Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


Скачать книгу

genug. Aber der Hausherr erbarmte sich des armen

       Wurmes, seiner schönen Gestalt und rührenden Unschuld,

       und so hatte er nun zehn Kinder und zog sie

       alle glücklich auf. Aber er hatte Bürgschaft gethan für

       einen Freund, dem war das Glück untreu. Betrüger

       brachten ihn um einen großen Theil des Seinigen.

       Meeresstürme begruben mehrere seiner Schiffe in den

       Abgrund. – »Bürger muß man würgen,« – sagt ein

       altes, aber nicht gutes Sprichwort, und so erging es

       auch dem armen Mayr von Kempten. Er verdarb

       gänzlich. Mit sich und der Welt zerfallen, wurde der

       fröhliche Mann ein Menschenfeind und selbst den eigenen

       Kindern abhold. Er schlug sie und trieb sie aus

       dem Hause, daß sie dienten und ihm aus dem Brod

       kamen. Der zehnte, der arme Heinrich Findelkind,

       war am schlimmsten daran. Aber er lief doch lieber in

       die unbekannte große, weite Welt hinaus, als daß er

       sich zu Hause todtschlagen ließ. Da fanden an der

       Heerstraße zwei Priester, die nach Rom zogen, den

       weinenden Knaben, trösteten ihn, gaben ihm Brod;

       mit ihnen ging er über den Arlberg. Drüben wohnte

       ein rauher und streitbarer, aber frommer Ritter. Man

       hieß ihn nur den Jackl über Rhein. Der gab den Priestern

       reichlich Almosen und fragte: »Wo wollt Ihr mit

       dem Knaben hin?« Sie erwiederten: »Er ist zu uns gelaufen

       auf dem Feld.« Darauf der Ritter: »Laßt ihn

       mir, daß er meine Schweine hüte.« Die Priester antworteten:

       »Er kann thun, was er will,« und Heinrich

       Findelkind wurde Knecht und Schweinehirt beim

       Jackl über Rhein, erhielt des Jahrs zwei Gulden Lohn,

       ging fleißig jeden Sonntag mit dem Ritter in die Kirche

       und trug ihm das Schwert nach. Wie sie da, dem

       fernen Geläute nach, den Berg hinabsteigen, brachte

       man ihnen oft viele Leichen entgegen von unglücklichen

       Pilgern, die des Winters auf dem Arlberg in

       Schneegestöber oder unter Lawinen zu Grund gegangen.

       Raubvögel und Raben hatten ihnen die Augen

       ausgehackt, die Kehlen abgefressen, und sie auf mannigfache

       Weise verunstaltet. Das erbarmte den Heinrich

       Findelkind so sehr, daß er bitterlich weinte und

       ein heiliger Eifer in ihn drang, solches Unglück zu

       verhüten. In vollen zehn Jahren hatte er fünf Gulden

       in Allem ausgegeben und also noch fünfzehn Gulden

       übrig von seinem Verdienst mit dem Hirtenstab. Da

       trat er eines hohen Festtages vor die Kirchthüre mit

       dem Ausrufe: Ob Jemand die fünfzehn Gulden nehmen

       wollte und damit einen Anfang machen auf dem

       Arlberge, daß die armen Pilger nicht also verdürben.

       Aber die Leute lachten vielmehr des thörichten Beginnens

       eines Betteljungen und Niemand wollte die erste

       Hand anlegen. Da rief Heinrich Findelkind von

       Kempten zu Gott dem Allmächtigen und zu St. Christoph

       dem starken Nothhelfer, und rettete gleich den

       ersten Winter sieben Menschen das Leben und ein

       paar Jahre darauf über fünfzig Menschen. Darauf stiftete

       er eine eigene Bruderschaft St. Christophs auf

       dem Arlberg, und zog für diese edle Bruderschaft bettelnd

       durch alle Länder und erhielt reiche Gaben. Die

       Kirchenfürsten von Salzburg, Chiemsee, Freising,

       Passau, Regensburg, Augsburg und Würzburg gaben

       ihm reichen Ablaß. Das Bruderschaftsbuch nennt

       unter den vorzüglichsten Wohlthätern der Stiftung

       unter andern auch die Landgrafen von Leuchtenberg

       und Grafen von Montfort und Ortenburg und viele andere

       Ritter. Herzog Leopold der Stolze von Oesterreich

       bezeigte im Dezember 1386, nachdem im Juli

       vorher sein Vater bei Sempach wider die verachteten

       und verspotteten Schweizerbauern mit dem Kern seines

       stolzen Adels gefallen, es sei der arme Knecht

       Heinrich von Kempten, in seiner Jugend ein Findelkind,

       mit großer Andacht und Begierde vor ihn gekommen,

       daß er wollte gern ein Haus bauen auf dem

       Arlberg und in dieser Wildniß wohnen und sitzen,

       vorzüglich damit die armen Pilger und Kaufleute

       nicht ferner so elend zu Grunde gingen. Es seien ja

       viel gute Dinge angefangen worden von einfältigen

       Leuten. Darum befehle er allen seinen Hauptleuten

       und Richtern, ihn dabei zu schützen und zu schirmen.

       Des armen Hirtenknaben und Findelkindes von

       Kempten edles Werk begann und bestand durch mehrere

       Jahrhunderte. Es erhielt Tausenden das Leben

       und sicherte einen für den Handel wichtigen Straßenzug.

       32. Sankt Mang, des Allgäu's Apostel.

       P. B r a u n Gesch. v. Bisch. v. Augsburg, I., 90.

       H o r m a y r goldene Chronik von Hohenschwangau, S.

       19. T a f r a t h s h o f e r der h. Magnus, Apostel des

       Allgäu's. Kempten 1842. Augsb. Unterhaltungsbl. 1843,

       S. 169.

       Es geht die Sage, daß Sankt Mang, der Apostel des

       Allgäu's, vorerst in das Pfrontner Thal gekommen sei,

       und er habe anfangs am Breitenberg und auf dem

       Roßberg sich aufgehalten. Jetzt noch heißt ein Brunnen

       der Mangenbrunnen, der auf dem Berge droben

       entspringt; man sieht ihn aber nur acht Tage vor bis

       acht Tage nach Sankt Mangenfest, wie eine glitzernde

       Fahne, die zur Feier ausgesteckt wird. Weiter zeigt

       man auf dem Roßberg den Mangenacker, und weiter

       unten den Mangensitz, wo er gerastet hat. Darauf aber

       ist der Heilige hinübergezogen gegen Füssen, zuerst

       an den Aletsee, wo noch die Sankt Mangenalpe ist,

       und dann nach Julienbach, welches jetzt Faulenbach

       heißt; und endlich ist er mit Gottes Hülfe hinüber geschritten

       über die Klamm des Lechs, an der »Lusalten

       «, wo noch im Felsgrund Sankt Mangentritt zu

       sehen ist bis auf den heutigen Tag.

       33. Sankt Mang zu Kempten