes Schwingen

       Ereilt, schläft er den langen Schlaf

       Wohl längst im Grabeshaus.

       Die Gräfin fühlte sich bestrickt

       Von seiner Augen Strahl,

       Er klopft' mit süßen Worten

       An ihres Herzens Pforten

       So lang, bis sie die Treue brach

       Dem fernen Ehgemahl.

       Und als die Treu gebrochen war,

       Griff er zum Glöcklein schnell.

       »Laßt uns das Angedenken

       Im tiefen Main versenken!«

       Horch, Wunder! da erklangen draus

       Drei Schläge silberhell.

       Da ward der schönen Sünderin

       Zu Eis das warme Blut,

       Sie sprang in lautem Jammer

       Aus der entweihten Kammer

       Hinauf zur höchsten Thurmeszinn'

       Und stürzt sich in die Fluth.

       Der Ritter stand wie Marmor bleich

       Und schaudernd er entwich,

       Als Mönch mit nackten Füßen

       Die schwere Schuld zu büßen. –

       Zur selben Stund' im Morgenland

       Graf K l i n g e n b e r g erblich.

       295. Die Kapelle im Haßlocher Thal.

       L. B r a u n f e l s Mainufer S. 301.

       Nicht weit von Wertheim am rechten Ufer des Maines

       liegt das Dorf H a ß l o c h in einem reizenden Thale

       an der Mündung des Hasselbaches. Verfolgt man das

       Thal der Hassel aufwärts, so kömmt man an eine verfallene

       Kapelle, die der Wertheimer Graf J o h a n n

       m i t d e m B a r t e erbaut haben soll. Johann liebte

       das Jagdvergnügen so leidenschaftlich, daß er sogar

       den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des

       Waidwerkes entheiligte. Selbst am Osterfeste ließ er

       nicht ab davon; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm

       auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer

       weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde

       Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde.

       Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben, frommen

       Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem

       gottlosen Uebermaaß der Jagdlust. Und plötzlich, wie

       innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein

       Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt

       nun weiter schritt, schallte ein Glöcklein vor ihm,

       immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder

       auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare

       Errettung baute der Graf an der Stätte, wo ihm

       die Quelle geflossen, diese kleine Kapelle.

       296. Die Frau Hulle.

       A . v . H e r r l e i n S. 197.

       Auf dem Schellenberge zwischen Haimbuchenthal

       und Wintersbach stand vor Zeiten ein Schloß, und im

       Schloßhof ein Lindenbaum. Der war sehr groß und

       schön und es ging die Sage, so lange der Lindenbaum

       stehe und grün sei, werde das Schloß auch stehen,

       wenn er aber dürr und abgängig würde, würde das

       Schloß verfallen und die Herrenleute würden in's Abwesen

       gerathen.

       In dem Schloß nun lebte einmal ein Schloßherr, der

       hatte zwei Söhne. Der älteste war sehr groß und

       schön, der jüngste aber war klein und häßlich. In seiner

       Jugend hatte er einmal das Bein gebrochen, und

       man nannte ihn darum nur den krummen Jakob. Wie

       nun der Schloßherr sein Ende nahe fühlte, ließ er sie

       beide vor sein Bett kommen, übergab dem Einen das

       Schloß, als dem Erstgeborenen, und eine große Kiste

       mit Geld und ermahnte ihn, den Jakob bei sich zu behalten,

       Zeitlebens ihm brüderlich zu begegnen und an

       nichts es ihm fehlen zu lassen. Das versprach nun der

       Aelteste mit Hand und Mund, wie aber der Vater gestorben

       war und er das Schloß überkommen hatte,

       hielt er's nicht, vielmehr behandelte er den Bruder

       schlechter, als den geringsten Taglöhner. Er ließ ihn

       nicht mit sich am Tische essen und nicht in seinem

       Schlosse wohnen, sondern er mußte im Stall bei den

       Pferden schlafen und mit den Hunden aus einer

       Schüssel essen. Da ging der Jakob, als er sah, daß der

       Bruder kein brüderliches Herz gegen ihn habe, eines

       Tages zu ihm und verlangte sein Erbe, denn er wollte

       sein Glück weiter suchen; der Schloßherr aber gab

       ihm nichts, sondern schlug ihn und ließ ihn zum

       Schloß hinauswerfen.

       Also geht der krumme Jakob traurig fort in den

       Wald, immer zu, Berg auf Berg ab, und wie er in's

       Thal kommt, wo heutzutage die Karthause steht und

       die alte verfallene Kirche, ist's Abends, und er setzt

       sich unter einen Baum, legt den Kopf in die Hände

       und weint bitterlich. Wie er wieder aufstehen will,

       sitzt gegenüber auf einem Stein eine alte Frau mit

       grauen Haaren und runzlichtem Gesicht, die spinnt

       und wie sie das Rad tritt, nickt sie in Einem fort dazu

       mit dem Kopf, – das war die Frau Hulle. Sie hatte

       eine kleine Platthaube auf dem Kopfe, wie sie die

       alten Weiber sonst in die Kirche aufzusetzen pflegten,

       und eben ein solches schwarzes wollenes Mützchen,

       das nur bis knapp unter die Ellenbogen ging, und darunter

       vom Ellenbogen bis an die Hände weiße Stauchen.

       Sie fragt ihn, warum er so traurig sei? er aber

       sagt: »Ihr könnt mir doch nicht helfen!« und will wei-

       ter. »Du bist der krumme Jakob aus dem Schloß,«

       sagt sie, »ich kenne dich und deinen Bruder und will