Alessia Sandberg

Das Greta-Phänomen


Скачать книгу

ihren intensiven Einsatz für eine gesunde Zukunft darstellt.

      Ihr Mut, sich selbst pur, mit ihrer eigenen Leidensgeschichte ganz allein vor en Gebäuden der Politik zu positionieren und mit ihrem ernsten und verantwortungsbewussten Gesichtsausdruck wie ein Mahnmal, alle Menschen daran zu erinnern, was wir sofort ändern müssen, wenn wir überhaupt noch eine Zukunft für die Menschheit und die Natur erleben dürfen, ist zutiefst bewundernswert und ebenso ihr Impuls, die Menschen weltweit auf die Klimakrise aufmerksam zu machen und zu bewusstem nachhaltigen Handeln für eine gesunde Zukunft zu animieren.

      Mit ihrer Asperger-Diagnose und ihrem vorausgegangenen Leiden zeigt sie den Menschen, dass sie richtig liegt, was besonders in ihrer „Wut-Rede“ deutlich wird.

      Dabei ist es wichtig zu verstehen, was Greta Thunberg durchgemacht hat, als sie den Atlantik mit einem Segelboot überquert hat, um nach New York zu kommen und dort an dem UN-Klimagipfel teilzunehmen.

      Sie ist ihrem eigenen Appel gefolgt, klimaneutral zu reisen und hat dabei ihre Angst- und Panik-Attacken überwunden, obwohl sie auf dieser Segeltour außergewöhnlichen Strapazen ausgesetzt war, die sie mit ihren Beschwerdebildern normalerweise gar nicht aushalten könnte (siehe Kapitel 2, 3 und 4).

      Sie muss auf ihre Ernährung achten und ihre Empfindsamkeit gegenüber einer waghalsigen Aktion ernst nehmen.

      Dies hat sie gut bewältigt und darüber hinaus ihre Angst- und Panik-Attacken überwunden, obwohl sie sicher nicht nur Wohlgefühle auf ihrer Fahrt gehabt hat.

      Wer selbst Angst- und Panik-Attacken kennt oder von den Symptomen gehört hat, weiß, was Greta Thunberg hier geleistet hat, wie sehr ihr die Klima-Aktionen am Herzen liegen und wieviel Einsatz sie bereit ist, dafür zu geben.

      Mit dieser Segeltour hat Greta ihre persönliche Komfortzone (der Bereich, in dem sich der Mensch wohl fühlt, weil er hier seine Gewohnheiten lebt. Verlässt er diesen, ist er mit Unkontrollierbarem, mit Neuem konfrontiert, das ihm ermöglicht, sich seelisch-geistig weiterzuentwickeln, was ihm aber auch Angst bereitet…allerdings letztendlich „Abenteuer“ im positiven Sinne bedeutet…) auf eine besonders radikale Weise verlassen und sich ihrer eigenen Forderung gestellt, nicht nur andere für den Klimaschutz zu bewegen, sondern selbst beispielhaft voranzugehen.

      Wie konnte sie also vor den UN in New York anders auftreten als mit einer engagierten Rede, die ihre aufrichtigen tiefen Gefühle offenbaren?

      Denn eine Asperger-Betroffene kann nicht lügen, sie kann nichts einstudieren und anderen etwas vormachen, was in Wirklichkeit gar nicht so ist. Sie kann sich selbst nur wahrhaftig zeigen, sie kennt nur Eindeutigkeit, was sowohl Zahlen betrifft als auch die Sprache. Sie spielt kein Spiel, kennt keine Ironie, sondern macht klare eindeutige Aussagen mit einem ernsthaften, ehrlichen Selbstausdruck.

      So weisen ihre Gefühlsausbrüche, die sie in ihrer Rede vor der UN offenbart, auf ihre Verletzlichkeit und zusätzlich zu ihrer Asperger-Diagnose (siehe Kapitel 2, 3 u. 4) auf ihre Hochsensibilität hin.

      Das beweist das, was wir an Unschuld an ihr wahrnehmen und ihre außerordentliche Authentizität.

      Das Überwinden ihrer Leiderfahrungen zeigt einen Menschen mit einer großen Stärke und einem ausgeprägten Charisma und die Verletzlichkeit eines unschuldigen Kindes gleichzeitig.

      Dabei ist sie ebenso klar und eindeutig in ihren Aussagen und wirkt dabei unerschütterlich. Das beeindruckt sehr viele Menschen. Andere sind irritiert, weil sie sich diese Reinheit und Klarheit, etwas aussagen zu wollen, auf etwas hinzuweisen, was alle Menschen weltweit betrifft, gar nicht vorstellen können.

      So ist ihre „Wut-Rede“ vor den Vereinten Nationen in New York beeindruckend und folgerichtig und beweist, wie unausweichlich es für Greta Thunberg und gleichzeitig für alle Menschen ist, sich für den Stopp einer Klima-Katastrophe und somit für die Gesundheit eines ganzen Planeten einzusetzen.

      Greta Thunberg hat am eigenen Leibe erfahren, wie es sich anfühlt, in einer von der Natur entfremdeten Welt, mit z. B. zu vielen Schadstoffen, zu viel Lärm und Hektik zu leben und als Resultat unter heftigen Symptomen zu leiden, die ihr Leben deutlich eingeschränkt haben.

      Ihre persönliche Erfahrung schwingt mit, wenn sie die Menschen vor der UN in New York mit eindeutig erläuterten Zahlen, die den tatsächlichen Co2 Ausstoß und die noch verbleibende Zeit betreffen, konfrontiert.

      Das Ganze offenbart Greta Thunberg in ihrer Rede vor der UN völlig unverstellt, mit ihrem ganzen Sein, ihrer gesamten Persönlichkeit, mit ihren authentischen Gefühlen wie Trauer, Wut und Angst, den Menschen, die ihr ernsthaft zuhören.

      Allerdings gibt es auch viele, die diese Art und Weise ihres Vortrags irritieren bzw. kritisieren.

      Ich denke, ein Grund für die Irritation ist, dass diese Kritiker die wahren Hintergründe für Greta Thunbergs Verhalten und die wirklichen Motive für ihre Aktionen nicht kennen.

      Da Greta Thunbergs Rede in den Medien nur zu einem Teil gezeigt wurde und im Internet ebenfalls größtenteils nur ausschnittsweise zu hören, zu sehen oder zu lesen ist, bis auf ein bis zwei Ausnahmen auf YouTube, sei zunächst an dieser Stelle ihre Rede vor den UN am 23.09. 2019 in New York mit dem vollständigen Text angeführt:

      „Das ist alles falsch. Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte auf der anderen Seite des Ozeans wieder in der Schule sein. Doch Ihr sucht Hoffnung bei uns Jugendlichen. Wie könnt Ihr es wagen!

       Ihr habt meine Träume gestohlen und meine Kindheit mit Euren leeren Worte! Dabei bin ich noch eine der Glücklichen.

       Die Menschen leiden, sie sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Beginn eines Massensterbens und alles, worüber Ihr sprechen könnt, sind Geld und die Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum.

       Wie könnt Ihr es wagen!

       Seit mehr als 30 Jahren ist die Wissenschaft glasklar. Wie könnt Ihr es wagen wegzuschauen und jetzt hier zu sagen, dass Ihr genug tut, wenn die notwendige Politik und Lösungen noch immer nicht in Sicht sind!

       Ihr sagt, dass Ihr uns hört und die Dringlichkeit versteht, aber egal, wie traurig und wütend ich bin, ich will das nicht glauben. Denn wenn Ihr die Situation verstehen und trotzdem weiter nicht handeln würdet, dann wärt Ihr böse und das will ich nicht glauben.

       Die beliebte Idee, unsere Emissionen in zehn Jahren zu halbieren, gibt uns nur eine 50-prozentige Chance unter 1,5 Grad zu bleiben und das Risiko, irreversible Kettenreaktionen zuzulassen, die sich der Kontrolle des Menschen entziehen.

       50 Prozent mögen für Euch akzeptabel sein, aber diese Zahlen enthalten keine Wendepunkte, kaum Feedback-Schleifen, nicht die zusätzliche Erwärmung, versteckt durch giftige Luftverschmutzung und auch nicht Aspekte wie Fairness und Klimagerechtigkeit. Ihr verlasst euch außerdem darauf, dass meine Generation mit Technologien, die es kaum gibt, Hunderte von Milliarden Tonnen Co2 aus der Luft saugt.

       Deshalb sind 50 Prozent für uns, die mit den Folgen leben müssen, einfach nicht akzeptabel. 50 Prozent mögen für Euch akzeptabel sein.

       Um eine 67-prozentige Chance zu haben, unter einem globalen Temperaturanstieg von 1,5 Grad zu bleiben, hätte die Welt laut Klima-Rat am 1. Januar 2018 im besten Fall noch 420 Gigatonnen Co2, die sie noch ausstoßen kann. Heute liegt diese Zahl unter 350 Gigatonnen.

       Wie könnt Ihr es wagen, so zu tun, als ob dies mit Mitteln wie bisher undeinigen technischen Lösungen gelöst werden kann?!

       Bei den heutigen Emissionen wird das verbleibende Co2 Budget in weniger als 8,5 Jahren vollständig aufgebraucht sein.

       Es werden hier heute keine Lösungen oder Pläne entsprechend dieser Zahlen vorgestellt, weil diese Zahlen zu unangenehm sind und Ihr noch nicht reif genug seid, um zu sagen, wie es ist. Ihr versagt vor uns.

       Aber junge Leute fangen an, Euren Verrat zu sehen. Die Augen aller künftigen Generationen sind auf Euch gerichtet. Und