Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayrischen Lande


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in die Ohren schallt;

       Sie wendet sich halb froh, halb bange,

       Und horcht dem wunderbaren Klange.

       Und vor dem Klang in Luft zerflogen

       Sind alle Flämmlein fort im Nu;

       Sie wandelt mächtig angezogen

       Dem wunderbaren Klange zu;

       Er führt sie weit auf Weg und Stegen,

       Und endlich aus des Walds Gehegen.

       Und dämmern siehet sie die Häuser

       Des Weilers aus der Ferne schon;

       Da klingt es leis' und immer leiser,

       Und gar verklungen ist der Ton;

       Schnell mit andächtiger Geberde

       Senkt betend sie das Knie zur Erde.

       Sie weinet frommen Dankes Thränen,

       Ihr Haupt verhüllend in's Gewand,

       Den Rettern, die mit leisen Tönen

       Sie riefen von des Todes Rand;

       Dann will sie freudig aufwärts schauen,

       Und sieht den Tag im Osten grauen.

       Und sieht mit rothbestrahlten Zinnen

       Auf fernem Berg ihr hohes Schloß;

       Sie rafft sich auf, und eilt von hinnen

       In ihres bangen Vaters Schooß.

       Mit Staunen aus der Tochter Munde

       Hört er die wundervolle Kunde.

       Dann baut er auf derselben Stelle,

       Allwo sein Kind sich wiederfand,

       Ein kleines Thürmlein und Kapelle,

       Mit Schieferdach und Mörtelwand;

       Und in des Thurmes höchstem Stocke

       Hängt hellen Klanges eine Glocke.

       Und bei des Abends ersten Sternen

       Schlägt hoch im Thurm das Glöcklein an,

       Durchhallt des Waldes weite Fernen,

       Und ruft den irren Wandersmann;

       Er folgt getrost mit sichern Schritten

       Dem Rufe zu des Weilers Hütten.

       Das Glöcklein hängt in der Kapelle

       Dreihundert Jahr und drüber schon,

       Und immer klingt es klar und helle,

       Und immer heller wird sein Ton.

       Es heißt, zu seiner Stiftung Kunde,

       Irrglöcklein bis auf diese Stunde.

       194. Die lichten Steine.

       L. B e c h s t e i n S. 200.

       Inmitten des Steinschuttes der Burgruine Lichtenstein

       erheben sich hochragend zwei Felsenblöcke über dem

       Boden, und es geht die Sage, daß dieselben seit undenklichen

       Zeiten in dieser Stellung gestanden, nämlich

       einer dicht über dem andern gelehnt und geneigt,

       ohne daß einer den andern berührt, und so dem Lichte

       zwischen sich freie Bahn lassend. Davon soll nun

       auch der Namen der Lichtensteiner, sowie ihr Wappen

       herrühren, welches zwei weiße gezackte Steine im

       rothen Felde, deren Spitzen sich nicht berühren, zeigt.

       Man sagt, so lange diese Steine ständen, werde das

       Geschlecht nicht gänzlich erlöschen, und so lange sei

       der alten Burg Wiederaufbau zu hoffen. Noch ist auch

       das Geschlecht der Freiherren von Lichtenstein nicht

       erloschen; doch gingen die meisten der ehemaligen

       Besitzungen in fremde Hände über, und viele wurden

       Eigenthum der Grafen von Ortenburg, Rotenhan u.A.

       195. Das Schneidersloch.

       Die vor. Schrift S. 201.

       Im Bereich der Burgtrümmer von Lichtenstein befindet

       sich eine in Stein gehauene Felshöhle, die wird

       das Schneidersloch genannt. Wildes Gestrüpp bedeckte

       die Oeffnung, und sie konnte mit einem Steinblock

       verschlossen werden. Im Innern erblickt man

       eine Vertiefung am Boden, wie eine Feuerstätte, und

       eine Art Futteral eingemeiselt, für eine Scheere. Hier

       soll sich, so geht die Sage, zur Ritterzeit ein keckes

       Schneiderlein verhalten haben, das lauerte den Knappen

       auf, wenn sie einzeln mit Beute beladen, in die

       Burg heimzogen, und erschoß sie tückisch und

       meuchlings, worauf es dann herausfiel und die Gefällten

       beraubte. Dieses Wesen trieb das Schneiderlein

       lange Zeit, bis endlich seine Unthaten an das Licht

       kamen, da ist es mit feurigen Scheeren und glühenden

       Nadeln zu Tode gemartert worden.

       196. Die Fickmühle1.

       Die vor. Schrift S. 202.

       Auf einer Felsenspitze in der Nähe der Burgruine

       Lichtenstein soll eine sogenannte Fickmühle eingegraben

       sein. Dort spielte einst der Teufel mit einem

       Ritter. Gewann der Ritter, so mußte ihm der Teufel

       eine lange Reihe von Jahren dienstbar sein, ohne

       Lohn, gewann der Teufel, so war des Ritters Seele

       sein eigen, ohne daß er demselben zu dienen brauchte.

       Man weiß nicht, wer das Spiel gewonnen hat. Andre

       sagen, hier habe Gustav Adolph mit seinen Generalen

       um Dukaten gespielt, und diese aus einem noch zu sehenden

       ausgehöhlten Loch, das man das Dukatenloch

       nennt, genommen.

       Fußnoten

       1 Anderorts Zwickmühle, das bekannte Bretspiel,

       vom alten Ficca, hin- und herfahren.

       197. Wüstung Erbrechtshausen.

       Die vor. Schrift S. 189.

       Ueberm Schloß Königsberg gegen Morgen, wo man

       nach Bramberg und Ebern geht, zwischen dem

       Sperbersheig und Roßberg, einem Walde, liegt einsam

       in der ebenen Feldflur ein Schafhof und über ihm

       öde Kapellentrümmer. In dieses Hofes Nähe stand

       einst ein Dorf, dessen Namen er fortpflanzt: Erbrechtshausen,

       welches nach der Umwohner Sage versunken

       ist. Noch steht ohnweit des Hofes die Dorflinde

       neben einem Brünnlein, und die Kapelle hieß St.

       Jakobskapelle und hat zum Dorfe Erbrechtshausen

       gehört. Noch nicht lange ist's her, daß man nahe der

       Kapelle mehrere alte Leichensteine liegen sah, doch

       mit unlesbarer Schrift. Es soll dort nicht richtig und

       geheuer, und bisweilen in gewissen stillen Mondnächten

       das Dorf Erbrechtshausen wieder so, wie es vordem

       gestanden, auf der