Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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breit?«

       So muß nach Roma wieder der Küchenmeister zurück

       Und geht zum heil'gen Vater und fragt mit trübem

       Blick:

       »Wie breit ist der güldne Pfennig, der ein Vaterunser

       werth?«

       Der Papst versetzt: »er ist wohl so breit wie die ganze

       Erd.«

       Als das Sankt Ulrich hörte, sprach er mit ernstem

       Blick:

       »Doch kannst du mir auch sagen, der güldne Pfennig

       wie dick?«

       Da murrte der Küchenmeister, doch weil er es nicht

       wußt,

       Hat er zum dritten Male gen Roma wandern gemußt.

       Und als den Papst er fraget: der Pfennig von Golde

       rein

       An Werth ein Vaterunser, wie dick der müsse sein?

       Da tönt's: »So weit der Himmel entfernt ist von der

       Erd,

       So dick sei der goldne Pfennig, der ein Vaterunser

       werth.

       Denn was der Mensch gewinnt, woran er labet den

       Muth,

       Ein andächtig Vaterunser ist besser als alles Gut.«

       Beschämet kehrt zum Bischof der Küchenmeister

       zurück

       Und bringt ihm diese Antwort mit

       niedergeschlagenem Blick.

       Da sprach der heilige Ulrich und hub zu reden an:

       Nun siehe, solchen Schaden hast du mir angethan;

       Drum geh' und schätze künftig ein Vaterunser mehr

       Und gieb dem Bettler wieder die Gabe zu Gottes Ehr,

       Daß er andächtig bete, so oft er das Geschenk

       Genießt, drei Vaterunser, des Gebers eingedenk.

       53. Radiana zu Wellenburg.

       Die Augsb. Geschichtschreiber S t e n g e l , K h a m ,

       G u l l m a n n u.A. – P. B r a u n Lebensgeschichten, S.

       183. F r . L o e maler. Skizze, S 20 v. R a i s e r

       Antiquar. Reise von Augusta nach Viaca, S. 34.

       Ein Stündlein von Augsburg entfernt, liegt auf einer

       Anhöhe das alte Schloß Wellenburg1, vormals dem

       edlen Geschlechte der Portner gehörig. Dort lebte um

       das Jahr 1290 eine fromme Magd, Radiana oder Radegundis

       mit Namen. Nicht weit vom Schlosse an der

       Stelle, wo später die St. Radegundis-Kapelle stand,

       war ein Siechenkobel (Spital). Dahin richtete die

       fromme Jungfrau alltäglich ihre Schritte, sobald sie

       die Geschäfte ihres Dienstes abgethan hatte. Alles,

       was sie selbst am Munde ersparen konnte, Milch und

       Butter, Brod und Fleisch, trug sie den armen Kranken

       unbemerkt in ihrem Körblein zu. Dennoch wurde sie

       von arglistigen Augen beobachtet und bei ihrem

       Herrn des Diebstahls bezüchtiget. Also stellte sich

       dieser eines Tages auf die Lauer, die untreue Dienerin

       auf der That zu betreten. Nichts Böses ahnend, kam

       sie daher, ein Körblein am Arm, in welchem sie abermals

       das von ihrem Munde Ersparte den Kranken zutrug.

       »Wohin mit Deinem Korbe? wohin Du Treulose

       mit gestohlenem Gut?« so donnerte ihr das Wort des

       Gebieters entgegen. Betroffen erwiederte Radiana, sie

       trage nur Kamm und Bürste zur Reinigung der Kranken

       in ihrem Korbe. Zornerfüllt befiehlt ihr jener den

       Korb zu öffnen, mit Widerstreben und Zittern gehorcht

       Radiana. Doch siehe, was Lüge ersonnen, hat

       sich im Korbe wunderbar zugetragen. Anstatt des

       Brodes und der Butter sind nur Kamm und Bürste zu

       sehen. Zufrieden läßt der Herr die Geprüfte des

       Weges ziehen, allein diese sollte die Strafe der Lüge

       hart erstehen. Denn, als sie des Abends wieder nach

       Hause wandelte, ward sie plötzlich von gierigen Wölfen

       angefallen und so jämmerlich zugerichtet, daß

       man sie für todt in die Wellenburg brachte. Dort ist

       sie nach drei Tagen eines seligen Todes entschlafen.

       Die Portner, damals Besitzer der Wellenburg, wollten

       den Leichnam der frommen Magd in ihr Familienbegräbniß

       nach Augsburg bringen, allein das vorgespannte

       Zugvieh blieb bei dem Siechenkobel stehen

       und konnte nicht weiter gebracht werden, worauf Radiana

       dahin begraben worden.

       Fußnoten

       1 Urkundlich stets W e l l e n b u r g ; nicht W ö l -

       l e n b u r g .

       54. Otto Seemoser, der Thorwart zu Freising.

       C . M e i c h e l b e c k hist. Frising. II., 9. J . v .

       O b e r n b e r g Reisen II. 448 u.A.

       Rechts beim Eingange in den Freisinger Dom, befindet

       sich an einer Seitenkapelle aufgestellt der Grabstein

       des frommen fürstbischöflichen Thorwarts Otto

       Seemoser, auf welchem er lebensgroß mit einem Laib

       Brod abgebildet ist. Dieser alte Diener war ein Wohlthäter

       der Armen, nur spendete er oft reichlicher, als

       seines Herrn Gerold Willen war. Einmal begegnete

       ihm Gerold, als er eben drei Brode, welche er unter

       dem Kleide barg, den Armen zutragen wollte. Der Bischof

       fragte, was er da trüge? »Steine!« entgegnete

       der betroffene Thorwart. Und siehe, die Brode waren

       Steine, als er sie vorzeigen mußte, darnach aber wieder

       Brode, als die Gefahr vorüber war.

       55. Das Brod des heil. Kastulus.

       Lexikon von Bayern. Ulm 1796., II., 119. G r i m m d.S.

       I., 326.

       In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche

       zu Landshut, hängt mit silberner Einfassung ein runder

       Stein in Gestalt eines Brodes, in dessen Oberfläche

       sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht

       folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heilige

       Kastulus als ein armer Mann zu einer Wittwe in der

       Stadt, und bat um ein Almosen. Die Frau hieß ihrer

       Tochter das einzige Brod, das sie noch übrig hatten,

       dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern

       weggab, wollte vorher noch eilig einige Stücke abbrechen,

       aber in dem Augenblick verwandelte sich das